Berufungsverfahren: Hat der Angeklagte nach dem Urteil weitere Igel gequält?

Der 36-jährige Tierquäler steht erneut vor Gericht. Er hält das Urteil - fast drei Jahre Haft - für zu hoch und hat deshalb Berufung eingelegt. Beim Verfahren am Landgericht Gießen kam heraus: Nach der Verurteilung tötete der Mann womöglich weitere Igel.
Der Prozess um den Igel-Quäler aus der Wetterau geht in die zweite Runde: In der Zeit zwischen 2020 und 2021 fielen seiner perfiden Art, Tiere zu quälen, mindestens 32 Igel und zwei Kaninchen zum Opfer. Dafür verhängte das Amtsgericht Friedberg im Juli 2022 eine Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Zudem erhielt er ein lebenslanges Tierhalteverbot. Seit Donnerstag wird das Verfahren vor dem Landgericht Gießen neu aufgerollt, da der 36-Jährige gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte. Sein Verteidiger Jürgen Häller begründete dies mit dem sehr hohen Strafmaß und mit inhaltlichen Fehlern innerhalb des Urteils.
In den Jahren 2020 bis 2021 tauchten immer wieder Tierkadaver von Igeln, Kaninchen und Katzen an öffentlichen Plätzen und an der Usa rund um Ober-Mörlen auf, verpackt in Plastiktüten oder Plastikeimern. Die Körper wiesen eindeutige Spuren von einem qualvollen Ende auf: Gefesselte Läufe, Knochenbrüche oder Quetschungen des Fells. Die Untersuchungen ergaben, dass die Tiere verhungert oder ertränkt wurden. Mittels einer DNA-Spur konnte der Tierquäler ermittelt werden. Bei der Durchsuchung schlug den Beamten ein bestialischer Gestank entgegen. Ihnen bot sich ein wahrhaft grausiges Bild.
Inmitten einer völlig vermüllten Ein-Zimmer-Wohnung hing an einem Gummizug eine Zange, in der die Haut eines trächtigen Igelweibchens eingeklemmt war, sodass die Haut des Tieres das ganze Eigengewicht tragen musste. Direkt unter ihm stand eine mit Wasser gefüllte Schüssel, in der ein zweites Igelweibchen um sein Leben schwamm. Im Bad wurden stark verweste Igel und Kaninchen in einem Plastikeimer gefunden. Die beiden traumatisierten Igel haben diese Tortur überlebt und wurden wieder ausgewildert. »Das war Folter«, sagte die Veterinärmedizinerin Dr. Evelin Jugl als Sachverständige aus. Sie wies darauf hin, dass den Tieren extremste Schmerzen und Qualen zugefügt worden seien. Sie bestätigte, dass das Igelweibchen sehr wohl die Quälerei des anderen Tieres mitbekommen habe, das in einem Bottich um sein Leben schwamm. »Igel können schon ein wenig schwimmen, aber nicht stundenlang.« Gleiches gelte für die Kaninchen, die er bis zum Tode quälte.
Immer wieder kam der Mann seit 2002 mit dem Gesetz in Konflikt, häufig wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, aber nie wegen Tierquälerei. Auch aktuell sind noch einige Verfahren nicht abgeschlossen. Laut seinen eigenen Angaben kifft er seit seinem 15. Lebensjahr. Das psychiatrische Gutachten hatte ihm zwar eine Persönlichkeitsstörung bescheinigt, die jedoch nicht die Schuldfähigkeit beeinträchtigen würde. Eine Therapie hatte der psychiatrische Gutachter im Rahmen des ersten Prozesses empfohlen. Dem ist der Angeklagte nachgekommen. Seit 30. November befindet er sich in einer stationären Therapieeinrichtung, die auf die Behandlung von Suchtkrankheiten spezialisiert ist.
Der dortige Psychiater sieht in seinen Taten Anzeichen psychotischer Schübe, dies berichtete der Angeklagte freimütig. Und auch in einem Entlassungsschreiben einer Klinik, in der er sich 2022 kurzzeitig einmal befand, tauchten derartige Begriffe auf. Allerdings legte der Verteidiger dieses Dokument erst am Donnerstag dem Gericht vor. Um diese psychischen Umstände genauer zu klären, werden die behandelnden Ärzte am nächsten Prozesstag zu Wort kommen. »Da müssen wir noch einmal draufschauen«, erklärte die Vorsitzende Richterin Dr. Kathrin Exler.
Angeklagter gibt sämtliche Taten zu
Aktuell machte der Angeklagte einen aufgeräumten Eindruck, äußerte sich zu den Tatvorwürfen. Der 36-Jährige gab sämtliche Taten - wie in der Anklageschrift aufgeführt - zu. »Ich habe die Igel in meiner Duschwanne verhungern lassen und sie auch aufgehängt.« Allerdings versage ihm sein Gedächtnis, wenn es um Einzelheiten gehe. Heute könne er es nicht mehr verstehen, warum er das getan hat. Als Motiv nannte er seinen hohen Drogenkonsum und seine soziale Isolation in jener Zeit.
Perspektivisch plant er im Anschluss an den Klinikaufenthalt einen Wiedereinstieg ins Berufsleben. Dazu steht im Widerspruch, dass nach der Urteilsverkündung im Juli erneut massakrierte Igel gefunden wurden. Daraufhin wurde ein weiteres Verfahren gegen den Angeklagten eingeleitet, das noch nicht abgeschlossen ist. Diese Akte soll diesem Verfahren beigezogen werden.
Am Freitag, 20. Januar, wird der Prozess fortgesetzt.