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Nächste Runde Coworking in Nidda

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210 Coworker nutzen die sechs Arbeitsplätze während der ersten Monate. © Myriam Lenz

Die Resonanz auf den Coworking-Space im Alten Kino in Nidda wird als »sehr gut« eingestuft. Die Stadt wird erst einmal weiter fördern. Das kam bei einem Workshop zum Abschluss der ersten Förderphase zum Ausdruck.

Erneut erwies sich das Coworking-Space im Alten Kino als Veranstaltungsforum. Waren am Tag zuvor an die 150 Teilnehmenden zum Regionalforum gekommen, so hatte die Stadt Nidda am Mittwoch zusammen mit dem Projektträger Co-Work-Land zu einem Workshop eingeladen. Ein kleiner, intensiv diskutierender Kreis saß zusammen. Es ging um die Bewertung der bisherigen Erfahrungen, die Frage der langfristigen Entwicklung, der Zielgruppen und des Standorts.

Drei potenzielle Nutzer waren der Einladung gefolgt. Stadträtin Sharon Rieck hat von Anfang an das Projekt begleitet und war auch jetzt dabei. Die Stadtverwaltung war mit Kerstin Alt von der Wirtschaftsförderung, Pablo Hildebrandt von der Bauabteilung und Peter Kreft, der für Social Media zuständig ist, vertreten. Julia und Tim Kabacher, die Eigentümer des Alten Kinos, saßen im Kreis. Es referierte Juli Biemann, Projektmanagerin bei Co-Work-Land. Aus den praktischen Erfahrungen vor Ort berichtete ihr Kollege Oliver Vidmar, der als Koordinator das Projekt von Anfang an begleitet hat und dies auch die nächsten zwei Jahre tun soll.

Niddaer Magistrat unterstützt Projekt

Die erste, unter Nutzung des Förderprogramms »Zukunft Innenstadt« finanzierte Projektphase ist am 16. Juni abgelaufen. Der Magistrat der Stadt Nidda, nach den ersten Erfahrungen positiv gestimmt, beschloss eine Folgefinanzierung. Ein Antrag auf Leader-Förderung ist in Vorbereitung. Es geht um Geld für die zwei nächsten Jahre. Am Ende dieser möglichen Förderphase würde sich die Stadt zurückziehen. Denn das Ziel ist eine vielseitig genutzte Einrichtung in Eigenständigkeit. »Wir wollen das Projekt als gutes Betreibermodell verstetigen, das dann in das selbstständige Bestehen am Markt entlassen wird«, meinte Kerstin Alt.

Warum die Stadt das Modell fördert? Es geht um Nachhaltigkeit, enorme Verkürzung der Arbeitswege für Pendler und damit Senkung von Immissionen, geringere Fahrzeiten und eine bessere Work-Life-Balance. Zudem erhöht es die Bindung von Fachkräften an den ländlichen Raum, optimiert Arbeitsmöglichkeiten, denn die Nachteile des Homeoffice sind ebenfalls bekannt.

Deutlich wurde, dass wirtschaftliche und soziale Aspekte ineinander übergehen und der Stadtentwicklung guttun. Die Innenstadt wird belebt, ein zukunftsfähiger Arbeitsrahmen kann vor Ort geboten werden. Mit kultureller und sozialer Nutzung, die sich jetzt schon abgezeichnet hat, sind neue Ebenen des Kennenlernens geschaffen.

Die 2019 gegründeten Genossenschaft Co-Work-Land hat bundesweit 120 Standorte und 20 fest Angestellte oder freie Mitarbeitende. Vidmar gab einen zahlenmäßigen Überblick. Er sprach von derzeit 210 Coworkern in Nidda in unterschiedlichem Zeitrahmen und verschiedener Frequenz bei aktuell sechs buchbaren Plätzen. 160 Personen hätten durchschnittlich pro Monat bisher den Workshop- beziehungsweise den Seminarraum genutzt. Allein im Mai konnten 570 Gäste im Saal gezählt werden, im Juni kamen circa 1300 Besucher oder haben sich bereits eingebucht.

Auch im kulturellen und geselligen Bereich ist das Coworking-Space interessant. Es gab schon eine Karnevalsveranstaltung, einen Seminartag des Landesbetriebs Bauen-Immobilien, eine Veranstaltung des »Wetterauer Landgenusses«, eine Demokratiekonferenz und Tanzworkshops neben den eigentlichen Infoveranstaltungen zum Coworking. Das Ambiente des historischen Kinos beeindruckt Erstbesucher und weckt bei Niddaern der mittleren und älteren Generation Erinnerungen.

Ungestörtes Telefonieren

Oliver Vidmar stellte Ergebnisse von 29 Interviews mit Partnern zwischen 19 und 62 Jahren wie auch von qualitativen Befragungen vor. Die Befragten kamen aus Wirtschaft, Verwaltung, Bildung und Wissenschaft sowie der Technikbranche. Die Anfahrtswege zum Coworking lagen zwischen weniger als einem Kilometer bis zu Strecken durch den ganzen mittelhessischen Raum.

Offen sprach Vidmar auch Kritikpunkte an. So hatten manche beim gemeinsamen und offenen Arbeitsplatz Sorgen wegen des Datenschutzes, sprachen von Konzentrationsproblemen oder hatten noch Wünsche zur Ausstattung.

Koordinator Oliver Vidmar will die Installation von Telefonkabinen organisieren, langfristig ist auch an die Einrichtung weiterer Räume als Team- oder Einzelbüros gedacht.

Die Resonanz der Projektphase bewertet Kerstin Alt, zuständig für die Wirtschaftsförderung der Stadt Nidda, bis dato als »sehr gut«. Der Magistrat ließ sich zu einer Zwischenfinanzierung überzeugen, die Aussichten auf eine Leader-Förderung sind gut. Für die Marketing- und Wirtschaftsexpertin gibt es zwei entscheidende Argumente: Das Coworking-Space sei eine Kontaktplattform für Fachkräfte, die man damit auf dem Land halten könne. Zudem entstünden durch diese Akteure ganz neue Synergien und Impulse. »Diese Menschen würden sich im normalen Arbeitsleben nicht treffen.« Das Coworking-Space ist für Kerstin Alt daher ein Raum der Wirtschaftsförderung. »Wir befinden uns am Anfang einer digitalen Revolution. Das Arbeiten wird sich komplett ändern: Es wird digitaler und dezentraler.« Diese Entwicklung mache auch etwas mit den Menschen: »Umso mehr Digitalisierung Einzug hält, desto mehr benötigen die Leute eine Erdung. Diese bietet dieser Raum, der eine Historie in sich trägt und kein seelenloser Neubau ist. Das Alte Kino war schon immer ein Ort der Kontakte und der Gemeinschaft.« VON ELFRIEDE MARESCH

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