Peter Links Schäfchen sind gut behütet

In einem Stall in Eichelsdorf purzeln die Lämmer und dies oft auch in doppelter Version. Auf der Zwillingsstation des Schäfers ist kaum mehr ein Pferch frei. Der 68-Jährige wird zum Geburtshelfer.
Dicke Mutterschafe mit ihren Neugeborenen liegen in den Gatterboxen im Stroh. Ein flauschiger Mantel aus Merino schützt sie. Echtes Naturhaar, mit stark gekräuselten und locker übereinander liegenden Fasern, heimische Qualität. Es kühlt im Sommer, wärmt im Winter. Daher ist es auch für die Schafe auf der Weide kein Problem, bei Minusgraden und Schnee draußen zu sein.
Auch Schäfer Peter Link ist wettererprobt, trägt Mantel und dicke Arbeitsschuhe. Ohne Hut trifft man ihn selten an. Der 68-Jährige stampft gemächlich über den Hof, Rüde Max tanzt um ihn herum. Der junge Hütehund will spielen. Um seine Füße streunern halbzahme Katzen.
Über 500 Schafe und 20 Hektar Land plus Pachtgrundstücke gehören zur Schäferei. Darunter sind auch einige Tiere von drei Nachbarn, die im Betrieb mithelfen.
Der Schäfer weiß, wann es losgeht
Fünf Monate trägt ein Schaf. Dreimal im Jahr gibt es besonders viele Lämmer: vor und nach Weihnachten, im April und Mai sowie August und September. Der eine Stall ist quasi die Geburtsstation, in dem anderen tummeln sich die etwa vier Wochen alten Krippenkinder und im Außenstall sind die Jungtiere, die sich von ihrer Größe fast nicht mehr von den erwachsenen unterscheiden.
Link kennt die Anzeichen für eine bevorstehende Geburt. Die Schafe fallen in den Flanken ein, ihr Muttermund weitet sich, das Euter füllt sich. Manche Tiere zögern die Geburt ein wenig heraus, warten auf einen unbeobachteten Augenblick. »Doch irchendwann muss eas jo eraus«, sagt Link und lacht. Hochtragende Mutterschafe werden in der Regel von der Wiese in den Stall gebracht.
Im Stall der Halbwüchsigen geht es lebhaft zu. Über 70 Schafe mit ihrem Nachwuchs tummeln sich in dem großen Laufstall. In der Mitte ist eine lange Futterkrippe, in der die Mütter ihre Mäuler versenken. Die vier Wochen jungen Lämmer balancieren wie ungeschickte Artisten über die Matte aus Stroh, andere hüpfen mit allen vieren gleichzeitig in die Höhe. Sie entdecken die Weiten des Laufstalls und den für sie abgesonderten Futterbereich, den Lämmerschlupf. Zwei kleine Öffnungen im Gatter verhindern, dass die gefräßigen Mütter hier abräumen. Das Buffet beinhaltet gequetschten Hafer, Weizen, Wintergerste und Triticale aus dem eigenen Anbau und wird mit dem eiweißhaltigen Sojaschrot ergänzt. Dazu gibt es Silage. Nur der Ruf der Mutter lässt sie ihr kleines Abenteuer unterbrechen. Es ist die eine Stimme unter Hunderten und der Geruch, der in der riesigen Herde für den richtigen Familienanschluss sorgt. Ob im Stall oder auf der Weide: Nach der ersten Futterration wird ausgeruht und wiedergekäut. Am Nachmittag ist der Tiermagen wieder leer, und die Schafe verlangen das zweite Mahl.
»Wann se schiiee soat seui, dann quaken se. So gitt’s alle Doach«, sagt Link in breitem Oberhessisch. Link erzählt gern über seine Schafe, ob Kinder oder auch Experten aus dem Naturschutz, alle hören ihm ebenso gerne zu. Die Szenen sind echt und Link ist ein Original.
»Bei de Schoof eas alle Doach ebbes annersch. Wann mer maont, es wier alles ian Ordnung, dann kimmt waos Naues.« Link muss laufend nach den Füßen und Verletzungen schauen, es wird geschoren, Dorne werden gezogen, Klauen gepflegt. Für ihn gibt es keinen freien Tag in der Woche - auch nicht an Weihnachten.
Etwa 30 Lämmer behält der Schäfer jährlich für die Zucht, die anderen werden mit circa fünf bis sechs Monaten abgeholt. »Eas fällt mer schuu schwear, awwer mer muss sich halt trenne.«
Es gab auch Ausnahmen. Wenn Link das ein oder andere Schaf mit der Flasche aufgezogen hatte und es handzahm wurde. »Däi konnt ich net weggeawwe.« Sie haben auch einen Namen erhalten, wie zum Beispiel »Susi«. Susi heißt auch eine der Katzen. Peter Link ist in vierter Generation Schäfer - und er wird wohl der letzte sein. Es ist kein Nachfolger in Sicht. Als Nebenerwerb sei es zu viel Arbeit, zum Lebensunterhalt zu wenig Geld, erklärt er.
Natürlicher und wertvoller Rohstoff
Früher konnte er die Wolle noch an die deutsche Wollverwertung in Neu-Ulm verkaufen. Heute, so sagt er, kann er froh sein, wenn sie abgeholt wird. Wolle aus dem Ausland ist billiger. Versuche, das Fell als Dung oder als Dämmstoff zu verwenden, haben die Situation nicht wesentlich geändert. »Die Wonn eas ean ganz nadierliche Wertstoff ean werd net richdich genoatzt. Doas will net ean mein Kopp.« Früher hatte jeder im Dorf ein paar Schafe und es wurden Pullover gestrickt. Merinowolle kratzt nicht. Einen Pullover aus dem Kleid oberhessischer Merinoschafe wäre doch das perfekte Geschenk.