Osterbotschaft
700 v. Chr. beteten die Weisen Indiens in Sanskrit, der ältesten Sprache Indiens: »Asato ma sadgamaya; Tamaso ma jyotirgamaya Mrutyoma amrutam gamaya; Om Santhi Santhi Santhi.« Übersetzt bedeutet das: »Führe mich: von der Unwahrheit zur Wahrheit; von der Dunkelheit zum Licht; vom Tod zur Unsterblichkeit; möge überall Frieden herrschen.«
Dieses Gebet ist in Jesus Christus erfüllt, der als Licht aus der Dunkelheit des Todes auferstanden ist. Er ist auferstanden, damit wir von der Unwahrheit zur Wahrheit, von der Dunkelheit zum Licht und vom Tod zum ewigen Leben geführt werden. Ich denke, das ist die Osterbotschaft.
Selig, die nicht sehen und doch glauben!
Dass gerade der Osterglaube für viele Menschen ein großes Problem darstellt, ist nicht erst bekannt, seit man durch Umfragen Meinungsforschung betreibt. Die Worte, die Goethe seinem Faust vor über 200 Jahren in den Mund gelegt hat, sie können ohne Weiteres auch heute von manchen Christen nachgesprochen werden.
Als Faust den Chor der Engel »Christ ist erstanden« singen hört, ruft er aus: »Was sucht ihr, mächtig und gelind, ihr Himmelstöne, mich im Staube? Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.«
Ein großer Nachteil?
Woran liegt es, dass es vielen Menschen, vielleicht auch denen in unserer nächsten Umgebung, ja vielleicht sogar uns selbst, so geht wie Faust: dass wir zwar die Botschaft des Osterfestes kennen, aber der Glaube fehlt?
So lange die Auferstehung Jesu uns nur durch die biblischen Berichte von den Erscheinungen des Auferstandenen vor den Jüngern zugänglich ist, bleibt sie letztlich außerhalb unserer eigenen Erfahrung. Sie bleibt das ganz andere, das ganz andere dessen, was wir in unserem eigenen Leben erfahren können. Die Jünger haben Christus nach seiner Auferstehung mit eigenen Augen sehen dürfen. Wir dagegen sind auf bloße Berichte angewiesen. Ist das nicht ein großer Nachteil, selbst wenn Jesus im Evangelium sagt: »Selig, die nicht sehen und doch glauben?«
Fragen wir uns vor diesem Hintergrund heute einmal: Gibt es nicht vielleicht noch einen anderen Zugang zum Glauben an die Auferstehung? Einen Zugang, der nicht auf die Erscheinungsberichte angewiesen ist, einen Zugang, der gerade für die Menschen gangbar ist, die mit Dr. Faust sagen: »Allein mir fehlt der Glaube.« Einen Zugang, der vielleicht auch uns die Augen neu öffnen kann für das Ostergeheimnis!
Die Erscheinungen des Auferstandenen enden immer mit einer Aussendung: »Geht und verkündet den anderen: Er lebt.« Die Auferstehung soll verkündet werden! Das ist der eigentliche Sinn der Erscheinungen. Sie sind Sendung und Auftrag!
Den Tod besiegt
Erkannt werden kann die Auferstehung aber auch ohne die Erscheinungen. Dass Christus am Kreuz den Tod besiegt hat, dass seine Liebe stärker war als das Böse, als der Tod, das sollten die Jünger eigentlich schon am Karfreitag erkannt haben. Ansonsten sind die tadelnden Worte Jesu eigentlich nicht zu erklären.
Und siehe da: Das Johannes-Evangelium berichtet, wie Petrus und Johannes morgens früh zum Grab laufen. Und als sie das leere Grab erreichen, heißt es von Johannes: »Er sah und glaubte.« Johannes hatte den Auferstandenen noch nicht gesehen, aber er hatte als einziger der zwölf mit Maria unter dem Kreuz ausgehalten.
Johannes hatte offenbar mehr verstanden als die anderen. Nun wird man natürlich zu Recht fragen: »Warum soll man schon am Karfreitag erkennen können, dass der Tod nicht das letzte Wort behält.« Es ist schon ein Unterschied, ob ich aufgrund einer eigenen Erfahrung glaube, oder aufgrund des Berichts über die Erfahrung eines anderen.
Die Auferstehung ist uns unmittelbar nur durch die Erfahrung des Karfreitags, durch die Erfahrung des Kreuzes zugänglich. Das Kreuz ist eine Realität in unserem Leben. Wir erleben es täglich! Wenn man im Kreuz schon die Auferstehung erkennen oder auch nur erahnen könnte, dann könnte man auch heute erfahren, was Auferstehung für uns meint: dass nämlich ein Mensch von Christus befähigt wird, die Last des Kreuzes zu tragen und so das Kreuz zu besiegen.
Wir können dann an die Auferstehung nicht nur deshalb glauben, weil Christus den Jüngern erschienen ist, weil sie ihn gesehen haben, sondern weil auch wir ihn sehen, wie er in Menschen, die ihn mit ihrer ganzen Existenz bezeugen, auch heute die Auferstehung und das Leben ist. Dann gilt auch uns der Satz: »Selig, die nicht sehen und doch glauben!«
Friede sei mit euch! Frohe Ostern!
Bobin Joseph ist Pfarrer der Pfarrgemeinde Heilig Kreuz-Christkönig in Wölfersheim und Echzell.