Mehr als nur Besuchsdienst

Sie heißt nicht nur Inge Stricker, sie strickt auch. Die Gründerin der Grünen Damen Wetterau hat den ehemaligen Strickclub wiederbelebt. Die ersten 15 Decken wärmen nun die Knie älterer Menschen in Seniorenheimen. Und beim Besuchsdienst geht es auch wieder richtig los.
Inge Stricker aus Bad Nauheim wird am Ostersonntag 84 Jahre. Ihre älteste Helferin ist Erika Appel, die bei ihrer Tochter in Bönstadt lebt. Sie ist bereits 95 und häkelt den ganzen Tag. Davon ließ sich ihre 88-jährige Nachbarin anregen, die Strümpfe strickt. Dazugesellt haben sich zwei Seniorinnen aus Bad Nauheim. Die alten Damen sind allesamt froh, ihre handarbeitlichen Künste für einen guten Zweck einsetzen zu können. »Zehn Frauen sind wir jetzt. Und ich muss aufpassen, dass wir bis Weihnachten nicht unter Deckenbergen versinken«, sagt Ehrenvorsitzende Stricker mit einem Augenzwinkern.
Vor gut 15 Jahren hatte sie im Rahmen des Vereins Grüne Damen den Strickclub gegründet. »Das Angebot kam prima an. Dann schlief das Ganze ein, weil man uns sagte, die Decken müssten aus hygienischen Gründen gut waschbar sein. Inzwischen spielt das keine Rolle mehr, weil die Leute sie nur über den Knien oder der Bettdecke ausbreiten.« Die Decken, mit denen sie das Karl-Wagner-Haus in Friedberg beschenken, kaufen die Grünen Damen wegen der Waschbarkeit zu.
Das Wohnzimmer der Strickers sieht fast wie ein Wollladen aus. Auf dem Balkon lagern Knäuel zum Lüften, das Strickzeug liegt jederzeit bereit. Die ersten 200 Wollknäuel konnte Stricker aus einer Geschäftsauflösung für 50 Cent pro Stück kaufen, weitere bekam sie kartonweise geschenkt. Manche stricken oder häkeln kleine Quadrate, die dann zusammengefügt werden, andere die ganze Decke, wieder andere bevorzugen Strümpfe oder Schultertücher.
Wertvoller Beitrag zum Energiesparen
Zum Weihnachtsfest schenkte Erika Appel alle 15 Decken den Grünen Damen, denn die im November wiederbelebte Gruppe hatte noch keinen Vorrat. Vorsitzende Stephanie Amend konnte bei der Übergabe selbst erleben, wie sehr sich die alten Leute freuten, zumal es ein wertvoller Beitrag beim Energiesparen ist. Jetzt möchte Stricker ein erstes Treffen organisieren, um sich kennenzulernen und das Netzwerk auszubauen. Denn nicht alle helfenden Hände sind auch Grüne Damen.
Zwar ist die Hauptaufgabe des gemeinnützigen Vereins der Besuchsdienst in Krankenhäusern und Seniorenheimen. Sie engagieren sich aber schon seit vielen Jahren in Zusammenarbeit mit der Drogeriekette dm beim Weihnachts-Wunschbaum für soziale Einrichtungen. Die Aktion geht an die Doreafamilie, die sich in ihren Heimen um die Betreuung psychisch erkrankter Menschen kümmert. Die Grünen Damen schneiden Kärtchen aus, beschriften sie mit zuvor genannten Wünschen der Heimbewohner. Im Drogeriemarkt werden diese an den Weihnachtsbaum gehängt und von Kundinnen und Kunden eingelöst. »Zusätzlich besorgen wir Schokolade und Kekse für jeden und ergänzen, was hängen blieb, damit jeder Wunsch erfüllt wird. Dann packen wir die Päckchen und machen sie abholbereit«, erzählt die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Güths. 134 Päckchen waren es im vergangenen Jahr.
Freiwillige gesucht für Krankenbesuche
Nicht immer kommt ein Dankeschön. Das ist so unterschiedlich wie in den Krankenhäusern, wo die Grünen Damen ein- bis zweimal in der Woche Kranke besuchen, reden und, wenn es notwendig ist, auch mal etwas in der Stadt besorgen. Für Notfälle haben sie Hygieneartikel, die der Drogeriemarkt spendet, und Wäsche in ihrem eigenen Zimmer auf Vorrat. »Nach Corona muss es erst wieder ins Bewusstsein kommen, dass wir trotz Test und Masken zur Stelle waren, sobald wir durften«, sagt Amend, die sich in der Kerckhoff-Klinik sehr gut aufgehoben fühlt. Ab 1. März wird in den Krankenhäusern die Testpflicht aufgehoben, was hauptsächlich für die dort Berufstätigen eine große Erleichterung ist.
Trotz des erfolgreichen Aufrufs vor zwei Jahren mangelt es wieder an Freiwilligen für den Besuchsdienst. »Dadurch, dass wir so lange die Interessierten nicht zu Schnupperbesuchen mitnehmen durften, sprangen viele wieder ab. Nur eine Dame ist geblieben. Jetzt hoffen wir, dass sich wieder welche melden, um diese wichtige Aufgabe für die Patientinnen und Patienten zu übernehmen«, sagt Amend.
Inge Stricker jedenfalls ist mit Leib und Seele dabei und freut sich darauf, selbst im hohen Alter noch einmal mitzugehen: »Es war immer ein großes Glück. Und wenn meine Beine nicht mehr können, dann würde ich mir einen Rollstuhl geben lassen.«
