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Neues Leben in der alten Buderus-Villa in Hirzenhain

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Von: Judith Seipel

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Bis das Erdgeschoss der Villa instand gesetzt ist, wohnen Johannes, Anja Carina und Aron Stevens in einem Mobilheim vor dem historischen Gebäude. © Judith Seipel

Anja Carina und Johannes Stevens suchten für ihre kleine Familie ein Haus mit Charme. Gefunden haben sie es in Hirzenhain. Größer, als geplant, und mit reichlich Platz für Träume: Seit einem Jahr gehört ihnen die Buderus-Villa.

Anja Carina Stevens weiß noch, wie ihre Schwiegermutter das Haus zum ersten Mal besichtigte: »In jedem Raum schlug sie die Hände vors Gesicht und rief ›Oh Gott!‹. Die Maklerin war überzeugt, dass sie uns nie wiedersieht«, erinnert sie sich. Das war im Sommer 2021. Sie selbst hatte da den Schock vom ersten Besuch in der Buderus-Villa in Hirzenhain bereits überwunden. »In sämtlichen Zimmern lag Müll, es hat reingeregnet, an den Wänden war Schimmel.«

Anja Carina Stevens (37), Wienerin, derzeit Vollzeit-Mutter von Aron (2), und ihr Mann Johannes Stevens (33), Software-Architekt aus Weinheim mit Job in Darmstadt, waren schon geraume Zeit auf der Suche nach einem Haus, als ihnen ein Immobilienbüro die Buderus-Villa in Hirzenhain zum Kauf anbot. Sie lieben alte Häuser und suchten etwas mit Geschichte. Aber so groß? Die Zweifel wichen Plänen. Schon beim zweiten Besuch sei klar gewesen: »Wir machen’s.«

Im vergangenen November hat die Familie ihr Zuhause in Weinheim aufgegeben und ist in ein Mobilheim auf dem Grundstück direkt vor der Villa gezogen. 35 Quadratmeter für drei Personen. »Es geht«, versichert die Hausherrin, »sogar meine drei Schwestern und meine Mutter haben hier schon mit uns übernachtet.« Waschmaschine und Trockner stehen im Keller der Villa, wo auch ihre Möbel lagern. Johannes Stevens hat in dem einzigen beheizbaren Kellerraum ein Büro eingerichtet, um ungestört arbeiten zu können.

Ohne Pandemie und die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, und ohne Niedrigzinsphase hätten sie sich wohl nicht für das Objekt in Hirzenhain entschieden. »Da trafen viele Faktoren zusammen«, berichten beide. Sechs Monate gingen ins Land von der Entscheidung für die Villa bis zum Erwerb im Januar 2022. Eine »riesige Vorarbeit« sei zu leisten gewesen. Gutachten, Kostenpläne, Angebote und ein Nutzungsplan mussten eingeholt beziehungsweise erstellt werden, dazu Verhandlungen mit Banken, bis alles in trockenen Tüchern war.

Staatliche Förderung

Auch wenn die Instandsetzung und energetische Modernisierung des denkmalgeschützten Gebäudes staatlich gefördert wird, ist es »eine Lebensaufgabe«, versichert Johannes Stevens. In zwei Jahren will die Familie das Erdgeschoss der Villa beziehen.

In die erste Etage und in das Dachgeschoss kommen jeweils zwei Ferienwohnungen. Anja Carina Stevens träumt außerdem von einem Café, aber das ist Zukunftsmusik.

Zunächst gilt es, den Investitionsstau von Jahrzehnten abzuarbeiten. Und immer wieder muss entrümpelt werden: kaputtes Holz, Mauerbruch, die Hinterlassenschaft der Vorbesitzer…

Gerade wird das Dach saniert und ist endlich dicht. »Anfangs sind wir jedes Wochenende nach Hirzenhain gefahren, um die Eimer unter dem Dach auszuleeren«, erzählt Johannes Stevens. Jetzt lagern dort Schieferplatten und künden vom ersten wichtigen Baufortschritt. Die Zimmerleute haben die Turmgauben wieder aufgebaut. Dort oben hat man einen großartigen Blick auf Hirzenhain mit der Augustiner Klosterkirche.

Kaum Fotos als Vorlagen

Als nächstes ist die Fassade dran. Im Laufe dieses Jahres soll das ortsbildprägende Fachwerk-Gebäude, das Hugo Buderus um 1830 für seine Familie bauen ließ, wieder sein ursprüngliches Gesicht erhalten. »Leider haben wir bis jetzt nur wenige Fotografien gefunden, an denen wir uns orientieren können«, bedauert Johannes Stevens. Hinter einer Wand im Erdgeschoss verbarg sich zu ihrer Freude ein ursprüngliches Fenster, das nun als Vorlage für die neuen Fenster dienen wird. Wie viele es sind? »Mindestens 40«, entgegnet Johannes Stevens und lacht. Ein Schreiner bearbeitet zurzeit Bretter, um die aufwendige Holzverschalung des Dachgeschosses auszubessern.

Die Sanierung erfolgt in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalschutz und der Unteren Denkmalbehörde beim Wetteraukreis. Die Eigentümer betonen, dass ihnen auch ohne Auflagen an Authentizität gelegen sei, nicht nur für das Erscheinungsbild der Villa, sondern auch für die verwendeten Materialien. »Wir betreiben schon viel Recherchearbeit, um dem Haus gerecht zu werden«, bekräftigt Anja Carina Stevens. Dazu gehört auch, dass sie Handwerksbetriebe aus der Region mit den verschiedenen Gewerken beauftragen.

Nach Hirzenhain gezogen zu sein, habe sich als richtig und wichtig erwiesen, um den Baufortschritt zu begleiten und zu beaufsichtigen. »Die Hirzenhainer haben uns mit Wohlwollen und Interesse aufgenommen«, freuen sich Anja Carina und Johannes Stevens. Viele hätten Berührungspunkte mit dem Haus und freuten sich, dass dort nun endlich wieder Leben einzieht.

Der Erhalt und die Entwicklung identitätsstiftender und lebendiger Ortskerne steht im Mittelpunkt des hessischen Städtebauförderprogramms »Lebendige Zentren«. Gedern, Ortenberg und Hirzenhain nehmen seit 2019 als interkommunale Kooperation »Oberes Niddertal« an diesem Förderprogramm teil. Auch die Sanierung der Buderus- Fachwerkvilla als eines der ortsbildprägenden Gebäude mitten in Hirzenhain kann von diesem Programm profitieren. Vielen Hirzenhainern liegt es am Herzen, dass dieses im 19. Jahrhundert erbaute, unter Denkmalschutz stehende Gebäude wieder in einen ansehnlichen Zustand versetzt und mit Leben erfüllt wird. »Mit Gutachten, Kostenplänen und fachlicher Hilfestellung könnte für den privaten Bereich die Sanierung von historischen Bestandsgebäuden so attraktiver gestaltet werden«, heißt es dazu im integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept.

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