Ober-Mörlen: Regional, saisonal, kollegial - Solidarische Landwirtschaft an der Hüftersheimer Mühle
Gemüse in Hülle und Fülle: An der Hüftersheimer Mühle in Ober-Mörlen ist eine solidarische Landwirtschaft gerade in der Testphase. Für die kommenden Jahre gibt es große Pläne.
Eine Schubkarre steht auf dem Hof. Darin liegt Gemüse, verschieden und bunt: Tomaten, Kartoffeln, Brokkoli, Kohlrabi, Sellerie und Mangold, mit seinen grünen Blättern und den gelb-, orange- und pinkfarbenen Stielen. Das alles stammt aus dem Anbau auf dem Bauernhof an der Hüftersheimer Mühle in Ober-Mörlen. Ein Team junger Menschen testet dort das Prinzip einer solidarischen Landwirtschaft - kurz »SoLaWi«.
»Die Frage ist eher, was es gerade nicht gibt?«, sagt Bernd Kollmer, als er auf die volle Schubkarre blickt. Zusammen mit Manuel Weiß, Lisa Beck, Malina Buttgereit und Tobias Vogler, aber auch vielen anderen Helfern, kümmert er sich um den Anbau des Gemüses. Der Hof gehört Adelheid Miehling, der 92-jährigen Großmutter von Weiß. Sein Vater Stefan Miehling, erzählt er, hat den Hof etwa 30 Jahre lang »selbstversorgermäßig« bewirtschaftet. Nebenbei Gemüse angepflanzt, Tiere gehalten und den Acker der Bad Nauheimer Waldorfschule gepflegt. »Es war sein Anliegen, Nachvollziehbarkeit zu entwickeln«, sagt Manuel Weiß.
Ober-Mörlen: Fokus auf Pädagogik und Arbeit mit Kindern
Als klar war, dass sein Vater länger ausfällt, erzählt Weiß, haben sich Interessenten gefunden, die sein Werk weiterführen wollten. Der Fokus auf Pädagogik ist ihm und den anderen wichtig. Wöchentlich kommen zwei Schulklassen an die Mühle und arbeiten zusammen mit dem Team, lernen dabei das Gemüse und die Tiere - etwa 50 Schafe, zwei Arbeitspferde, Hühner, Ziegen und einen Ganter - kennen.
»Wir haben einen geschlossenen Hofkreislauf. Das haben heute nur wenige Betriebe«, sagt Weiß. Der Mist der Tiere ist zum Beispiel wesentlicher Bestandteil des Komposts. Dadurch können Kosten gespart werden, denn Preise für Dünger sind in den letzten Monaten geradezu explodiert. Auch die hohen Spritpreise fallen durch kurze Wege nicht zu sehr ins Gewicht. »Wir haben schon ein paar Mal mit dem Pferd gearbeitet. Manchmal ist das die bessere Alternative zum Traktor.«
Ober-Mörlen: Obst und Gemüse mit Bio-Qualität ohne Zertifikat
Dieses Jahr mit der solidarischen Landwirtschaft zu starten habe das Team kurzfristig entschieden. »Wir hatten zu viel Gemüse, das sollte nicht vergammeln«, erläutert Malina Buttgereit. 15 Anteile haben sie daher in ihrem Bekanntenkreis angeboten, acht sind bereits verkauft. Für 70 Euro im Monat steht wöchentlich eine Kiste Gemüse zum Abholen bereit - bald soll es auch Obst geben. Und das in Bio-Qualität, wenn auch ohne Zertifikat.
»Dieses Jahr sind es 15 Anteile als Test. Wir wollen schauen, ob das fruchtet und angenommen wird«, sagt Lisa Beck. Abnehmer der ersten Kisten waren Nachbarn, direkt gab es positives Feedback. »Eine Kundin sagte: ›Jetzt kann ich damit in der Nachbarschaft angeben‹«, erzählt Beck und lacht. Die Kisten gibt es seit Anfang August. Bis Ende Oktober soll die Testphase laufen - und nicht, wie bei einer »SoLaWi« üblich, das ganze Jahr über. »Weil das nicht geplant war, haben wir noch keine Lagermöglichkeit«, sagt Beck. Im kommenden Jahr möchte das Team 50 Anteile anbieten und ab Januar starten. Eine Vergrößerung ist für die nächsten Jahre angedacht.
Ober-Mörlen: Langfristiges Projekt soll an der Hüftersheimer Mühle entstehen
Dabei erinnern alle daran, dass es normal sei, dass im Frühjahr und Winter weniger in den Kisten sein könnte. Im Sommer dafür aber viel mehr. »Man zahlt für das ganze Jahr, das ist eben der solidarische Gedanke«, sagt Buttgereit. Der Kreislaufgedanke, was wann reif sei, beschäftige das Team.
»Früher war es gang und gäbe von und mit dem Land zu leben«, sagt Beck. Tobias Vogler ergänzt: »Das, was früher ein Muss war, sucht man heute wieder.« Die Verantwortlichen wollen aus der Mühle ein langfristiges Projekt machen, einen Verein unter dem Namen »Gemeinschaftliche Landwirtschaft an der Hüftersheimer Mühle« gründen und weiter Wert auf den pädagogischen Aspekt legen. Beim nächsten Ober-Mörler »Dorfforum« Ende August möchten sie ihre Ideen für die Zukunft vorstellen. Von einem Backhaus, einer eigenen Käserei und einem Seminarraum ist die Rede, auch Tierpatenschaften sind angedacht. Für das kommende Jahr haben die jungen Leute die Hoffnung, sich selbst entlohnen zu können. Mit der »SoLaWi« kann der Lohn für die Tierhaltung laut Beck nicht abgedeckt werden. Ehrenamtlich, wie jetzt, geht es langfristig nicht.
Ober-Mörlen: Ganzheitlicher Ansatz und okölogische Landwirtschaft
Wichtig ist dem Team, wie Kollmer betont, der ganzheitliche Ansatz. Alles auf dem Hof sei ein Kreislauf und nachhaltig. »Das wollen wir öffnen, den Menschen und Kindern zeigen, sie die ökologische Landwirtschaft erleben lassen«, sagt Weiß und Kollmer ergänzt: »Das kennen die meisten heutzutage gar nicht mehr.«
Info: »SoLaWi« an der Hüftersheimer Mühle
Sieben der 15 Anteile an der solidarischen Landwirtschaft in der Hüftersheimer Mühle können noch verkauft werden.
Über eine E-Mail an die Adresse gemeinschaftliche-landwirtschaft@posteo.de werden Interessenten in den Verteiler aufgenommen. Wer nicht gleich eine ganze Kiste haben möchte, kann einzelne Produkte der »SoLaWi« auch dienstags auf dem Butzbacher Wochenmarkt kaufen. Zudem ist das Team offen für Helfer, die sie beim Anbau, bei den Tieren, der Pädagogik, der Internetseite oder bei den Förderanträgen unterstützen möchten.
Am Samstag, 17. September, findet ein Projekttag an der Mühle statt, an dem man das Team und die Arbeit kennenlernen kann. Infos gibt es über den Mailverteiler.