Eine Galerie im alten Herrenhaus

Niddatal (har). Vor fünf Jahren mietete Dr. Herwig Ganz das 1792 von den Zisterziensermönchen des Kloster Arnsburg errichtete Herrenhaus im Hofgut Wickstadt. Zusammen mit seiner Ehefrau Dr. Shadi Ganz hat er nun ein Ziel erreicht: Das Herrenhaus ist zu einem Kunst- und Kulturforum für interkulturellen Austausch geworden.
Im Mittelpunkt stehen dabei die Räume im ersten Stock des Anwesens, wo Künstlerinnen und Künstler auf 400 Quadratmetern Fläche ihre Werke präsentieren können.
Am Samstag wurde die Ausstellung »Retroperspektive« mit Werken des Künstlerehepaares Dorothea Bido und Dieter Otto Berschinski eröffnet. Zur Vernissage konnte Dr. Shadi Ganz, die selbst als Künstlerin tätig ist, eine große Zahl von Gästen begrüßen, darunter auch Landrat Jan Weckler und Dr. Friedhelm Häring, der in die Ausstellung einführte.
»Ohne Dr. Häring würde es diese Ausstellung nicht geben«, sagte Dr. Shadi Ganz. Mehrere Wochen war sie mit den beiden Künstlern zusammen gewesen und »wir haben viele Ideen ausgetauscht. Es ist uns eine Freude, deren Werke zeigen zu können,« sagte Dr. Shadi Ganz.
Begeistert vom besonderen Ambiente der hohen Räume im Herrenhaus zeigte sich Landrat Jan Weckler, der das Hofgut Wickstadt als »ein Kleinod in der Wetterau« bezeichnete, in dem mittlerweile zahlreiche Künstler tätig sind.
Er freue sich auf die Einführung von Dr. Häring, denn »als hervorragender Rhetoriker gelingt es ihm immer wieder, mir als Laien Kunst näher zu bringen«, sagte der Landrat. Genau dies gelang dem ehemaligen Direktor des Oberhessischen Museums in Gießen einmal mehr in seiner anschließenden - wie immer frei gehaltenen - Einführungsrede.
»Ich bin von den Bildern der beiden sehr beeindruckt. Sie befruchten sich gegenseitig, deshalb haben sie auch zwei Töchter«, meinte Häring in seiner für ihn typischen humorvollen Art. Kurz ging Häring, der in Friedberg lebt, auf die Vita der beiden Künstler ein.
Berschinski, Jahrgang 1941, wuchs in Dresden auf, studierte zunächst Malerei und Grafik an der Hochschule für bildende Kunst in Dresden, bevor er 1975 von einem Besuch seiner Mutter in Frankfurt nicht mehr in die damalige DDR zurückkehrte.
Er erhielt einen Studienplatz an der Städelschule, wo er freie Malerei und Grafik studierte. Hier lernte er auch seine spätere, zehn Jahre jüngere, Ehefrau Dorothea Bido kennen. Die gebürtige Wetzlarerin studierte Radierung und Lithografie sowie freie Malerei und Grafik. Das Paar lebt und arbeitet in Aßlar-Wehrdorf.
»Retroperspektive heißt Rückblick, aber es ist keine Selbstbeweihräucherung«, meinte Häring zum Titel der Ausstellung mit Werken des Ehepaares, das er schon über 30 Jahre kennt und begleitet.
Besonders beeindruckt habe ihn die »spektakuläre Farbenwelt« in den oft großformatigen Gemälde Berschinskis, die in den hohen Räumen im Kontext zu Ausgrabungen stehen, die in Vitrinen auf dem Boden liegen. Es handelt sich hierbei um Leihgaben des Amtes für Denkmalpflege an Dr. Herwig Ganz, der als junger Mann einen Großteil bei Grabungen im Bereich des Kloster Arnsburgs selbst gefunden hat.
Die Gemälde und Holzschnitte Berschinkis sind für den Laudator »großartig und einmalig.« »Er hat sich durch alle Techniken durchgekämpft, die das Leben darstellen lassen. Es sind Lebenswerke des Schicksals.« Bidos Werke sind angeregt von der natur, die Häring so beschreibt: »Es sind die malerischen Schichten, die emotionale Räume ergeben. In ihren Werken schwingen unglaubliche Wellen und Energien.«
Die Natur gebe alle Dinge, wie beispielsweise Farben, vor, die man nur annehmen müsse, erläuterte Häring, der auch Zitate von Goethe in seine Rede einstreute, denn »der hat viele gute Sachen gemacht.« Härings Fazit: »Die Bilder der beiden sind Tore zum Erkennen des Lebenssinns.«
Langen Beifall gab es für die Härings Einführungsrede, nach der so mancher Besucher die Gemälde und Holzarbeiten sicher mit ganz anderen Augen betrachtete und auf sich wirken ließ.

