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Workshop in Ranstadt: Tiny House in sechs Tagen bauen

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Von: Myriam Lenz

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Am Montag geht der Tiny-House-Workshop los. Der Auflieger und das Material stehen bereit. Marek Hirnich platziert das Schild vor der gemieteten Scheune in Bellmuth. © Myriam Lenz

Es ist ein Experiment: innerhalb von sechs Tagen ein Tiny-House zu bauen. Marek Hirnich aus Ranstadt glaubt daran.

Tiny House steht für kleine Behausung. Die Hype um die Mini-Häuser auf Rädern schwappte mit Verzögerung von Amerika nach Europa über. In den Staaten wurden die Tiny Houses für viele, die während der Bankenkrise 2008 ihre Immobilien verloren hatten, zur mobilen und bezahlbaren Alternative. In Europa stehen Tiny-Häuser eher für eine Haltung: Die Reduzierung aufs Wesentliche und das Sparen von Ressourcen. Immer mehr Kommunen weisen spezielle Gebiete für Tiny Houses aus. Das ist nicht nur dem Trend zu einer bewussten Lebensform geschuldet, sondern auch durch einen angespannten Wohnungsmarkt begründet.

Tiny House in Ranstadt: Herstellungskosten durch gebrauchtes Material senken

Marek Hirnich aus Ranstadt hatte sich nach seinem Fachabitur selbst den Traum vom eigenen Tiny House erfüllt. Er ist nun Landschaftsarchitekt, sein Zwillingsbruder Hauke ist Zimmermann. Die 29-Jährigen sind Inhaber der Firma Urwerke. Diese steht für praktische und kreative Möbel im Industrie-Design.

Während eines speziellen Workshops zu einer alternativen Bauweise traf Marek Hirnich viele Gleichgesinnte. Dort reifte die Idee, selbst und vor allem erschwingliche Mini-Häuser zu bauen. Denn der Boom in Deutschland und knappes Baumaterial ließen die Preise enorm steigen. Die Idee reifte, über eigene Workshops und die Verwendung von gebrauchtem Material die Herstellungskosten zu senken.

Tiny House in Ranstadt: 20 000 Euro für Grundgerüst

Marek Hirnich zeigt auf die zahlreichen Möbel und Materialien in der neu gemieteten Scheune in Bellmuth. Da steht eine Designer-Couch, sind zwei Sessel aus der ehemaligen Man-Werkstatt in Ranstadt, Industriestühle aus einer alten Näherei in Lißberg, Bilder und Thermofenster. »Alles ist von der Straße, sollte weggeschmissen werden. Das ist traurig.« Gleichzeitig profitiert sein Modell davon. Bis zu 100 Prozent des Holzes, das er verbaut, hatte ein erstes Leben, ein Teil der Holzfaserdämmung ebenfalls, gut erhaltene Elektroartikel, wie zum Beispiel Schalter, findet er zuhauf auf Recyclinghöfen. »Es ist alles da.« Für das Grundgerüst für dieses Tiny House rechnet er mit Kosten von etwa 20 000 Euro.

Der Auflieger steht vor der Scheune. Knapp 18 Quadratmeter groß wird das Minihaus, 7,20 Meter lang, 2,50 Meter breit. Das Bauwerk darf insgesamt nicht schwerer als 3,5 Tonnen sein, um für den Straßenverkehr zugelassen zu werden. Das heißt, dass jedes Stück Material vorher gewogen wird. Die Innenwände und sämtliche Anschlüsse sollen am Ende gesetzt sein. 300 Kilogramm sind für den Innenausbau kalkuliert. Wäre es seins, würde er Solarflächen aufs Dach bauen und Regenwasser sammeln, filtern und nutzen.

Tiny House in Ranstadt: Sich auf das Wesentliche konzentrieren

»Je überschaubarer der Raum, umso mehr muss man es mit Stil einrichten«, sagt Hirnich. Weil man eben von der Küche ins Schlafzimmer schaut. Für ihn muss ein Tiny House Atmosphäre ausstrahlen, die man beim ersten Betreten spürt.

Marek Hirnich findet den Begriff Minimalismus nicht ganz treffend. »Es geht eher darum, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und das, was man wirklich braucht, dann auch zu nutzen.« Die Käuferin für das jetzt entstehende Tiny House hatte er selbst während des Lehrgangs kennengelernt. Erst war es eine Idee, die auf einen Zettel gekritzelt wurde. Es folgten seit Ende September tägliche Telefonate. Eine frisch gebackene Architektin verwandelte die Skizzen in handfeste Pläne, ab Montag wird die Käuferin an ihrem eigenen Häuschen mitarbeiten. Drei Pioniere haben zueinander gefunden. Hirnich: »Für jeden von uns ist das super aufregend.«

Tiny House in Ranstadt: Käuferin hat geeigneten Platz in Berlin

Die Käuferin hat das Glück, in Berlin einen geeigneten Platz zu haben. Denn die Räder am Fahrgestell reichen nicht, um Genehmigungen davon zu rollen. Im Außenbereich dürfen nur Privilegierte, wie zum Beispiel Landwirte, bauen, im Innenbereich gilt der jeweilige Bebauungsplan. »Es kann sein, dass darin steht, dass ich das Haus von außen verputzen, rote Ziegel verwenden oder 30 Prozent des Baugrundes bebauen muss.« Bei einem Tiny-House mit 20 Quadratmetern wäre das ein Miniaturgrundstück. Der Architekt bringt für das enge Korsett des Baugesetzbuches wenig Verständnis auf: »Man schafft bezahlbaren Wohnraum, die Leute entscheiden bewusst, auf kleinem Raum zu wohnen und mit wenig auszukommen, und trotzdem werden so viele Grenzen gesetzt. Sehr vieles, zu viel ist nicht möglich.«

Am Montag geht der Workshop mit dem Aufbau der Bodenplatte los. »Ich bin gespannt, wie weit wir kommen«.

Info: Baurecht: Wie ein normales Wohnhaus

Tiny Häuser sind rechtlich wie normale Wohnhäuser zu betrachten. Das heißt, dass sie planungsrechtlich zulässig sind, wenn sie sich in die nähere Umgebung einfügen (Paragraf 34 des Baugesetzbuches). Im Außenbereich sind sie grundsätzlich unzulässig. Der Außenbereich ist einer privilegierten Nutzung vorbehalten, das heißt der Land- beziehungsweise der Forstwirtschaft (Paragraf 35). In festgesetzten Sondergebieten für die Freizeitnutzung, wie Campingplätzen, gilt der aktuelle Bebauungsplan, der noch weitere Bedingungen vorgeben kann. Die Bauaufsicht des Wetteraukreises empfiehlt Interessierten, sich bei der Bauaufsicht oder Kommune zu einem konkreten Standort zu informieren. Gegebenenfalls ist es notwendig, eine Bauvoranfrage zu stellen (Paragraf 76 HBO).

Wer Interesse an dem Workshop von Marek Hirnich hat, kann sich unter Tel. 01 76/45 76 92 89 informieren. Die Teilnahme an einzelnen Tagen ist möglich.

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