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»Paradigmenwechsel ist nötig«

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Sie würdigen die Leistung der Klinik für Psychiatrie (v. l.): Landrat Jan Weckler, Chefarzt Dr. Michael Putzke, Festredner Prof. Arno Deister, GZW-Geschäftsführer Dr. Dirk M. Fellermann und Bad Nauheims Bürgermeister Klaus Kreß. © pv

Wetteraukreis (red). Viel Lob, aber auch ein nachdenklicher Blick auf Fehlanreize des Gesundheitssystems prägten die Feierstunde zum 20-jährigen Bestehen der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Friedberg.

Bei der Begrüßung verwies der Geschäftsführer des Gesundheitszentrums Wetterau (GZW), Dr. Dirk M. Fellermann, auf die Forderung der Psychiatrie-Enquetekommission, flächendeckend eine gemeindenahe Psychiatrie zu realisieren. Am 17. März 2003 nahm die Klinik in Friedberg erstmals Patienten auf. 2012 wurde die Tagesklinik in Bad Salzhausen, 2017 die in Bad Vilbel eröffnet. 2016 erkannten die Krankenkassen die Klinik für Psychiatrie als eine von bundesweit nur 15 Einrichtungen als Modellprojekt an.

Fellermann dankte Chefarzt Dr. Putzke und seinem Team für ihre hervorragende Arbeit. Als »Leuchtturmprojekt« mit Strahlkraft über den Kreis hinaus würdigte Landrat Jan Weckler (CDU) namens der Gesellschafter der GZW gGmbH die Klinik mit ihrem innovativen, durchgehend offenen Konzept. Ihre Entstehung vor dem damaligen Hintergrund einer Stigmatisierung psychischer Erkrankungen und dementsprechender Ängste in der Bevölkerung sei der Weitsicht der Verantwortlichen zu verdanken.

Mit der »Zukunft der Psychiatrie« befasste sich Festredner Dr. Arno Deister, Professor der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Die Grundlagen für eine moderne psychiatrische Versorgung sind nach seinen Worten bereits gelegt. Als Faktoren für eine gerechte Versorgung nannte Deister das Verhältnis des Bedarfs/der Verteilung zu vorhandenen Ressourcen sowie die Berücksichtigung sozialer Aspekte.

Wichtige Anforderungen an die Qualität der Versorgung seien Zeit für Beziehung, die Teilhabe der Patienten an der Gesellschaft und die Vermeidung von Zwang. Deister warnte vor Fehlanreizen, die das medizinische System belasteten, wie die Fokussierung der Vergütung auf stationäre Behandlung: »Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, das Geld muss sich vom Bett lösen«, sagte er. Maßgeblich sei die Orientierung am Patienten.

Ein Klima des Wohlwollens

Chefarzt Dr. Michael Putzke skizzierte die Entwicklung der Klinik von den anfänglichen »sehr heftigen Diskussionen« über das offene Konzept und erste Rückschläge bis in die Gegenwart. Man habe ein »Klima des Wohlwollens und des gegenseitigen Respekts« geschaffen, mit offener Kommunikation, mit der Reduktion sozialer Distanzen und einer größtmöglichen Toleranz.

Aktuelle Probleme seien die zunehmende Zuweisung von Patienten aus Heimen, der Anstieg der Verweildauer sowie der Fachkräftemangel.

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