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Über untergegangene Orte rund um Nidda

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Gute Ansprechpartner für Stadtgeschichte sind der Vorsitzende des Vereins Heimatmuseum Nidda, Martin Röhling (links), und Marlon Reiber. © Elfriede Maresch

Überwachsene Mauerreste, Lesesteinhaufen und Flurnamen weisen auf Wüstungen hin: einstige Siedlungen, die aufgegeben wurden. Solche Spuren faszinieren Geschichtsinteressierte.

Wüstungsforschung gibt es schon lange. So erschien Georg August Justin Wagners Aufzeichnung »Die Wüstungen der Provinz Oberhessen« 1854 im Verlag des Historischen Vereins für das Großherzogthum Oberhessen. Günter Stahnke, Initiator des Geschichtsvereins Ulfa, konnte zudem Leonhard Volks »Wüstungen im Kreis Schotten« von 1940 nutzen und schrieb eine detaillierte Arbeit über die Wüstungen rund um seinen Heimatort Ulfa.

Wer sich für untergegangene Orte rund um Nidda und in der näheren Umgebung interessiert, findet kundige Ansprechpartner im Verein Heimatmuseum Nidda, bekommt dort Hinweise auf Literatur oder landesgeschichtliche Informationssysteme wie LAGIS. Denn auch in Urkunden, etwa der Schenkungsurkunde von 1187, als Graf Berthold von Nidda die Pfarrei und großzügigen Grundbesitz dem Johanniterorden übergab, finden sich Hinweise auf längst wüst gefallene Orte.

Rätsel werfen auch Funde im Gelände auf. So wird im Heimatmuseum Nidda die Kopie eines Zeitungsartikels aus den 1960er Jahren aufbewahrt. Der Landwirt Erich Braun hob in der Feldflur bei Unter-Schmitten eine Vertiefung für eine Viehtränke aus und fand seltsam geformte, gewölbte Tonscherben. Flurnamen erinnern noch an die Wüstung Rechelshausen, deren Häuser dort standen. Hatte Braun den ehemaligen Dorfbrunnen mit Resten eines Schöpfgefäßes gefunden? Im Artikel heißt es weiter, nach fachmännischer Beurteilung seien es Reste einer Wölbkachel gewesen.

Interessierte graben an Wüstungen

Im Mittelalter verwandte man solche Gebilde gerne zum Bau kleinerer Gewölbe, weil sie leichter als behauene Steine waren. Allerdings gab es wohl kaum viele Häuser mit überwölbten Räumen in der kleinen Siedlung. Das Fundgrundstück der Kachelscherben war Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde Eichelsdorf, wo in einem Pfarrregister von 1766 von einer »Capelle in ruderibus« - in Trümmern - zu lesen ist. So lässt sich vermuten, dass die Wölbkacheln aus der Rechelshäuser Kirche stammten.

Zwischen 1960 und 1970 gruben gelegentlich Interessierte, aber auch Lehrer mit ihren Schulklassen an Wüstungen oder anderen fast verschwundenen historischen Orten. So etwa der Büdinger Lehrer und Lokalhistoriker Hans Velten Heuson auf der Hardeck bei Büdingen, der Kirchenarchitekt Dr. Peter Weyrauch mit der Hilfe des Unter-Schmittener Lehrers Wagner und seiner Schüler in Rechelshausen.

Grundsätzlich erfordern Grabungen Professionalität und dürfen nur von beauftragten Fachkräften durchgeführt werden, selbst das Suchen mit einer Sonde muss von den Denkmalbehörden genehmigt werden. Dagegen können Ehrenamtliche bei offiziellen Grabungen ihre Hilfe anbieten. Von der erwähnten Schenkungsurkunde gibt es in den Beständen des Niddaer Heimatmuseums eine Kartenskizze. Neben heute noch bestehenden Orten werden dort 13 Siedlungen erwähnt, die längst verschwunden sind: Bonlant im Harbwald, nördlich von Bad Salzhausen, Stedeveld (Stehfeld), an das noch der Stehfelder Weg erinnert, Wolfhardeshusen zwischen Nidda und Ranstadt, Rambach nördlich von Wallernhausen in Richtung Fauerbach, Hadebrachdeshusen nördlich der Krötenburg am östlichen Nidda-Ufer und Richolveshusen, das dem genannten Rechelshausen entspricht. Habechesbach (Heißbach) lag drei Kilometer nordöstlich von Michelnau. Rifrideshagen war Reifertshain, etwa zwei Kilometer südlich von Eichelsachsen, Strithagen (Streithain) lag nördlich von Glashütten, heute stehen dort einzelne Wohnhäuser.

Eher Weiler oder sehr kleine Dörfer

Nithorne hießen die ehemaligen Schmieden und Erzgruben im Niddertal nördlich von Steinberg, Volcmarshusen lag südlich von Schotten im Läunsbachtal, Vroneholz nördlich von Ulfa in Richtung Stornfels und Udenhusen nördlich von Eichelsdorf.

Günter Stahnke hat für die Ulfaer Gemarkung in den Aufzeichnungen von Volk noch weitere aufgelassene Siedlungen wie Bingshausen und Reckenhausen gefunden.

Insgesamt waren die Wüstungen rund um Nidda eher Weiler oder sehr kleine Dörfer. Wenn sie eigene Kirchen und gefasste tiefere Brunnen statt oberflächlicher Quellen hatten, war das schon ein Plus an Infrastruktur. Größere Ortschaften waren Wernings bei Gedern und Pferdsbach bei Büdingen, die Mitte des 19. Jahrhunderts verlassen wurden - aus schierer Armut. In der Vormärzzeit war die wirtschaftliche Lage vieler oberhessischer Dörfer desolat. VON ELFRIEDE MARESCH

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1970 hat der Geschichtsverein aus der Quelle der Wüstung Reckenhausen einen Platz zum Verweilen gemacht. © pv
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Eine Quelle der Wüstung Reckenhausen, die 1925 im Rahmen der ersten Flurbereinigung gefasst worden ist. © pv

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