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»Landfrauen sind füreinander da«

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Von: Myriam Lenz

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Anna-Maria Klomfaß (l.) und Anneliese Zimmer sprechen über Klischees und Perspektiven der Landfrauen. © Myriam Lenz

Es gibt sehr wenige Frauen, die noch in der Landwirtschaft arbeiten. Das wird zur Herausforderung für den Bezirkslandfrauenverband Nidda. Im Interview: die Vorsitzende Anna-Maria Klomfaß und Vorstandsmitglied Anneliese Zimmer.

Es gibt nur noch wenige Bäuerinnen in den Landfrauenvereinen. Je nach Ausrichtung des Vereins schaffen es die Gemeinschaften, Jüngere zu gewinnen. Für den Bezirkslandfrauenverein Nidda sprechen Vorsitzende Anna-Maria Klomfaß und Vorstandsmitglied Anneliese Zimmer über den Status Quo und Perspektiven.

Die Landfrauen in Kefenrod gibt es nicht mehr, auch der Vorstand des Aulendiebacher Vereins hat kürzlich beschlossen, sich aufzulösen. Sie sagen, es gebe keine Landfrauen mehr, Jüngere würden nicht nachkommen. Wie ist die Tendenz im Bezirksverband?

Anna-Maria Klomfaß: Die Tendenz ist ähnlich, es ist auch für uns eine Herausforderung.

Anneliese Zimmer: Die beiden großen Vereine in Echzell und Nieder-Mockstadt mit je 300 Mitgliedern haben die meisten jüngeren Frauen. Das kommt allerdings daher, dass sie sich im Fasching sehr engagieren. Im gesamten Bezirksverband gibt es circa 100 Mitglieder, die unter 18 Jahren sind. Wir hatten früher in Wallernhausen auch zwischen 30 bis 40 Mädchen. Es ist aber unheimlich zeitaufwendig, immer wieder etwas Neues anzubieten.

Anna-Maria Klomfaß: Die Kinder und Jugendlichen haben heute ein großes Angebot und ein straffes Programm. Die Eltern fahren sie zur Musikstunde, zum Turnen und anderes. Es ist alles zu viel.

Der Name Landfrauen scheint für die junge Generation nicht attraktiv. War es schon einmal Thema, das Kind umzubenennen?

Anneliese Zimmer: Ich denke, es ist nicht so sehr der Name, sondern die Zuordnung. Bei einem Fußballverein liegt der Zweck klar auf der Hand. Die Landfrauen haben ganz viele soziale Nischen in den Dörfern belegt. In Wallernhausen hatten wir einen Handarbeitskreis und viele traditionelle Vorträge angeboten. Diese Angebote gibt es heute auch noch, aber in enger Verbindung mit dem Familienzentrum Dorftreff Neue Mitte. Die Inhalte haben sich verschoben und wir müssen immer wieder nach einer Nische suchen.

Anna-Maria Klomfaß: In Echzell singen und tanzen sie, sie beschäftigen sich mit Handarbeiten, eine Gruppe fährt einmal die Woche Fahrrad. Das sind vorwiegend ältere Damen, die sich zusammenfinden. Für die Jüngeren ist das Tanzen Schwerpunkt.

Wie viele Ihrer Mitglieder arbeiten noch in der Landwirtschaft?

Anneliese Zimmer: Von 1700 Mitgliedern sind es nur etwa 20 bis 30. Der Verband bemüht sich, zeitgemäß zu sein und Themen zu bedienen. Aber diese zu transportieren, ist mühsam.

Anna-Maria Klomfaß: Der Verband hat während der Corona-Pandemie viel unternommen. Während unseres Neujahrsempfangs wurden die ganzen Veranstaltungen nochmals präsentiert und da wurde der Umfang erst einmal deutlich.

Wie war die Resonanz auf diese Veranstaltungen?

Anna-Maria Klomfaß: Generell war die Resonanz sehr gut.

Landfrauen stehen für kulinarische Genüsse und Gemeinschaft. Die Vereine sind in den Dörfern ein verbindendes Element. Welcher Stellenwert hat die Tradition?

Anna-Maria Klomfaß: Ich finde es wichtig, dass die Tradition, das was die ältere Generation aufgebaut hat, aufrechterhalten wird. Ein Beispiel sind die beliebten Backhausfeste. Aber es ist schwieriger geworden, weil sich die Interessen geändert haben. Es gibt dieses Landfrauen-Klischee: Die Landfrauen backen Kuchen und stricken. Davon wollen die Vereine und der Verband eigentlich weg, kommen aber immer wieder dahin zurück. Kuchen und Stricken sind wohl gefragte Markenzeichen der Landfrauen.

Anneliese Zimmer: Stricken ist ein Dauerbrenner. Mal ist es Trend, dann wieder out.

Was zeichnet die Landfrauen aus?

Anneliese Zimmer: Die soziale Fürsorge genießt bei den Landfrauen einen hohen Stellenwert. Die Landfrauen sind füreinander da. In Heuchelheim zum Beispiel haben sich Frauen des Vereins intensiv um eines ihrer Mitglieder, das krank wurde, gekümmert. Sie haben der Frau geholfen, sie nach der Reha überall mitgenommen, bis sie wieder selbstständig geworden ist. Auf jemanden zu achten, ist das, was unsere Vereine vor Ort auszeichnet.

Auf der Internetseite des Deutschen Landfrauenverbands stehen viele aktuelle Themen. Es geht sehr oft um Ernährung. Was gehört Ihrer Ansicht nach auf den Teller der Zukunft?

Anneliese Zimmer: Viel Gemüse und Obst, Getreideprodukte, auf jeden Fall regionale Produkte und hoch qualitatives Fleisch. Bei diesem Thema ist wirklich schon viel passiert. Es ist unserer klassischen Klientel, die in der Tierzucht tätig war oder noch ist, manchmal schwierig zu vermitteln, dass Fleisch nicht mehr täglich auf den Tisch kommen sollte. Das ist eine Herausforderung für die Verbände. Daheim ist der Landwirt sicher nicht begeistert.

Während des Neujahrsempfangs wurden Frauenthemen in den Mittelpunkt gerückt, der Landfrauenverband als größte Vertretung der Frauen positioniert…

Anneliese Zimmer: Dass Bäuerinnen überhaupt eine Rente bekommen - was früher gar nicht selbstverständlich war -, daran waren die Landfrauen maßgeblich beteiligt. Der Verband bringt sich in vielen verschiedenen Ausschüssen ein. Auch für Ernährungsschulungen, wie an den Schulen oder in den Kindergärten, haben sich die Landfrauen immer eingesetzt. Wird dann etwas beschlossen, sagt allerdings keiner, »das kam auf Initiative der Landfrauen zustande«.

Könnten typische landwirtschaftliche Themen durch Themen des ländlichen Raumes, wie zum Beispiel die Nahversorgung, ersetzt werden?

Anneliese Zimmer: Das ist sicherlich eine Nische. Aber das ist immer der Spannungsbogen, jemanden zu finden, der es umsetzt. Wenn die Frauen berufstätig sind, kann man dies schwer abfordern. Es gibt vereinzelte Beispiel in Nordhessen oder im Odenwald, wo Landfrauen in diesen Bereichen aktiv sind und sogenannte Servicebörsen gegründet haben.

Was steht für den Bezirksverband Nidda im Fokus?

Anna-Maria Klomfaß: Wir haben am 16. März Neuwahlen. Es wird auf jeden Fall eine Umstrukturierung des Vorstandes geben.

Und inhaltlich?

Anneliese Zimmer: Wir müssen nach Corona wieder mit unseren 22 Ortsvereinen ins Gespräch kommen. Es gibt immer mal wieder einen Verein, der sich auflöst. Oft prägen auch einzelne Vorsitzende den Verein über viele Jahres sehr stark, was dann wiederum schwierig sein kann, wenn es darum geht, neue Leute zu gewinnen. Dann fängt man besser ganz neu an.

Anna-Maria Klomfaß: Manche Vereine sind in der Corona-Zeit in einen Dornröschenschlaf gefallen. Die müssen wachgeküsst werden.

Anneliese Zimmer: Die Vereine sind thematisch sehr unterschiedlich ausgerichtet. Wir müssen sie stützen und für sie Angebote schaffen. Im kulturellen Bereich wollen wir Veranstaltungen bieten, Ausflüge, Abendveranstaltungen oder zum Beispiel ein Frauenfrühstück organisieren. Oder etwas für jüngere Frauen anbieten. Wenn wir dann nur wenige erreichen, ist es so. Hauptsache für die, die teilgenommen haben, war es gewinnbringend.

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