Mehr als ein gemaltes Foto: Stadtansicht von Büdingen bei »Bares für Rares«

Ein Blick auf Büdingen, aber kein Foto, sondern ein gemaltes Bild. Doch nicht vor Ort wurde es zutage gefördert, sondern in Horst Lichters Kultsendung »Bares für Rares« im ZDF.
Der Maler hatte eine typischen Szenerie aus Büdingen abgebildet: Den Blick vom Berg, vielleicht von der Obersten Beunde aus, auf die Stadtmauer mit dem Jerusalemer Tor, dahinter die engen Gassen, die Dächerlandschaft der Altstadt.
Ungewöhnlich aber war der Ort, wo das Bild präsentiert wurde: Nicht etwa als Blickpunkt im Wohnzimmer einer alteingesessenen Büdinger Familie, sondern in einem Studio des ZDF, genauer gesagt, als erstes Objekt in der Sendung »Bares für Rares« bei Horst Lichter, ausgestrahlt am 11. April.
Es waren auch keine Wetterauer Anbieter, die das Bild in die Mainzer Sendung mitbrachten. Karlheinz und Julia Beckmann, Vater und Tochter, kamen aus Niedersachsen, aus Nordstemmen bei Hannover. Warum die beiden das Gemälde bei Lichter präsentierten?
Fund beim Wohnungsräumen
Sie hatten die Wohnung der Großmutter geräumt, weil die alte Dame ins Pflegeheim musste. Beim Aussortieren fanden sie das Bild, das aus dem Besitz des Stiefgroßvaters stammte.
Auch er war Niedersachse, und die Angehörigen konnten wenig über die Vorgeschichte des Bildes sagen. Sie hatten sich im Internet umgesehen, ein Auktionshaus befragt. Von »Bares für Rares« hofften sie, mehr über die »Geschichte hinter dem Bild« und seinen Marktwert zu erfahren.
Gespannt warteten sie auf die Aussage des Fachmanns. Colmar Schulte-Goltz ist Kunsthistoriker und Galerist und macht seit der sechsten »Bares für Rares«-Staffel als Kunstexperte mit.
Ein Etikett auf der Bildrückseite, die Signatur des Malers in der Bildecke erleichterte ihm die Zuordnung, und so konnte er den Beckmanns etliche Informationen geben. Karl Wendel (1878-1943) war ein an der Berliner Akademie ausgebildeter Kunstmaler. Stadtansichten, sogenannte Veduten, gehörten zu seinen Schwerpunkten.
Er malte viele Berliner Stadtszenerien, aber auch das Eulenspiegel-Haus in Braunschweig, Landschaften an der Ostsee. Szenerien aus Mittel- und Süddeutschland tauchen in seinem Werk eigentlich nicht auf.
So konnte Schulte-Goltz auch nicht genau sagen, ob das Bild in Büdingen, gewissermaßen »direkt nach der Natur« gemalt wurde oder vielleicht nach einem Foto, einem anderen Bild. Er geht aber von einem Entstehungsdatum in den 1930er Jahren aus.
Schulte-Goltz machte deutlich, dass das Bild nicht nur lokalen Reiz hat. Er ordnete das mit Ölfarben auf Bristolkarton ausgeführte Gemälde stilistisch dem Postimpressionismus zu, hob die reizvolle Sicht auf das Jerusalemer Tor hervor:
»Gemalt fast aus Vogelperspektive!« In der Vedutenmalerei geht es um die wirklichkeitsgetreue Wiedergabe einer Stadt, einer Landschaft.
Für 420 Euro an Kölner Händler
Doch Wendel schuf kein »gemaltes Foto«, sondern setzte eigene Akzente. Schulte-Goltz hob die Tiefenstaffelung hervor, das Herausarbeiten der Konturlinien, die »Weichzeichnung« zum Hintergrund hin, das pastose Auftragen der Farbe mit anschließendem kratzendem Einsatz des Spachtels.
»Eigentlich müsste es zwei Preise geben, einen Büdinger und einen allgemeinen« meinte der Kunstexperte, gab einige Tipps zur Reinigung des Bildes, zum Auffrischen des Rahmens aus der Entstehungszeit und schlug zur Zufriedenheit der Verkäufer eine Summe zwischen 400 und 500 Euro vor.
Die Runde mit der Händlerin und den Händlern steigerte eindeutig die Spannung der Beckmanns. Allesamt Profis - sie stiegen zunächst mit Niedriggeboten ein, steigerten sich dann hoch.
»Ein expressives Bild!«, waren sie sich einig. Beim 400-Euro-Gebot stiegen die meisten aus. Schließlich erwarb der Kölner Händler Jan Cizek das Gemälde für 420 Euro. Welche Zielgruppe in seiner Kundschaft wird sich für das Bild interessieren? Immerhin: kein regionales Motiv, kein Dom, kein Drachenfels, keine Rheinromantik.
Nach der Sendung haben sich schon mehrere Interessierte bei Cicek gemeldet. Eine junge Frau: »Mein Vater stammt aus Büdingen und hat einen runden Geburtstag. Männer sind so schwer zu beschenken. Das Bild wäre die ideale Überraschung für ihn!«
Noch mehr scheint das Bild für einen älteren Käufer zu bedeuten: »Ich komme aus der oberhessischen Ecke und will meinen Lebensabend auf Bali verbringen. Das Bild wäre ein Stück Heimat für mich!«
Für die Verkäufer hat sich der »Bares für Rares«-Besuch gelohnt. Julia Beckmann: »Wir konnten einen guten Preis erzielen und meine kleine Tochter soll auch was davon haben!«