Probebohrungen im Seemental sollen wichtige Erkenntnisse zum Bau des Rückhaltebeckens liefern

Dort, wo schon bald ein 230 Meter langer Damm Büdingen und flussabwärts liegende Gemeinden vor Hochwasser schützen soll, wird in diesen Tagen das Erdreich untersucht.
Umfangreiche Vorbereitungen waren zu treffen, bis sich die ersten Maschinen im Tal des Seemenbachs zwischen Büdingen und Rinderbügen in Bewegung setzen konnten. Der geplante Bau des Hochwasserrückhaltebeckens nördlich des Hammers, ein Großprojekt mit einem Investitionsvolumen von deutlich über 20 Millionen Euro, setzt einen weitreichenden Planungs- und Genehmigungsprozess voraus.
Erstmals erkennt jetzt auch der Laie, dass sich an der Seeme etwas tut. Die Hettmannsperger Bohrgesellschaft aus Ötigheim bei Karlsruhe untersucht derzeit den Boden. Die Bohrkerne werden im Anschluss den Ingenieuren eines geologischen Fachbüros verraten, wie es um das Erdreich bestellt ist.
Oben Basalt, unten Sandstein
An fünf Standorten fördert das Gerät meterweise Proben zutage. Das Rammkernverfahren treibt den Bohrer zunächst etwa 1,60 Meter tief in den Boden, bis er dort auf Festgestein trifft. »Wir stoßen zunächst auf ein Gemsich aus Basalt und Kalkstein«, erläutert Patrick Gorecki, Brunnenbauer und Bohrgeräteführer. Beim Basalt handelt es sich um Gestein, das der Seemenbach aus Vogelsberg anschwemmt - eher untypisch für die Gegend. Direkt darunter liegen die zu erwartenden Sandsteinschichten. Proben aus bis zu 25 Metern Tiefe liefert das Seilkernverfahren. Dabei läuft der Bohrer mit bis zu 400 Umdrehungen pro Minute. Er muss aufgrund der Hitze permanent mit Wasser gekühlt werden. »Mit zehn Bar Luftdruck geht’s ab in die Erde«, schildert Gorecki, der das Gerät unter einem Plexiglasdach bedient, damit er vom Kühlwasser nicht nass wird.
Für das Trio, das auch noch in der nächsten Woche aktiv ist, sind das Standardarbeiten. Brunnenbau, Kampfmittelerkundung, Grundwasserabsenkung, Brunnenregenerierung, Altlastenerkundung und Erdwärmebohrungen - das Portfolio des badischen Unternehmens ist groß. Dass es in Büdingen einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz leistet, ist den Arbeitern bewusst. »Es wäre für die Region doch gut, wenn hier ein Rückhaltebecken entstehen kann«, sagt Patrick Gorecki, der von der Hochwasserkatastrophe vor zwei Jahren gehört hat.
Damit man eine etwaige Vorstellung davon bekommt, wie ein Ergebnis der Proben aussehen könnte, bemüht Stefan Schulz, Ingenieur des zuständigen Wasserverbands Nidder-Seemenbach, einen Vergleich: »Wir erfahren, ob das Tal einem Sieb oder einer Wanne gleicht.« Wobei mit einem Sieb eher nicht zu rechnen sei.
Die vom Wasserverband beauftragten Ingenieurleistungen umfassen insgesamt drei Fachdisziplinen: die Planungsleistungen fürs Becken, geotechnische Leistungen sowie die Umweltplanung. »Da ist jede Menge Sensibilität gefragt, da für die Umsetzung des Baus eine naturschutzrechtliche Befreiung nötig wird. Denn wir befinden uns mitten in einem Natur- und Landschaftsschutzgebiet«, erläutert Kai Mathes von der Ovag, der die technische Geschäftführung für den Wasserverband innehat.
Nach dem Ende der Brut- und Setzzeit im vergangenen Jahr begannen die geologischen Voruntersuchungen. Seit diesem Zeitpunkt geht es darum, festzustellen, ob die Bodenverhältnisse den Bau eines Dammes erlauben. Im ersten Schritt waren dafür Baggerschürfe und Rammkernsondierungen bis zu einer Tiefe von fünf Metern notwendig. Mit diesen Daten erarbeiteten die Fachleute dann das vertiefende Vorerkundungsprogramm, das nun läuft. Sämtliche Bohrarbeiten sind wasser- und naturschutzrechtlich genehmigt und werden von einer ökologischen Baubegleitung überwacht, so Mathes.
Zeitplan bis zum Bau
Sollte weiterhin alles nach Plan laufen, können noch in diesem Jahr die Genehmigungsunterlagen zum Bau des Rückhaltebeckens erarbeitet werden. 2024 ist mit der Genehmigungs- und Bewilligungsphase zu rechnen. Unter anderem entscheidet sich dann, wie hoch der Zuschuss des Landes Hessen für das Projekt sein wird. Zu rechnen ist wohl mit 75 bis 80 Prozent der Gesamtkosten. Es folgt die Offenlegung der Pläne - Stellungnahmen und unter Umständen auch Klagen sind dann möglich. Im Idealfall könnte es 2025 zur Ausschreibung kommen. »Und mit ganz viel Glück könnte im gleichen Jahr mit dem Bau begonnen werden«, so Kai Mathes und Stefan Schulz.