Mitarbeiter gefrustet: DRK-Kleiderladen wird zu Weihnachten geschlossen

So hatten sich die sieben ehrenamtlichen Mitarbeiter des DRK-Kleiderladens in Reichelsheim das Jahresende 2022 nicht vorgestellt. Vor wenigen Tagen erst wurden sie mit vollendeten Tatsachen konfrontiert: Der Kleiderladen schließt zu Weihnachten.
Das kam unerwartet, es kam auch nicht als offizielle Mitteilung aus Friedberg und das ganze Vorgehen und die Schließung ärgern uns«, fasst Renate Aichmann die Stimmung des ehrenamtlichen Teams zusammen.
Im vergangenen Jahr hat die Einrichtung noch ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert, Renate Aichmann ist seit zwölf Jahren ehrenamtlich beim DRK aktiv. Wie die weiteren Kleiderläden des DRK-Kreisverbandes in Friedberg, Karben und Bad Vilbel sowie ähnliche Einrichtungen anderer Träger hat auch der Laden in Reichelsheim gebrauchte Kleidung angenommen, sortiert, geprüft und verkauft. Geöffnet hatte der Laden montags bis freitags jeweils von 9.30 Uhr bis 17 Uhr, neben den Ehrenamtlichen war eine Mitarbeiterin hauptamtlich beschäftigt.
Auf Anfrage dieser Zeitung macht der DRK-Kreisvorsitzende Helmut Wittmann »betriebswirtschaftliche Zwänge« für die Schließung verantwortlich. »Im Vergleich zu unseren anderen Läden waren die Erträge des Reichelsheimer Ladens sehr schwach. Da es sich steuerrechtlich um einen Wirtschaftsbetrieb handelt, mussten wir reagieren«, erläutert er.
Genau da aber setzt die Kritik der Ehrenamtlichen an, denn aus ihrer Sicht sind die finanziellen Probleme auf die während der letzten beiden Jahre krankheitsbedingt reduzierten Öffnungszeiten zurückzuführen. Nicht nur Corona allgemein, wie von Helmut Wittmann angegeben, sondern auch die Langzeiterkrankung der hauptamtlichen Kollegin habe zur Einschränkung der Öffnungszeiten geführt, sagt Renate Aichmann, und dies wiederum habe einen Rückgang der Einnahmen zur Folge gehabt. Konkrete Zahlen will sie ebenso wenig nennen wie Helmut Wittmann, doch: »Wir Ehrenamtlichen wissen, wie hoch die täglichen Einnahmen sind. Wir sind überzeugt, dass bei zuverlässigen Öffnungszeiten und regulärem Betrieb die Einnahmen die Ausgaben für Miete, Betriebskosten und die hauptamtliche Mitarbeiterin decken«, betont Aichmann.
Ebenso wie ihre sechs ehrenamtlichen Kolleginnen versteht sie nicht, warum das Rote Kreuz den Laden gerade jetzt schließen will, »in sozial sehr brisanten Zeiten«, in denen viele Menschen auf günstige Einkaufsmöglichkeiten angewiesen seien. »Bei uns kaufen Menschen ein, die von Hartz IV oder Grundsicherung leben, aber auch Normalbürger, die von der hohen Inflation betroffen sind«, berichtet Aichmann. Das Angebot künftig erweiterter Öffnungszeiten in den DRK-Kleiderläden in Friedberg und Karben ist nach ihrer Einschätzung für Reichelsheimer Kunden uninteressant: »Sie können es sich nicht leisten, nach Friedberg oder Karben in den Kleiderladen zu fahren.« Außerdem sei nur der wohnortnahe Einkauf im Sinne des Umweltschutzes »wirklich nachhaltig«.
Schon länger hadern die Ehrenamtlichen mit der »eher bescheidenen« Wertschätzung ihrer Tätigkeit durch das DRK: »Seit zwei Jahren gibt es keinen Kaffee mehr, wir putzen den Laden, die Schaufenster und die Toilette jetzt selber, vorher gab es mal eine Putzfrau«, stellt Renate Aichmann fest. Auch die Mitarbeiterin mit Minijob, die bei Urlaub oder Krankheit einspringen konnte, habe man zuletzt schmerzlich vermisst, obwohl deren Beschäftigung die Reduzierung der Öffnungszeiten zum Teil hätte verhindern können. Kleine Aufmerksamkeiten bei runden Geburtstagen, zu Weihnachten und bei längerer ehrenamtlicher Tätigkeit gehören nach Aichmanns Darstellung »schon länger der Vergangenheit an«.
Die Enttäuschung über das Verhalten des Kreisverbandes lässt Aichmann und ihre Kolleginnen daran zweifeln, dass das DRK überhaupt noch Interesse an seinen ehrenamtlichen Mitarbeitern hat. Es ärgert sie auch, dass vor dem Beschluss zur Schließung andere Optionen, wie der Weiterbetrieb des Ladens nur mit Ehrenamtlichen, überhaupt nicht erwogen wurde. »Drei oder dreieinhalb Tage hätten wir Ehrenamtlichen das geschafft«, ist sie überzeugt. Und: »Vielleicht hätten wir ja auch noch weitere Helfer gefunden.« Solche Überlegungen sind nun müßig. Wittmann: »Der Beschluss zur Schließung ist endgültig.«