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Diakonie Dienstleistungen Wetterau in Nidda: Es droht die Insolvenz

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Sie brauchen nicht nur akute Hilfe, sondern eine dauernde ausreichende Finanzierung für die Diakonie Dienstleistungen: Verwaltungskraft Sybille Hämmerle, Geschäftsführer Gerhard Wolf und Einsatzleiterin Nadine Jordan (v. l.). © Elfriede Maresch

Die Alltags- und Demenzbetreuung der Diakonie Dienstleistungen Wetterau in Nidda leistet stundenweise Unterstützung im Haushalt oder bei Einkäufen und Arztbesuchen. Doch wie lange noch?

Es klingelt und Lieselotte Heimer (Name von der Redaktion geändert) ist erleichtert. Die 82-Jährige ist vor Arztbesuchen immer ein wenig aufgeregt, aber sie weiß: Die Alltags- und Demenzbegleiterin der Diakonie Dienstleistungen Wetterau gGmbH (DDLW) in Nidda kommt, fährt sie zum Arzt und wieder nach Hause, kauft ein und kocht das Mittagessen. Das ermöglicht es der alten Dame, trotz ihres Pflegegrades in der vertrauten häuslichen Umgebung zu leben.

Mangels kostendeckender Sätze ist die Hilfe nicht nur für Lieselotte Heimer, sondern für 141 Wetterauer Senioren gefährdet, die von der DDLW betreut werden. Etwa 50 Prozent der Kunden leben in der Großgemeinde Nidda. Auf der Warteliste stehen 69 hilfsbedürftige Personen. Zudem sind in der Corona-Zeit über 20 Mitarbeitende abgewandert, neue Kräfte sind schwer zu bekommen.

Rücklagen eingesetzt

Gerhard Wolf, mit Eckhard Sandrock ehrenamtlich tätiger DDLW-Geschäftsführer, erläutert: »2022 waren von unseren 39 Mitarbeitenden 21 in Teilzeit tariflich angestellt. 18 ehrenamtlich Tätige, die bis zu 3000 Euro pro Jahr steuerfrei als Pauschale erhalten können, sind ebenso wichtige Stützen wie auch Minijob-Angestellte, deren Lohnsteuer der Arbeitgeber übernimmt.«

Viele Senioren möchten in ihrer vertrauten Umgebung leben, aber sie sind alleinstehend oder ihre erwachsenen Kinder leben auswärts, sind beruflich eingespannt, können nur wenig Hilfe leisten. Die Senioren werden in regionalen Teams von den Einsatzleiterinnen Nadine Jordan und Edeltraud Klünder begleitet. Die Alltags- und Demenzbetreuung leistet stundenweise Unterstützung im Haushalt oder bei Einkäufen und Arztbesuchen. Damit werden auch oft berufstätige Angehörige entlastet.

Eine weitere Zielgruppe sind seelisch kranke oder behinderte Menschen, die ohne Hilfe ihren Alltag nur schwer strukturieren können. »Unser Team arbeitet vernetzt, etwa mit den Sozial- oder Diakoniestationen, die pflegerische Hilfen erbringen. Ein Beispiel ist die gute Kooperation mit der Sozialstation Nidda und Gemeindeschwester Sandra Frank«, erläutert Einsatzleiterin Nadine Jordan.

Gerhard Wolf erklärt, wie es zur Unterdeckung der Kosten kam: »Im Corona-Jahr 2021 hatten wir in manchen Monaten einen Umsatzrückgang von 40 Prozent, der durch die Schutzpakete nur zum Teil aufgefangen werden konnte. Daher mussten wir Rücklagen einsetzen. Bereits 2022 musste unsere gemeinnützige GmbH einen Verlust ausweisen. Existenzgefährdend wurde die Änderung der Hessischen Pflege- und Unterstützungsverordnung vom Juli 2022. Der Preis der Abrechnungsstunde ist dort bei 30 Euro gedeckelt. Unsere Preiskalkulation liegt aus gutem Grund höher. Wir zahlen Tariflöhne und wehren uns gegen den indirekten Zwang, aus dem Tarifvertrag auszusteigen.«

Es lohne ein Blick auf die stationäre Altenpflege, wo Tarifverträge vorgeschrieben seien. Wolf: »Auch bei uns im ambulanten Bereich lassen sich Mitarbeitende nur finden, wenn sie ausreichend vergütet werden. Zudem ist abzusehen, dass wir Tariferhöhungen und den Inflationsausgleich auffangen müssen. Hat die Preisdeckelung in der Landesrichtlinie dies überhaupt berücksichtigt?«

Seit Monaten sind Wolf und Sandrock mit Kostenträgern und Kommunen im Gespräch - bisher ergebnislos. Beim Wetteraukreis seien die Ansprechpartner verständnisvoll, aber an die Landesrichtlinie gebunden.

Widerspruch eingelegt

Wolf: »Wir haben gesetzeskonform im Januar 2023 Widerspruch gegen die Preisdeckelung eingelegt und warten seitdem auf die Entscheidung des Regierungspräsidiums Darmstadt. Ebenso blieb eine Problemanzeige bis heute unbeantwortet, die am 21. Dezember 2022 an die zuständige Pflegekasse Eschborn ging.«

Das DDLW braucht Hilfe für die akute Finanzierungslücke und ist für Spenden oder die Zuweisung von Bußgeldern dankbar. Das ändert aber nicht das Grundproblem. Planungssicherheit und ausreichende Finanzierung für die Leistungen werden gebraucht. Wolf: »Es braucht eine Vollkostenerstattung durch eine realistische Anpassung des Abrechnungspreise ohne Deckelung in der Hessischen Pflege- und Unterstützungsverordnung. Denkbar ist auch eine verbindliche ergänzende Teilfinanzierung: durch die Kommunen und den Kreis, die zuvörderst die Verpflichtung der öffentliche Daseinsvorsorge haben. 15 Jahre lang hat sich unser Hilfekonzept bewährt. Wenn wir jetzt aufhören müssten - wer schließt die Lücke?«

Nur schwer nachzuvollziehen ist es, warum die Diakonie Dienstleistungen gGmbH bisher keine Reaktion der zuständigen Pflegekasse in Eschborn bekommen hat. Aber auch die zuständigen Stellen im Regierungspräsidium Darmstadt haben innerhalb eines Dreivierteljahres auf den Widerspruch gegen die Preisdeckelung nicht reagiert. Das Land, die Städte, Gemeinden und der Wetteraukreis sind bei der Sicherstellung der kommunalen Daseinsvorsorge gefordert. Müssen die Diakonie Dienstleistungen mangels Finanzierung ihr Angebot einstellen und ihr Team entlassen, wird sich kein kurzfristiger Ersatz finden. Auch ein späteres Nachbessern hilft nicht - die Angestellten sind abgewandert. Woher bekommen 141 Menschen dann Hilfe? VON ELFRIEDE MARESCH

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