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Mehr als nur Babysitter - Wenn Großeltern Kinder betreuen

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Bei den großen Bauvorhaben des kleinen August muss Großmutter Angelika hinunter auf die Fundamentebene. © Elfriede Maresch

Großeltern als Kinderbetreuer: in Zeiten von Ganztags-Kita und U3-Betreuung ein überholtes Modell? Oder doch höchst aktuell? Ein Blick in den Praxisalltag mehrerer Familien in Oberhessen.

»Oma komm, wir spielen SkipBo!« Die zwölfjährige Helene Uhl war bei der Tanzprobe des Faschingsclubs Ulfa, hat sich ausgepowert und will jetzt einen entspannten Winterabend mit den Großeltern genießen. Vielleicht kommen auch ihre Eltern noch dazu. Ist solche Harmonie zwischen den Generationen selbstverständlich? Immerhin gibt es in der Wetterau auch eine Selbsthilfegruppe »Verlassene Eltern«. Dort treffen sich Väter und Mütter, die darunter leiden, dass die erwachsenen Kinder den Kontakt komplett abbrachen, auch Enkel nicht mehr zu ihnen lassen.

Was ist das Geheimnis des friedlichen Miteinanders? Es muss nicht unbedingt das gemeinsame Wohnen im Dreigenerationenhaus sein wie bei Uhls. Bei Familie Neumann wohnt die ältere Generation im alten Ortskern, die jungen Leute mit ihren Kindern am Ortsrand. Vater Till ist voll berufstätig, Mutter Mareike in Teilzeit. Als das erste Kind ein Jahr alt war, stand zunächst ein U3-Platz im Kindergarten zur Diskussion. Eltern und Großeltern setzten sich zusammen und überlegten. Eine Alternative fand sich: Das kleine Mädchen kam an zwei bis drei Wochentagen morgens zu den Großeltern. Nach Mittagessen und -schlaf holte es die Mutter wieder ab. So verbrachte es einen unterhaltsamen Vormittag und war satt und ausgeschlafen.

Inzwischen ist die Enkelin in der dritten Klasse, ihr Bruder im ersten Schuljahr, aber nach wie vor sind sie zwei- bis dreimal pro Woche gern bei den Großeltern, schlafen am Wochenende manchmal dort. »Ich habe einen qualifizierten kunsthandwerklichen Beruf und möchte den Kontakt in die Arbeitswelt nicht verlieren. Die Hilfsbereitschaft der Großeltern ist gut für uns und die Kinder«, sagt Mareike Neumann und Ehemann Till betont: »Inzwischen sind die Kinder selbstständiger, entwickeln eigene Freundeskreise, wo sie auch Nachmittage verbringen. Aber es ist gut, die Großeltern im Hintergrund zu haben: in den Ferien, wenn Kindergarten oder Schule ausfallen - oder meine Frau und ich abends eingeladen sind.«

Dann kommt noch der Aspekt »Zeit zum Spielen« dazu - zur Freude der Enkel. Junge Eltern sind in der Regel stärker in einen eng getakteten Tag eingespannt. Bei Großeltern ist das anders, sie lassen Enkel auch gern an ihren Hobbys teilhaben, wenn diese Interesse zeigen. Karlheinz Uhl nimmt seine Enkelin mit zu den Schafen und in den Garten, wenn es etwas zu ernten gibt. Mit Großmutter Waltraut versuchte sie schon, zu stricken - diese Aufgabe war aber noch etwas groß. Die Neumann-Großeltern sind Naturaktivisten, nehmen die Enkel mit in Wald und Feld.

Aber gibt’s da kein Fitness-Problem? Fast alle Großeltern, die deutlich über die Lebensmitte hinaus sind, haben gesundheitliche Einschränkungen. Die Rainröderin Angelika Köhler erkrankte vor Jahren schwer und ist froh, gesundheitlich wieder stabil zu sein. Trotzdem ist sie als Entlastung von Sohn und Schwiegertochter für die neunjährige Elisabeth und den zweijährigen August da: »Bei ihnen beginnt der Arbeitstag sehr früh. Deshalb frühstücken die Kinder bei mir, ich bringe dann den Kleinen zum Kindergarten, die Große geht selbstständig zur Schule. Ich bin auch nachmittags für sie da, wenn man mich braucht.« Aber beide haben gelernt, dass die Oma nicht wild herumtoben kann. Köhler: »Ich mache gern mit Elisabeth Spiele, bastle mit ihr, lasse sie beim Backen helfen und der Kleine beobachtet und will schon mitmachen.«

Renate Fleischer-Neumann spricht geradezu von »Spezialisierung«: »Wir sind für Rollenspiele, Vorlesen, Kasperltheater und Märchenerzählen da. Sport ist Elternaufgabe. Meine Schwiegertochter macht mit den zweien Kinderyoga, die Familie wandert und joggt viel.«

Das Geben und Nehmen zwischen den Generationen scheint sich zu verselbstständigen. Wenn das Wetter besser wird, geht Helene Uhl auch mal mit Großmutter Waltraut spazieren oder hilft der anderen Großmutter bei Handy-Problemen.

Aber kommen die Großeltern - älter, weniger fit, ruhebedürftiger - bei der Enkelbetreuung nicht zu kurz? »Die Generationen müssen offen miteinander sein, die jeweiligen Bedürfnisse akzeptieren und sich gegenseitig wertschätzen«, meint Till Neumann. Angelika Köhler hat ein praktisches Beispiel: »Nach meiner Krankheit entdeckte ich die Freude am Reisen, mache gern mit einer Freundin Mehrtagesfahrten. Von Anfang an sagten Sohn und Schwiegertochter: ›Wenn du reisen willst, geht das vor. Dann müssen wir uns für die Kinderbetreuung was einfallen lassen!‹«

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cwo_EMcarlotta_070123_4c © Elfriede Maresch
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myl_ElfriedeMAresch_Will_4c © pv

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