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Menschen zum Zuhören gewinnen

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Bald mehr im T-Shirt als im Talar: Pfarrer Matthias Schwarz geht in den Ruhestand. © Elfriede Maresch

Nach 15 Jahren Dienst in den evangelischen Kirchengemeinden Eichelsdorf und Ober-Schmitten geht Pfarrer Matthias Schwarz in den Ruhestand. In einem festlichen Gottesdienst wird er am Sonntag, 17. September, um 14 Uhr in der Lutherkirche Ober-Schmitten verabschiedet. Ein Empfang mit musikalischen Elementen schließt sich an.

Pfarrer Matthias Schwarz beendet seinen seelsorgerischen Dienst in den evangelischen Kirchengemeinden Eichelsdorf und Ober-Schmitten. Was die Gemeinde beruhigt: Zumindest bis 2030 bleibt die volle Pfarrstelle erhalten. Die Ausschreibung wird vorbereitet und soll voraussichtlich bis Jahresende im Amtsblatt erscheinen. Im Gespräch mit dem KA hält Pfarrer Schwarz Rückschau.

Leben in einer finnisch-orthodoxen Mönchsgemeinschaft oder die Leitung des »Hauses der Stille« in Berlin-Wannsee - Sie haben sich bewusst Arbeitsfelder mit spirituellen Schwerpunkten gesucht. Wie ging es Ihnen dann in einer volkskirchlich geprägten Gemeinde wie Eichelsdorf/Ober-Schmitten?

Matthias Schwarz: Ich bin in Biedenkopf-Breidenstein aufgewachsen und kenne das Leben im ländlichen Raum. Zudem waren die Sanierungsbedürftigkeit des Berliner »Hauses der Stille« und die völlig unklare Finanzierung so schwierig, das die Arbeit in einer »normalen« Kirchengemeinde eine richtige Erleichterung war. »Ich bleibe so zwei, drei Jahre und orientiere mich dann neu« habe ich damals gedacht. Daraus sind 15 Jahre geworden - Wetterauer Gemeinden haben eine starke Bindungskraft (lacht).

Meditationsabende, auch im Religions-, im Konfirmandenunterricht, Anregungen zum Herzensgebet der Ostkirche, Taizégottesdienste - trotz der Aufgabenfülle eines Gemeindepfarrers haben Sie immer wieder spirituelle Inhalte eingebracht.

Schwarz: Ja, und ich glaube, dass das auch den Bedürfnissen vieler, wenn auch nicht aller Gemeindeglieder entsprochen hat. Wir haben eine eigene Form der Taizégottesdienste zusammen mit der evangelischen Kirchengemeinde Rainrod mit Pfarrer Dr. Möser, mit Pfarrerin Hilbrig angeboten, die gern besucht wurden. Auch bei spirituellen Angeboten muss man auf das Gegenüber achten. Nicht alle Konfirmandengruppen kamen zur Ruhe, nicht alle konnten sich auf Stille und In-sich-hinein-horchen einlassen. Manche kamen mit einem kreativen, gewissermaßen »Action-betonten« Zugang zu Glaubensinhalten besser zurecht.

Trotz Ihrer Vorliebe für Meditation, Symbole, Zeichenhandlungen haben Sie sorgfältig vorbereitete Predigten gehalten…

Schwarz: Ja, auf keinen Fall hätte ich die Wortverkündigung vernachlässigen wollen, obwohl ich mich da auch gewandelt habe. In meiner Vikariatszeit habe ich stärker auf den wissenschaftlichen, den theologischen Hintergrund meiner Predigten geachtet. In Eichelsdorf und Ober-Schmitten war es mir wichtiger, die Menschen zum aktiven Zuhören zu gewinnen, gewissermaßen in ein Wechselspiel der Nähe mit ihnen zu kommen. Seither achte ich auch auf erzählerische Passagen, auf Alltagsbespiele, in denen die Gemeindeglieder sich wiederfinden können.

Was ist Ihnen außerdem wichtig?

Schwarz: Ein älterer, im öffentlichen Leben sehr engagierter Mann aus der einen Gemeinde hat mir gesagt, es tue ihm gut, dass in meinen Gottesdiensten auch gelacht werden könnte. Inzwischen ist es mir wichtiger, dass meine Predigten Lebensfülle, ernste wie heitere, widerspiegeln. Den Gestaltungsraum von speziellen Sommergottesdiensten habe ich gern genutzt. Es gab eine Predigtreihe mit dem Schwerpunkt Märchen oder mit umgeänderten Schlagertexten als Einstieg. Es ist mir nachvollziehbar, dass Sonntagabendgottesdienste mit ihrer besonderen Atmosphäre besser besucht sind als Sonntagmorgengottesdienste.

Auch lag Ihnen Seelsorge am Herzen. Gibt es eine besonders bedürftige Altersgruppe?

Schwarz: Am Lebensalter würde ich das nicht festmachen. Ich habe Jugendliche in krisenhaften Phasen erlebt, einige auf deren Wunsch hin auch über die Konfirmandenzeit hinaus einen längeren Zeitraum begleitet. Gemeindeglieder haben sich nicht nur nach offenkundigen Schicksalsschlägen wie schweren Erkrankungen oder Unfällen an mich gewandt, sondern auch wegen Gefühlen von Lebensstagnation, von festgefahrenen Familienkonflikten und mehr. Es war eine Schlüsselerfahrung für mich, dass auch Leute, die therapeutisch versorgt waren, noch das Bedürfnis nach Seelsorge hatten. Mir scheint Therapie strukturierter, zielgerichteter Seelsorge ist dagegen ein offener Raum, in dem Nähe und Ruhe erlebt werden können. Ein großes Problem ist auch die Einsamkeit im Alter.

Hier gibt es einen Kirchenchor, geleitet von Ute Künzel-Christ, bei dem Sie auch mitgesungen haben. Gelegentlich wurden sogar Singspiele aufgeführt…

Schwarz: Ja, wir haben einmal ein Elisabeth von Thüringen-Singspiel aufgeführt, einmal in Ober-Schmitten auch ein Martin Luther-Oratorium. Ich glaube, die Gemeinden hätten sich eine Fortsetzung dieser Linie gewünscht, aber solche Projekte sind unglaublich zeitaufwendig und arbeitsintensiv. Es ist schon schwierig, passende Probentermine für alle Berufstätigen zu finden. Ich bin glücklich, dass unser Kirchenchor die CoronaZeit überstanden hat und zusammengeblieben ist und dass wir mit »Gottesdienst to go« eine Form gefunden haben, die Corona-Isolation zu unterbrechen.

Fast schon ein Alleinstellungsmerkmal: In Eichelsdorf und Ober-Schmitten kommen die KiGo-Kids einmal im Monat zusammen.

Schwarz: Ja, das sind 15 bis 20 Kinder zwischen sechs und elf Jahren. Erfreulicherweise hat sich ein Team von Erwachsenen gefunden, das dieses Projekt begleitet, sodass das Angebot auch nach meinem Weggang weitergeführt werden kann. Wir haben ganz Verschiedenes unternommen, aber alles unter dem Großthema »Gemeinschaft«: Grillen, Nachtwanderung, ein Besuch im Experimenta-Museum Frankfurt. Ich habe immer gern mit Kindern gearbeitet, auch im Religionsunterricht, und ich mache einmal pro Monat ein Angebot im Kindergarten. Ich finde es wichtig, dass Kinder schon früh erleben, was Kirche ist, dass sie ein Basiswissen an biblischen Geschichten und Liedern erwerben - das ist heute nicht mehr selbstverständlich.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Ihren Kirchenvorständen erlebt?

Schwarz: Als gut und konstruktiv, auch in den unterschiedlichen Zusammensetzungen nach den Wahlen 2009, 2015 und 2021. Danken möchte ich auch meinen Gemeinden für ihre Hilfsbereitschaft bei praktischen und organisatorischen Dingen. So wurde etwa die elektronische Orgel für die Friedhofskapelle Ober-Schmitten komplett aus Spenden finanziert.

Und jetzt an Ihrem neuen Wohnort Watzenborn-Steinberg - werden Sie noch kirchliche Aufgaben wahrnehmen?

Schwarz: Ich nehme noch einen halben Dienstauftrag wahr, nämlich in der Fachstelle »Sexualisierte Gewalt an Kindern aus Sicht Betroffener«, die direkt dem Kirchenpräsidenten unterstellt und auch auf EKD-Ebene aktiv ist. Wir sind Mitglieder des Beteiligungsforums gegen sexualisierte Gewalt und leisten in der Begleitung Betroffener eine wichtige Arbeit.

Welches sind Ihre privaten Pläne?

Schwarz: 2023 will ich erst mal nichts Neues anfangen, sondern in Ruhe im neuen Lebensabschnitt ankommen. Dann will ich gern Italienisch lernen - eine ausgesprochen vitale Sprache. Und ich möchte ein Erinnerungsbuch schreiben, vielleicht nur für mich selbst.

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