1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis

»Mit Geheimnissen«

Kommentare

leo_krug_090923_4c_1
Daniel Krug kommt zur Lesung nach Büdingen. © pv

Daniel Krug, der Sohn des beliebten Schauspielers Manfred Krug, gastiert zum Saisonauftakt der Reihe »Büdingen belesen« in der Zinnkann-Halle. Er liest aus den Tagebüchern seines Vaters, macht Musik und gibt Einblicke in eine besondere Phase der deutsch-deutschen Geschichte.

Manfred Krug zählt zu den bekanntesten und populärsten deutschen Schauspielern. Sein Sohn Daniel wird zum Auftakt der neuen Saison der Veranstaltungsreihe »Büdingen belesen« aus dessen Tagebüchern lesen und über seinen Vater plaudern. Der erste Band der Tagebücher beginnt am 13. Januar 1996 mit einem Paukenschlag. »Damit war es passiert: Otti war Petra und dem Kind begegnet.« Für alle, die nicht darum wissen: Otti war Manfred Krugs Ehefrau, das Kind die kleine Marlene, die Krug mit seiner Freundin Petra gezeugt hatte. Überdies lebten all diese Personen unter dem Dach eines Mehrfamilienhauses. Das uneheliche Kind hatte ihr Vater bis zu diesem Tag mit alle notwendigen Mühe geheim gehalten.

Man hält den Atem an, wen man das liest. Nun lesen Tausende von Menschen die Tagebücher Ihres Vaters, erhalten Einblick in äußerst Privates. Wäre Ihrem Vater die Veröffentlichung Recht gewesen?

Als meine Schwester Fanny und Marlena Duda als gleichberechtigte Erben nach dem Tod meiner Mutter den Nachlass unseres Vaters sichteten, fielen uns drei dicke rote Ordner ins Auge. Das war ein Signal, denn er benutzte nie die Farbe Rot. In den Aufzeichnungen findet sich sinngemäß der Satz: Sollte sich ein Verlag finden, so wäre es gut, wenn ein ordentlicher Schreiber das Ganze ein bisschen einköcheln würde. Es ist für uns eindeutig: Mein Vater wollte, dass diese Tagebücher publiziert werden.

Sie sprechen von »einköcheln«. Warum war das notwendig?

Zum einen, weil das Original den Umfang von zwei Büchern schlichtweg gesprengt hätte. Außerdem hat die Lektorin Krista Maria Schädlich, eine enge Vertraute meines Vaters, vieles, was ihr dann zu privat erschien, gestrichen.

Hätten Sie dieselben Stellen gestrichen wie Krista Maria Schädlich?

Ich wollte das, was sie gestrichen hat, überhaupt nicht lesen. Mein Vater hatte, wie viele andere Menschen, Geheimnisse, um die ich nicht wissen möchte. Außerdem hatte er sich an einigen Stellen über meine Mutter in einer Art geäußert, dass auch Krista Schädlich schlucken musste.

Was hat Sie an dem, was veröffentlicht worden ist, überrascht?

Ich habe zum Beispiel gestaunt, wie viel Geld er an wohltätige Organisationen gespendet hat. Darüber verlor er nie ein Wort. Auch zeigt er eine überraschende Selbstreflektion - so habe ich das nie erlebt. Er merkte wohl, dass er bestimmte Dinge übertrieb, allein, wie er sich gelegentlich ausgedrückte. Aber ein Pardon wäre ihm nie über die Lippen gekommen. Auch gegenüber meiner Mutter nicht.

Wie haben Sie ihn als Vater in Erinnerung?

Er war ein Vater wie viele andere, wie zu jener Zeit üblich. Das heißt: In die Erziehung hat er sich nicht übermäßig eingemischt. Dazu kam, dass er 300 Tage im Jahr unterwegs war. Er war autoritär, hat aber nie geschlagen. Was ich ihm hoch anrechne. Denn er wurde von seinem Vater oft geschlagen, hat dieses Verhalten aber nicht weitergegeben. Er wurde schon laut, wenn er nach Hause kam und ich versuchte, ihm auf der Nase herumzutanzen, oder wenn er entdeckte, was ich in seiner Abwesenheit auf den Kopf gestellt hatte. Da geriet er regelmäßig in eine Stresssituation.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie Sohn eines Prominenten sind?

Mit sechs Jahre. Dass er in der DDR ständig im Radio und Fernsehen vorkam, war für mich das Natürlichste der Welt wie die Väter von Mitschülern Busfahrer waren. Aber eines Tages kam ich nach Hause und fragte meine Mutter: Ist mein Vater Manfred Krug? Sie antwortete, natürlich, ich wüsste doch um seinen Vornamen. Ich fragte noch zweimal nach, weil ich da zum ersten Mal eine Vorstellung von der Bedeutung seines Namens bekam. Von da ab vermied ich es, wo es ging, zu erwähnen, dass ich der Sohn von Manfred Krug bin.

Weil es Ihnen peinlich war?

Ich empfand das Nachfragen teilweise als traumatisch. Ich bekam mitunter auch die Kritik an ihn ab, weil er bekannt als einer war, der sich nicht anpassen wollte, der gelegentlich auf den Putz schlug.

Und nach Übersiedlung 1977 in den Westen?

In West-Berlin kannte man ihn eher, weil dort auch DDR-Fernsehen geschaut wurde. Aber in den westlichen Bundesländern war er völlig unbekannt, er musste bei Null beginnen.

Wie haben Sie die Jahre in der DDR in Erinnerung?

Ich empfand denselben Ekel wie meine Eltern auch. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit haben sie mich über vieles informiert und im Lauf der Jahre begann sich mein Horizont zu erweitern.

Die Zeit, von der die Tagebücher handeln, ist nicht nur wegen der familiären Situation dramatisch, sondern auch, weil er in dieser Zeit einen Schlaganfall erlitt.

Das war eine Katastrophe für ihn. Ich besuchte ihn in der Charité und bekam mit, wie er alles mühsam wieder erlernen musste. Reden, Schreiben, alles. Es dauerte sehr lang, aber er kämpfte sich zurück.

Es fällt auf, wie er sich über die Qualität der Drehbücher, die ihm angeboten wurde, beklagt.

Er war absolut gegen Gewaltexzesse. Nach seinem Gusto hätte in einem »Tatort« überhaupt keine Pistole auftauchen müssen. Er griff ein, wo es ihm möglich war. Auch bei den Manuskripten für Werbespots. Da machte er oft nicht mit, schrieb um und die Profis fanden es besser als vorher.

Für wen eignet sich die Lektüre der Tagebücher?

Für Menschen, die Interesse an Zeitkolorit haben, an flottem, pointierten Schreiben. Die meinen Vater kennen lernen möchten als Privatmann, Schauspieler und Publikumsliebling, als Sensiblen, als Großspurgen, um keine Antwort Verlegenen, den Zweifler an sich selbst, dem am Boden Zerstörten nach dem Tod seines Freundes Jurek Becker. Aber es geht in den Tagebüchern auch um Zeitgeschichte. Am 31. Dezember 1999 sprach er von dem »schmalen Jüngelchen Putin, der jetzt gerade Krieg in Tschetschenien führt und damit Pluspunkte bei den gedemütigten Russen macht«.

Auch interessant

Kommentare