Malmsheimers Staccato-Sprachfeuerwerk

180 Besucher lauschen im Bürgerhaus der Wortakrobatik des Kabarettisten und lassen sich auch mal abwatschen. Dann begeben sie sich mit Malmsheimer auf eine ereignisreiche Reise.
Der Kabarettist Jochen Malmsheimer lockt 180 Zuschauer ins Bürgerhaus, von denen viele noch immer von seinem umwerfenden Auftritt im September 2021 schwärmen. Kabarettreif begrüßt ihn auch Martin Guth vom Kulturmanagement. Eine liegen gebliebene Jacke in der Hand, erinnert Guth an Malmsheimers damalige Fashion-Kommentare, seine Ausführungen zur »Rentnermodefarbe Beige«.
Jetzt ist das Programm »Dogensuppe Herzogin - ein Austopf mit Einlage« angesagt und Malmsheimer sucht angesichts der »vieläugigen Bestie Publikum«, die von ihm eine »Supernova zündender Ideen« erwartet, telepathische Hilfe. Seinen Agenten beschwört er blumenreich herauf: »Du Oheim und Eidam meines Erfolgs!« Der bringt es kürzer und bündiger: »Halt die Klappe und mach dein Programm!«
Malmsheimer gilt als der Vater einer speziellen Kleinkunstvariante, nämlich des epischen Kabaretts. Für dessen Dynamik ist der Name eigentlich zu nüchtern. Wie wär’s mit »Sprachfeuerwerk im Staccatorhythmus« oder »Ideen-Akrobatik mit Pirouetten, Salti und Überschlägen«?
Start als Sänger in einer Bluesband
Einst hatte er als Sänger einer Bluesband begonnen, Variationen in Tonhöhe und Stimmlage setzt er auch jetzt ein. Im Fernsehen ist er lange als Hausmeister in »Neues aus der Anstalt« zu sehen, auf Kleinkunstbühnen tritt er im Duo mit Frank Goosen (»Tresenlesen«) auf oder mit Soloprogrammen, tiefsinnig überschrieben (»Wenn Worte reden könnten«).
Um das Reisen geht es im »Dogensuppe«-Programm, nicht etwa zu Fuß durch die Sahara oder zum Chillen an irgend einen Pool. Malmsheimers Frau hat eine Städtereise nach Venedig vorgeschlagen: »Zweimal die Woche kann man hinfliegen« und damit das tiefe Missfallen ihres Gatten erregt: »Kann nicht fliegen - Der Schöpfer hätte mich sonst leichter und tropfenförmig gemacht!«
Die Alternative ist schwimmen: »Die Ruhr entlang in den Rhein und dann immer flussaufwärts gegen die Strömung…« Sie kommt nicht infrage. Dann bleibt ein Vehikel, wo sich Menschen wahrhaft nahekommen: ein Reisebus. Für den Ehemann keine glückliche Lösung: »Der Mensch allein ist eine Heimsuchung, als Gruppe einfach unerträglich« und »Dafür bin mich noch nicht weißhaarig und sabbernd genug«. Das Innere des Busses? »Nur für Schüttgut konzipiert«. Die Sitze? »Hartschalen mit einem Stück Fensterleder drauf, zwingen das Knie in Extrembeuge - ich bin doch Protestant«. Wird er seine Beine nie wieder grade bekommen? Wird er wie ein Mensch der Glockenbecherkultur gebeugt-verschnürt bestattet werden müssen? Malmsheimer erweist sich als Meister der Schilderung. Zu seinem Publikum ist er streng: »Sie brauchen nicht jedes Mal zu klatschen, wenn Sie was verstanden haben!« Spontanen Applaus bekommt er diesen Abend öfter zu hören.
Wie bekommt man auf einer Busfahrt die Zeit herum? Malmsheimer bringt abstruse Wortspiele mit Ortsnamen: »Sie schwebte auf Olpe 7. Soest die Liebe!« Ein eiskalter Zugwind aus der Belüftungsdüse foltert die Fahrgäste. Vor Malmsheimer sitzt eine Frau mit barocker Figur, neben ihm ein Ehepaar, das sich nur als Mutti und Vati anredet (»Sie hatten ihre sexuelle Aktivität zugunsten gemeinsamer Bügelabende eingestellt«), vorne im Bordfernsehen läuft eine dümmliche Talkrunde (»Perpetuum debile«) selbst ernannter Experten - melancholisch klagt der Kabarettist: »Ich fühle mich fremd im eigenen Bus«.
Es ist Zeit, die Gedanken wandern zu lassen: Der »braune Sumpf«, die Rechtsextremen werden scharf kritisiert, Innovation in Stellung gebracht: »Aus Gauland wird Bauland und dann Container draufgesetzt für Geflüchtete.« Für Björn Höcke wählt der Kabarettist Vergleiche aus der Sanitärbranche. Die Reise geht weiter: »In der Dunkelheit floss Bayern unter dem Bus durch«.
Malmsheimer fantasiert: Plötzlich sitzt nicht mehr seine Frau neben dem verdrossenen Busreisenden, sondern Long John Silver, der Hinterhältige aus der »Schatzinsel«.
Und dann lässt Malmsheimer die Unentbehrlichen auftauchen, die man jedem Kind als Begleiter beim Großwerden wünscht: das Trio Winne-one, Winne-two und Winne-three, Robin Hood, Käpt’n Ahab, Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer, Siegfried mit »Krimhild loves you« auf der Front, Marco Polo mit jeder Menge Wandermarken auf dem Stock… Kein reines Idyll: Odysseus und der Sheriff von Nottingham geraten aneinander, angesichts von Penthesilea kommt John Silver etwas aus der Fassung: »Alle Wetter, was für eine Fregatte!«
Zum Schluss ein Plädoyer fürs Lesen
Schön für das Publikum, dass Malmsheimer, der Coole aus dem Ruhrpott, solch verspielte Facetten drauf hat. Und dann noch eine Botschaft, die sich zum Merken lohnte, Teil von Malmsheimers »Offensive des Wahren, Guten und Schönen«, verbunden mit einem Plädoyer für das Lesen: »Bildung ist das Bett, Liebe die Mutter, Respekt der Vater und das Kind heißt Empathie.«