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Tiefgang auf hohem Niveau

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koe_hau_konzert1_240323_4c_1 © Annette Hausmanns

Ober-Mörlen (hau). Seit anderthalb Jahren strahlt Ober-Mörlens katholische Kirche in neuem Glanz. Seither genießen immer mehr Menschen eine Einkehr in Stille oder bei zarter Hintergrundmusik und Lichtakzenten. Nun bot sich die Gelegenheit, den Klangraum Kirche in seiner überwältigenden Fülle und Pracht zu erleben: Das symphonische Auswahlorchester »Symphonic Winds Wetterau« nahm mit auf einen berührenden Tauchgang in die Tiefen hochwertiger Blasmusik.

Mit Standing Ovations feierte das Publikum die 40 Musiker und ihren Dirigenten Guido Rotter. Wesentlichen Beitrag zum musikalischen Tiefgang auf hohem Niveau leistete Josephine Rotter mit ihrer hintergründigen Moderation.

Eine kristallklare Pikkoloflöte

Druckvoll hob das Orchester zu ebenso bodenständigen wie sphärisch schimmernden »Canzun« (Gesängen) des zeit- und eidgenössischen Komponisten Oliver Waespi an. Mal dynamisch bewegt, mal lyrisch getragen sah man förmlich die Alpen glühen. Orts- und Stimmungswechsel hinein in die fantastische Kathedrale von Canterbury. Mit geschlossenen Augen, offenen Ohren und weiten Herzen entfaltete sich die getragene und an Klangfarben extrem reiche Chorale, mit der Komponist Jan van der Roost den imposanten Klangraum nachzeichnete. Die üppig besetzten Register malten mal einzeln, mal im vollen Klangkörper die reichhaltige Klangfarbenpalette unter die Haut.

Wer an diesem frühen Frühlingsabend im Kirchenschiff auch hinschaute, sah das Leuchten der durchsonnten Fenster, und als hätte jemand Höheres die Hand im Spiel, wurden die beiden silbern funkelnden Tuben, die Euphonien und Posaunen in gleißendes Sonnenlicht getaucht - wie um zu unterstreichen, welch ein Glück dieses Orchester mit seinem breit aufgestellten musikalischen Fundament hat, auf dem sich alle Stimmen bis in die kristallklare Pikkoloflöte hinauf entfalten können.

Das taten sie denn auch, die Posaunen, Hörner und Trompeten, die Fagotte und Oboen, die Saxofone, Klarinetten und Querflöten - ein jedes auf seine feine Weise wundervoll auch in Dynamik und Zusammenspiel. Großartig meisterten die vier Schlagwerker an Pauken, Trommel, Xylophon, Schlagzeug und allerlei rhythmischen Instrumenten die akustischen Herausforderungen im Kirchenraum. Mit den betörenden Choralfantasien von Christian Sprenger zu Martin Luthers »Ein feste Burg« und »Lobe den Herren« klangmalten Guido Rotter und seine »Symphonic Winds Wetterau« frischen Wind voll Zuversicht in das strahlende Gotteshaus.

Zart bis in die Haarspitzen geriet das von Ivor Bosanko aufgeschriebene Liebeslied »Share my Yoke«. Simone Schuchmann am Altsaxofon und Walter Freisleben am Euphonium tauchten filigran ein in die poetische Schönheit des einst von Joy Webb erdachten Songs. Genüsslich konnte man sich den letzten, durch den großen Klangraum schwebenden Ton auf der Seele zergehen lassen.

Mit Pauken und Trompeten und fast wie mit Schalmeien durchtanzte das Orchester an der sicher führenden Hand von Guido Rotter Tielman Susatos mittelalterliche »Danserye« aus beschwingten Schreit- und Rundtänzen, um im nächsten Schritt mit Richard Wagners Tannhäuser im herzzerreißenden Pilgerchor zur Wartburg zurückzukehren - ein Stück von dramatischer Leuchtkraft und um Erbarmen flehenden Klarinetten-Kaskaden.

Metapher für das Leben

Als »Metapher für das Leben« umschrieb Josephine Rotter die zwischen dunkel und hell changierenden Choralvariationen von Philip Sparke.

Diesem letzten extremen Spannungsbogen verliehen die Register zwischen dunkler Tiefe, pulsierendem Rhythmus, lyrischer Mitte und hohem Holz atemberaubende Leuchtkraft. Wie entfesselt sprang das Publikum auf, um seiner Begeisterung in nicht enden wollendem Beifall Luft zu machen. Das Sahnehäubchen setzen »Symphonic Winds Wetterau« ihrem Jahreskonzert auf Oberstufenniveau mit Johann Sebastian Bachs Toccata in d-Moll auf.

Jan van Kraeydoncks Rockversion des prachtvollen Stücks war eine Verbeugung vor der Musik und all denen, die sie an diesem berührenden Frühlingsabend zum Erlebnis im »Klangraum Kirche« werden ließen.

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koe_hau_konzert3_240323_4c_1 © Annette Hausmanns
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koe_hau_konzert2_240323_4c_1 © Annette Hausmanns

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