Mitgliederschwund: Rotarier rotieren

Der Rotary Club Nidda besteht seit etwa 40 Jahren. Nach Feiern ist dem Vorstand jedoch nicht zumute. Die Anzahl der Mitglieder ist rapide gesunken. Die Zukunft des Clubs ist ungewiss.
Dem Rotary Club Nidda fehlen die Mitglieder, einige Aktionen können nur noch bedingt oder gar nicht weitergeführt werden. Präsident Gert Holle spricht im Interview über Hintergründe, Möglichkeiten und offene Türen.
Was ist der Ursprungsgedanke des Rotary Clubs?
Unser Motto heißt »Lokal verankert, global vernetzt«. Wir wollen Menschen nicht nur vor Ort, sondern auch international zusammenbringen. Die Förderung des Nachwuchses war der Ursprung der Gründung von Rotary 1905 in Chicago überhaupt. Da kamen verschiedene Berufsgruppen zusammen, deren Vertreter auch sozial tätig werden wollten. Witzigerweise war das erste Projekt eine öffentlich zugängliche Toilette, die es damals noch nicht gab. 1983 hatten wir in Nidda unsere Charterfeier. Das ist schon eine lange Zeit.
Wie wird die Förderung der Jugend umgesetzt?
Seit zwölf Jahren betreiben wir beispielsweise einen deutsch-indischen Schüleraustausch, vergeben an russische Studenten regelmäßig Stipendien für ein bis zwei Semester, fördern das Kinderheim Harb, bieten aktuell Kindern von der Tafel die Teilnahme an der Rotary-District-Initiative »Kids-Camp«. Wir ermöglichen den Kindern je eine Woche Ferien, die ihnen sonst nicht möglich gewesen wäre. Auch haben wir lange Zeit das Projekt »Gesunde Kids« in Grundschulen durchgeführt. Wir treiben in Kooperation mit den Schulen und der Stadtbibliothek Nidda das Leseprojekt »Forschen - Bauen - Staunen« voran und vieles mehr.
Insgesamt wollen wir das Interesse der Kinder und Jugendlichen für Themen rund um Umwelt und Natur sowie für eine gesunde und nachhaltige Ernährung wecken.
Ihre Mitgliederzahl ist in den vergangenen Jahren sehr geschrumpft. Welche Auswirkungen hat das?
Unsere Mitgliederentwicklung ist nicht dramatisch, aber schwierig. Wir haben viele Projekte, die gar nicht mehr zu stemmen sind. Ein Beispiel ist der Schüleraustausch mit Indien. Es ist durch die zweijährige Corona-Pause schwer möglich, dass die Schüler, die in Indien waren, nun selbst vor den Jüngeren für diesen Austausch werben. Es bestehen nach wie vor die internationalen Kontakte, auch zu den Stipendiaten aus Russland. Da haben wir richtig was angeschoben. Doch es fehlt die Manpower. Frühere Projekte, wie den Berufsinformationsdienst, eine Messe für junge Leute im Niddaer Bürgerhaus, können wir praktisch gar nicht mehr durchführen. Wir sind froh, dass dieses Angebot von anderer Seite weitergeführt wird.
Wo sehen Sie die Ursache für das geringere Interesse an der Clubarbeit?
Es ist ein allgemeiner gesellschaftlicher Trend. Unser Durchschnittsalter beträgt 67 Jahre, die Leute arbeiten länger. Aber auch die zunehmende Mobilität der Jüngeren, die dazu führt, dass sie vielleicht nur für ein Projekt zur Verfügung stehen, aber eben nicht für längere Zeit. Wir haben einige Neuzugänge, die sich einbringen, wie es ihnen zeitlich möglich ist. Aber wir haben auch altersbedingte Abgänge. Vieles ist heute eine Zeitfrage. Wenn wir die Aufgaben verteilen, ist es schon ganz schwierig. Das ist erklärbar. Doch ist es nicht so, dass man nicht gegensteuern kann.
Viele Vereine ändern ihre Vorstandsstrukturen, bilden einen Teamvorstand. Wäre das nicht eine Option?
Der Vorstand besteht aus sieben aktiven Leuten. Bei 13 Mitgliedern hat fast jeder in spe ein Amt. Die Präsidenten rotieren jährlich. Mein Vorgänger hatte es beruflich nicht mehr geschafft, ich übe das Amt seit über einem Jahr aus. Von 2013 bis 2017 hatten wir sogar unsere Jugend-Club Rotaract, in dem knapp 20 junge Leute aktiv waren. Die haben sich sozial engagiert, gefeiert, Bildungsseminare besucht. Das war eine sehr, sehr schöne Sache. Das ist für mich auch die Motivation, dafür zu sorgen, dass sich der Mutterclub nicht auflöst.
Die Rotarier - darunter stellen sich viele ausschließlich gut situierte, erfolgreiche ältere Krawattenträger vor. Ist das Image überholt?
Ja, das ist es. Das ist eine weitverbreitete Annahme, dass zu den Rotariern nur Menschen kommen, die es zu etwas gebracht haben. Diese Bewertung ist ja immer relativ. Es geht vielmehr darum, verschiedene Kompetenzen zusammenbringen. Der eine kennt sich in den Finanzen aus, der andere in der Öffentlichkeitsarbeit, eine kann gut Veranstaltungen organisieren, der vierte hat einen besonderen Draht zu Menschen. Es sind ganz unterschiedliche Fähigkeiten, mit denen sich jede oder jeder einbringen kann. Zudem agieren wir international, pflegen Partnerschaften mit Clubs in Cergy in Frankreich und Crewe and Nantwich Weaver in Großbritannien, mit denen wir uns immer wieder treffen. Wenn jemand sagt, er hat Kontakte nach Nigeria oder ist in Asien aktiv und will das verknüpfen, kann er sich bei uns einbringen.
Wen möchten Sie besonders ansprechen?
Es sind oftmals Zugezogene, die neue Kontakte und Treffpunkte suchen, oder Menschen, die möglicherweise ihr Berufsleben aufgeben und über mehr Zeit verfügen.
Sie hatten dem Vorstand vor zwei Jahren komplexe Überlegungen und Projektbeispiele für die Zukunft des RC Nidda ausgearbeitet und vorgelegt. Wie war die Resonanz?
Die war prinzipiell gut. Die Vorschläge wurden gut aufgenommen. Doch die Umsetzung kann ich nicht alleine stemmen.
Wie sieht Ihre Strategie aus, um neue Mitglieder zu gewinnen?
Wir wollen sichtbarer werden, nicht weil wir uns gerne auf Fotos sehen, sondern weil es notwendig ist, dass andere von den Aktionen erfahren. Wenn das nur hinter verschlossenen Türen stattfindet, kann das keiner wissen. Unser soziales Engagement bezieht sich nicht nur auf die Jugend. Es sind viele kleine Bausteine. Wir werden weiter an unserer Idee, eine Boulebahn in Bad Salzhausen zu bauen, dranbleiben. Da waren wir schon ziemlich weit, dann wurde uns die Fläche doch nicht zur Verfügung gestellt.
Wo ist die Tür für Interessierte?
Es gibt die Möglichkeit, zu unseren Meetings zu kommen und uns kennenzulernen. Unser Club trifft sich jeden Mittwoch ab 19.30 Uhr in Bad Salzhausen im Kurhaushotel. Da gibt es Vorträge und Neuigkeiten. Am 3. Mai kommt eine Jungunternehmerin, die aufzeigt, wie Unternehmen Social Media als Arbeitgeber nutzen können. Anmeldungen sind über unsere Website www.nidda.rotary.de möglich.