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Überfall nach durchzechten Nächten

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Viel Alkohol, noch dazu Kokain: Der Angeklagte hat zwei Tage durchgefeiert, als er auf die Idee kommt, einen anderen Kneipengast um sein Geld zu bringen. SYMBOL © DPA Deutsche Presseagentur

Ranstadt (jwn). Durchzechte Nächte, viel Alkohol und dazu noch Drogen - für den anschließenden Exzess will dann keiner mehr geradestehen. Ähnlich sieht es bei einem 33-Jährigen aus, der sich seit Mitte der Woche vor dem Landgericht Gießen wegen schwerer räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verantworten muss.

Mit Messer und Sturmhaube

Die Tat ereignete sich am 11. Juni des vergangenen Jahres in Ober-Mockstadt gegen 6.30 Uhr am Morgen. Seinen Anfang hatte das späterere Verbrechen allerdings in einer Gaststätte in Nidda in der Nacht zuvor genommen. Wie der Angeklagte aus Lauterbach in seinem Geständnis mitteilte, soll das spätere Opfer, ein 49-Jähriger, ordentlich gezecht und dabei immer wieder sein Portemonnaie mit etwa 2 400 Euro Inhalt rumgezeigt und damit geprahlt haben.

Das fiel auch dem Angeklagten auf, der schon zwei Tage durchgefeiert und dabei viel Alkohol und Kokain konsumiert hatte. Da er zu dem Zeitpunkt arbeitslos war und nur von der Unterstützung des Jobcenters lebte, hätte ihm das viele Geld sehr geholfen. Also beschloss er, zum Auto des 49-Jährigen zu gehen, um diesen dort auszurauben.

Zuvor hatte er sich bei einem Bekannten zu Tarnzwecken eine Sturmhaube und zur Furchteinflößung ein Messer geholt. Bei dem nicht abgeschlossenen Auto, einem Kastenwagen, angekommen, öffnete er die Hintertür und setzte sich auf die Ladefläche. Das spätere Opfer setzte sich nichtsahnend in seinen Lieferwagen, startete den Motor und fuhr davon in Richtung Nieder-Mockstadt, wo er Baumaterialien abliefern sollte. Überrascht von der schnellen Abfahrt und weil er auch nicht wusste, wohin die Fahrt gehen würde, klopfte der 33-Jährige an die Fahrerkabine.

Der Fahrer reagierte sofort, fuhr in Ober-Mockstadt in eine kleine Seitenstraße in Richtung Dauernheim, stoppte den Wagen und öffnete die Seitentür. Der 33-Jährige hatte sich mittlerweile aufgerichtet mit der Sturmhaube über dem Kopf und dem Messer in der Hand und herrschte sein Opfer an: »Gib mir dein Geld, oder du stirbst.« Doch dieser, von Beruf Gerüstbauer und auch kein Kind von Traurigkeit, hielt davon nichts und ging stattdessen auf den Angreifer zu.

Bis zu diesem Punkt stimmen das Geständnis des Angeklagten und die Aussage des Opfers überein. Dann aber gibt es einen kleinen, für das Gericht und das spätere Urteil aber bedeutenden Unterschied. Der Angeklagte behauptet, er habe das Messer nur vor sich hingehalten und damit gedroht. Der Angegriffene sei daraufhin auf ihn zugekommen und habe versucht, ihn zu überwältigen. Dabei habe er sich am Kopf geschnitten. Die zweite Stichwunde habe er sich bei der anschließenden Rangelei auf dem Boden »irgendwie selber« zugezogen. Er habe zwar mit dem Messer gedroht, aber habe es nicht einsetzen wollen.

Das Opfer hingegen sagt, der Angeklagte sei mit dem Messer auf ihn zugekommen und habe gezielt zugestochen. Die Rangelei sei von herbeieilenden Anwohnern beendet und der Angreifer bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten worden.

Für den Prozessverlauf ist dieser Unterschied wichtig, denn normalerweise ist es maßgeblich für das Strafmaß, ob eine Tat vorsätzlich oder fahrlässig verübt wurde. Im vorliegenden Falle ist dies aber vielleicht nicht ganz so entscheidend, weil es zu Beginn des Verfahrens ein Rechtsgespräch zwischen der Kammer, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung gegeben hatte.

Mildes Urteil gegen Geständnis?

In diesem Gespräch hatte der Verteidiger Constantin Schmid im Gegenzug für ein mildes Urteil ein vollumfängliches Geständnis angeboten. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft hatten daraufhin das Angebot gemacht, das Strafmaß statt der für eine solche Tat üblichen fünf oder mehr Jahre Gefängnis auf dreieinhalb bis vier Jahre beschränken zu wollen und die Tat möglicherweise als einen minderschweren Fall wegen der zuvor durchzechten Nächte bewerten zu wollen.

»Vorausgesetzt, das Geständnis ist vollumfänglich und wir erleben keine Überraschung«, warnte Richter Jost Holtzmann den Angeklagten. Dieser stimmte dem Angebot des Gerichts zu. Ob bei dem 33-Jährigen verminderte Schuldfähigkeit bei der Tatbegehung vorgelegen hat, muss nun allerdings erst ein Sachverständiger beurteilen.

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