Wetterauer Igel-Quäler: Das wird ihm vorgeworfen – und so geht‘s den überlebenden Tieren heute

Die Suche nach dem Täter, der Igel quält und tötet, gehörte zu den emotionalsten Themen des Jahres in der Wetterau. Nun steht die Anklage, bald dürfte es vor Gericht losgehen.
Ober-Mörlen - Zwei tote Katzen in einem Werkzeugkoffer und in einer Reisetasche in der Usa, je zwei Igel und zwei Kaninchen, alle vier getötet und die Läufe jeweils zusammengebunden. Tote Igel in der Usa in Höhe der Schlossmauer, fünf Igel tot in Tüten auf dem Friedhofsparkplatz abgelegt. Solche Nachrichten, alle aus Ober-Mörlen, haben 2020 und in diesem Jahr für Entsetzen gesorgt.
Das galt auch für das Bild, das sich der Polizei bei der Durchsuchung der Wohnung eines 35-jährigen Tatverdächtigen in Ober-Mörlen bot. Nach Monaten des Rätselratens gelang der Polizei Mitte August der Coup: Der mutmaßliche Tierquäler war ermittelt.
Igel-Mörder aus der Wetterau: 32 Igel, zwei Katzen und vier Kaninchen
Der Mann wurde festgenommen, kam wieder auf freien Fuß, wird sich aber demnächst vor dem Amtsgericht Friedberg - wegen der Tierquälerei - und dem Amtsgericht Büdingen - wegen exhibitionistischer Handlungen - verantworten müssen.
Wie Thomas Hauburger, Sprecher der Staatsanwaltschaft Gießen, erläutert, werden dem Mann aus Ober-Mörlen konkret folgende Taten vorgeworfen: Zwischen Mai 2020 und August 2021 soll er insgesamt mindestens 32 Igel, vier Kaninchen und zwei Katzen gequält und getötet haben. Die Anklage bezieht sich auf den Paragrafen 17 des Tierschutzgesetzes. Darin heißt es: »Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder 2. einem Wirbeltier a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder b) länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.«
Als die Polizei im August die Wohnung des Verdächtigen durchsuchte, dürfte sich den Ermittlern der Magen umgedreht haben. Sie fanden tote Tiere, zudem zwei noch lebende Igel, zwei trächtige Weibchen, wie sich später herausstellte. Eine der Igeldamen lag in einer Plastikbox mit Wasser, die Hinterbeine mit einem Kabelbinder zusammengebunden. Die andere Igel-Dame war am Vorderbein an der Decke aufgehängt worden.
Beide Tierchen kamen zunächst in die Obhut des Bad Nauheimer »Igelvadders« Otto Luzius, der sie dann seiner Kollegin Jutta Knierim-Haustein vom Wöllstädter Verein »Igelmama« anvertraute. Die Igel-Damen erhielten die Namen Selma und Luise, wurden in der Klinik untersucht und behandelt und bei Knierim-Haustein aufgepeppelt.
Gerettete Igel des Wetterauer Tierquälers: Beide Weibchen verloren ihre Babys
Wie geht es den beiden Igeln heute? Luise habe ihre fünf Babys verloren, Selma mindestens zwei, sagt Knierim-Haustein. Mindestens, weil es sein könnte, dass die Igel-Dame noch Junge aufgefressen hat. »Ein Igel frisst die Babys auf, wenn sie nicht überlebensfähig sind«, erklärt Knierim-Haustein. Überlebt habe jedenfalls keines der Neugeborenen. Die Kleinen seien durchweg unterentwickelt gewesen, es habe keine Chance auf Handaufzucht gegeben, sagt die Expertin. Dass die Igel-Babys so unterentwickelt gewesen sind, verwundert nicht, waren die Igel-Mütter doch dermaßen traumatisiert, dass sie anfangs nicht gefressen haben. Infusionen und Aufbauspritzen kamen zum Einsatz.
Igelquäler aus Ober-Mörlen in der Wetterau: Igel haben Brandlöcher von Zigaretten
Selma fiel ein Stück Stachelhaut ab, an dieser Stelle sind keine Stacheln nachgewachsen. Knierim-Haustein vermutet, dass der Igel in Reinigungsmittel getaucht worden ist. An Luise wurden Brandlöcher von Zigaretten entdeckt. Und nach vielen Wochen sei ein blutiges Loch am Rücken entdeckt worden. »Er hat Luise wohl richtig geschüttelt«, sagt die Tierschützerin über den Tatverdächtigen.
»Luise ist sehr zurückhaltend, Selma ist aufgetaut«, fasst Knierim-Haustein den aktuellen Zustand der beiden geretteten Igel-Weibchen zusammen. Sie suche einen geeigneten Platz, um die Tiere im Mai in einem Garten »auszuwildern«. »Mit absoluter Fürsorge«, wie sie hinzufügt. Die beiden sollten zu Menschen kommen, die auf sie aufpassen und, falls nötig, die Tiere zurückgeben. Es könne schließlich immer irgendwas sein mit den beiden Igel-Weibchen.
Tierquäler aus Ober-Mörlen: Anklage wegen dreier Exhibitionismus-Fälle in der Wetterau
Was die exhibitionistischen Handlungen betrifft, die dem 35-jährigen Mann vorgeworfen werden, so geht es laut Staatsanwalt Thomas Hauburger um drei Fälle. Diese sollen sich am 14. September 2020, am 9. und am 10. September 2021 ereignet haben - im Bereich des Tennisplatzes und der Berstädter Gasse - beides in Echzell - und eines Seniorenzentrums in Reichelsheim. (agl)