Vergeltung und Vergebung

Niddatal (udo). Die Frage, wie sie mit einer Schuld weiterleben kann, die ihr kein Mensch vergeben kann, stellt sich der Hauptfigur im Thriller »Schattenwald«. Geschrieben hat ihn die Bad Vilbeler Autorin Katrin Faludi und daraus kürzlich in der Stadtbücherei gelesen.
Sara führt ein zurückgezogenes Leben am Stadtrand von Lübeck. Doch eine Karte aus Schweden zu Saras Geburtstag ändert alles. Wer ist der Mann, der behauptet, sie sei vor vielen Jahren spurlos verschwunden? Warum hat ihre Mutter alle Verbindungen in ihre frühere Heimat gekappt? Und woher stammt Saras unerklärliche Angst vor Wäldern? Je mehr sie nachforscht, desto mehr begreift sie, dass in ihrer Kindheit etwas Schreckliches passiert sein muss - und dass auch sie selbst nicht so frei von Schuld ist, wie sie glaubt.
Themen des Romans sind die Vergeltung und die Kraft der Vergebung. Rätsel tun sich auf. Die Heldin versteht nicht, weshalb eine Kameradin sie hasst. Ihr ist unklar, welche Geheimnisse die Mutter verbirgt.
Bibliothekar Patrick Hein-Becker begrüßte das Publikum. Die Autorin erläuterte, wie sich das Werk vom geplanten Jugendbuch zum »Buch für alle« entwickelte. Die Thematik betreffe jeden, meinte die Autorin. Das erste Kapitel führt in die Basketball-Aktivitäten der 17-jährigen Hauptfigur. Die Figuren werden vorgestellt, Rückblicke erläutern Details, und die Ereignisse nehmen ihren Lauf.
Autorin Faludi erklärte die Passagen, die sie bei der Lesung ausgelassen hatte: Der Geburtstagsbrief eines angeblichen Vaters aus Schweden verändert alles. Einfühlsam weckt Faludi Verständnis für ihre Figuren. Der Zuhörer blickt in die Erlebniswelt norddeutscher Menschen. Die Freundin deckt Fragwürdiges im Leben der Familie der Hauptfigur auf, offenbar versucht die Mutter aber, Vorgänge zu verbergen. Die Heldin wird gezwungen, sich mit Rätseln zu befassen, und überlegt, woher ihre eigenen Ängste rühren. Sie stellt ernüchtert fest, dass ihr viele Jahre lang nicht die Wahrheit gesagt wurde und sie sich willig auf Verdrängung einließ. Das Mysteriöse bricht schließlich irritierend in den Alltag ein, auf dessen Grund Geheimnisse liegen müssen wie Gerümpel auf dem Boden des aufgesuchten stillen Sees, einer Naturidylle. Ein vermeintlicher Albtraum entlarvt sich als frühe Kindheitserinnerung.
Die Autorin erklärte, im Thriller müsse im Gegensatz zum Krimi das Verbrechen verhindert werden. Die Heldin ihres Buches erkennt, dass sie eine rätselhafte Schuld zu tragen hat. Erhellende Bruchstücke fügen sich zusammen, die Widersprüche brechen auf. Relikte aus der Vergangenheit drängen heran. Namenloses Grauen macht sich breit. Die Mutter beschließt zu fliehen, die Tochter flieht vor der Flucht und ein undurchschaubares Reich der Freiheit eröffnet sich.
Das Publikum spendete langen Applaus für die spannende Lesung.
