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Pomologe Marcel Carl aus Bellmuth: »Alte Apfelbäume sind ein Schatz«

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Marcel Carl unter einem schwer an James-Grieve-Äpfeln tragenden Baum im elterlichen Garten. »Der James Grieve gehört genauso wie Müschens Rosenapfel im Korb zu den typischen Sommeräpfeln«, erläutert der Pomologe. © Ingeborg Schneider

Äpfel faszinieren den Bellmuther Marcel Carl seit seiner Kindheit. Im Interview spricht er über den hohen gesundheitlichen Nutzen alter Apfelsorten und gibt Tipps für die Vorratshaltung von Äpfeln.

Der Bellmuther Marcel Carl, zertifizierter Landschaftsobstbauer und Sprecher der Landesgruppe Hessen des deutschen Pomologenvereins, lädt in diesem Herbst wieder zu einer Ausstellung alter Apfelsorten auf den elterlichen Hof in Bobenhausen ein. Was die Besucher erwartet und warum es wichtig ist, die Sortenvielfalt zu bewahren, verrät Carl im Interview mit dieser Zeitung.

Marcel Carl, wie ist der Apfel zu ihrem Herzensanliegen geworden?

Obstsorten und speziell Äpfel faszinieren mich seit meiner Kindheit. Schon als kleiner Bub bin ich zu jeder Jahreszeit gern unter den alten Apfelbäumen herumgestreift, habe die Vielfalt ihrer Früchte bewundert und vor der Ernte bald ziemlich genau schätzen können, wie viel Apfelsaft man aus dem Ertrag einer Wiese herstellen würde. Inzwischen kenne ich wohl sämtliche Streuobstwiesen im weiten Umkreis und habe es mir zur Aufgabe gemacht, mein Wissen speziell um die alten Apfelsorten weiterzugeben - als ausgebildeter Erzieher und Vater zweier Töchter liegt mir dabei besonders die Jugend am Herzen.

Mit Ihrer ersten Apfelausstellung im vergangenen Herbst hatten Sie einen großen Erfolg. Hunderte Besucher kamen, im Nachhinein bedauerten viele, zu spät von dem Termin erfahren zu haben. Ist das Ihre Motivation, in diesem Jahr erneut zu einer Präsentation einzuladen?

Ja, die sehr positive Resonanz hat mich ermutigt, für Samstag und Sonntag, 14. und 15. Oktober, jeweils von 11 bis 17 Uhr erneut auf den Hof meiner Eltern am Bobenhäuser Brunnen einzuladen. In Zusammenarbeit mit einem Helferteam sowie befreundeten Pomologen, darunter mein »Ziehvater« in Sachen Äpfel, Werner Nussbaum aus Kilianstädten, möchte ich wiederum an die 120 alte Apfelsorten ausstellen und umfangreich darüber informieren. Darüber hinaus gibt es bei freiem Eintritt Köstliches aus dem Apfel zum Essen und Trinken.

Sie betonen immer wieder den Wert der alten Apfelsorten gegenüber den im Supermarkt erhältlichen Neuzüchtungen. Worin liegt Ihrer Ansicht nach die Bedeutung dieser ursprünglich hierzulande beheimateten Äpfel?

Der Apfel war in früheren Jahrhunderten von elementarer Bedeutung für die gesunde und vitaminreiche Ernährung der Bevölkerung, gerade im Winter. Im Supermarkt findet man maximal acht bis zehn Sorten, meist neuere Züchtungen, die vor der Ernte regelmäßig mit Pflanzenschutzmitteln gespritzt werden müssen, um das vom Verbraucher gewünschte makellose Aussehen zu erhalten. Mit den alten heimischen Sorten erwirbt man Obst von hohem gesundheitlichen Nutzen, das zudem von Natur aus resistenter gegen die hiesigen Schädlinge sowie die aktuellen Wetterlagen ist und meiner Erfahrung nach oft auch von Menschen vertragen wird, die auf die Säure der üblichen Sorten ansonsten mit Unverträglichkeiten reagieren. Zum Thema Säure möchte ich ergänzen, dass diese in der Vergangenheit aus den Supermarktsorten regelrecht herausgezüchtet wurde, um die vom Kunden verlangte Süße des Apfels zu erreichen. Gerade die Säure steht aber für einen hohen Gehalt an Polyphenolen, den für unsere Gesundheit so wichtigen sekundären Pflanzenstoffen.

Sie erwähnen die Versorgung mit Vitaminen, speziell im Winter. Haben Sie einen Tipp für die Vorratshaltung von Äpfeln?

Ein wichtiges Thema. Tatsächlich kann man mit unterschiedlichen traditionellen Apfelsorten sehr gut die Zeit von Ende Juli bis in den darauffolgenden Mai überbrücken und dabei täglich den berühmten Apfel zu sich nehmen, von dem man nicht umsonst sagt, dass er den Doktor fernhält. So ist der Weiße Klarapfel schon ab Ende Juli reif und sollte bald verzehrt werden, ebenso die Sommeräpfel Charlamowsky, Müschens Rosenapfel und Gravensteiner. Es folgen die Herbst- und dann die Winteräpfel wie der Ontario-Apfel und der Brettacher, die nach der Ernte noch nachreifen und sich ab Februar zum Verzehr anbieten. Optimal zur Vorratshaltung ist ein kühler, etwas feuchter Erdkeller. Drei Wochen nach der Einlagerung sollte man die Äpfel, bei denen sich zum Beispiel aus unerkannten Druckstellen eine Fäule entwickelt hat, aussortieren - danach kann man sicher sein, dass die übrigen Früchte frisch und zum Anbeißen bleiben.

Wie schätzen Sie die Apfelernte dieses Jahres ein? Das Wetter im Frühling und im Sommer hat ja teilweise zwischen Extremen gependelt.

Die Apfelernte hat gerade erst begonnen. Ich rechne mit einem durchschnittlichen Ergebnis, das aber regional durchaus große Abweichungen nach oben und unten aufweisen kann. Für die Bestäubung zum Beispiel durch Bienen während der Blütezeit der Apfelbäume bleibt nur ein relativ kleines Zeitfenster, in dem die Witterung nicht überall optimal war. Dafür haben die vielerorts doch sehr reichlichen Regenfälle geholfen, den Grundwasserspiegel und die Durchfeuchtung des Bodens nach etlichen trockenen Sommern wieder ein wenig zu verbessern - das wirkt sich für die diesjährige Ernte nicht mehr aus, schafft aber gute Voraussetzungen für das Folgejahr.

Wer im vergangenen Jahr an Ihrer Ausstellung teilnahm, konnte sich über eine Vielzahl von Apfel-Formen und -Farben sowie über die mitunter poetischen Namen der Sorten freuen. Was hat es mit dieser Vielfalt auf sich?

Die Namen der Sorten verraten oft etwas über den Ort, an dem sie erstmals klassifiziert wurden, über ihre Entdecker, ihre Verwendung, ihre Widmung, etwa an einen adeligen Herrscher oder eine verehrte Dame. Manchmal prägt auch die Form der Frucht ihren Namen - so im Fall der Jahressorte 2023: Die Landesgruppe Hessen des deutschen Pomologenvereins hat die Bischofsmütze aus Maintal-Bischofsheim zum Apfel des Jahres gekürt, der tatsächlich einer Bischofsmitra ähnlich sieht.

Über den gesundheitlichen Nutzen alter Apfelsorten haben wir bereits gesprochen. Gibt es weitere Gründe, diese Sortenvielfalt zu bewahren?

Oberhessen und unsere Wetterau sind regelrechte Schatzkammern alter Apfelsorten. Bei mehreren Obstbaumkartierungen, zum Beispiel in Wölfersheim, Nidda und Ranstadt, konnten wir als Pomolgen eine sehr hohe Dichte an alten, teilweise extrem seltenen und vom Aussterben bedrohten Apfelsorten feststellen. Oft werden wir auch von älteren Dorfbewohnern auf besondere Apfelbäume aufmerksam gemacht, die manchmal tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal besitzen.

Nachdem man in den 60er Jahren mit Beginn des Obstplantagenbaus den Streuobstwiesenbesitzern noch Prämien für das Fällen ihrer Bäume bezahlte, setzt sich heutzutage allmählich die Erkenntnis durch, welchen Schatz wir in den alten Apfelbäumen besitzen: Nicht zuletzt stellen sie einen genetischen Pool dar und können die Züchtung klima- und schädlingsresistenter Sorten gewährleisten, die wir vielleicht für das Klima in 30 bis 50 Jahren benötigen werden. Ein Sprichwort unter den Pomologen besagt, dass man einen Apfelbaum immer für die nächste Generation pflanzt - denn erst für sie wird er Früchte tragen.

Die Ausstellung alter heimischer Apfelsorten unter der Leitung von Marcel Carl als Sprecher der Landesgruppe Hessen des deutschen Pomologenvereins findet am Samstag und Sonntag, 14. und 15. Oktober, jeweils von 11 bis 17 Uhr auf den Hof seiner Eltern in der Frankfurter Straße 40 am Bobenhäuser Brunnen statt. Willkommen sind bei freiem Eintritt Interessierte aller Generationen, die rund 120 Apfelsorten in allen Formen, Farben und Größen besichtigen, sich über deren Qualitäten informieren sowie Apfelprodukte verkosten können.

»Verdienen möchte ich mit meinem Hobby nichts«, sagt Pomologe Marcel Carl. Sein Angebot, das von Leidenschaft und Wertschätzung für die alten Apfelsorten geprägt ist, kann sich sehen lassen. Sortenbestimmung sowie Beratung in Sachen Obstbaumschnitt und -veredelung gehören dazu, Anfragen von Schulen und Kindergärten beantwortet der Erzieher ebenso wie den Wunsch nach der Zusammenstellung einer Sortenauswahl zum Probieren oder Verschenken. Erreichbar ist er unter 01 51/57 33 01 70 oder per E-Mail an Carl.Marcel86@gmail.com. VON INGE SCHNEIDER

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