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Reform bringt mehr Klarheit beim Betreuen

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Von: Hanna von Prosch

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Bilden den Kern und das Geschäftsstellenteam des Betreuungsvereins Friedberg (v. l.): Tamara Schutt, Anna Janzen, Karin Schweikert, Marco Thompson, Stephan Murrar und Klaus Edzards. © Hanna von Prosch

Wenn ein Mensch nicht mehr alles selbst regeln kann und ein anderer sich um gewisse Dinge kümmern muss, wird es mitunter schwierig. Eine Reform bringt mehr Klarheit.

Wenn ein erwachsener Mensch durch eine andere Person in Angelegenheiten vertreten wird, die er selbst nicht regeln kann, spricht man von einer rechtlichen Betreuung. Das neue Betreuungsrecht, das zum 1. Januar in Kraft getreten ist, stärkt den Willen der Betreuten und die Rechtsstellung der Betreuungsvereine.

»Für uns ist der Mensch wichtig«, sagt Klaus Edzards, Vorsitzender des Betreuungsvereins Friedberg. Denn da gebe es in der öffentlichen Wahrnehmung noch viele Missverständnisse. Die Erwartungshaltung decke sich nicht immer mit dem, was rechtliche Betreuer leisten können und sollen. Die Rechtsreform gibt Klarheit für beide Seiten.

In der Friedberger Kleinen Klostergasse 16 geht es zwei Stockwerke hinauf, bis man in das Zweiraumbüro des Betreuungsvereins kommt. In der Geschäftsstelle werden Bevollmächtigte und Angehörige beraten, hier werden Fragen mit Betreuten geklärt und mit Menschen, die Betreuer werden möchten, erste Gespräche geführt. Geschäftsstellenleiterin Anna Janzen und ihre Mitarbeiterin Karin Schweikert planen Info-Veranstaltungen und Schulungen für Bevollmächtigte, Angehörige und Ehrenamtliche.

Betreuung zum Beispiel bei Demenz

Das Betreuungsrecht ist für Außenstehende kompliziert. Widerstand ist da vorprogrammiert. »Ich bin doch nicht verrückt. Ich lasse mich nicht entmündigen«, hören Janzen und Schweikert manchmal beim ersten Besuch. Darum geht es aber überhaupt nicht. Eine rechtliche Betreuung ist vielmehr eine Hilfe, wenn man Dinge nicht mehr alleine bewältigen kann. Finanzangelegenheiten etwa, Behördensachen oder die Gesundheitsvorsorge.

Rechtliche Betreuung kann bei demenziellen oder psychischen Erkrankungen oder bei Behinderungen notwendig werden. Diese Aufgabe können Berufsbetreuer übernehmen, in einem Betreuungsverein Angestellte oder Ehrenamtliche wie Edzards und sein Stellvertreter Stephan Murrar. Letztere kümmern sich meist um ältere Menschen in Pflegeheimen oder zu Hause, füllen Formulare aus, stellen bei Behörden Anträge auf Grundsicherung oder Zuzahlungsbefreiung .

Die komplexeren Fälle übernehmen die Vereinsbetreuer. Das sind in Friedberg Marco Thompson, Anna Janzen und Tamara Schutt. »Die rechtliche Betreuung wird oft mit der Sozialbetreuung verwechselt, aus Unwissen manchmal auch in Pflegeheimen«, sagt Janzen. »Wir organisieren die Hilfe, achten darauf, dass gesetzliche Vorgänge und Fristen eingehalten werden, und beraten im Sinne der Betreuten. Das heißt nicht, dass wir für sie einkaufen gehen oder Fahrdienste erledigen.«

Rechtliche Betreuer unterliegen strengen Kontrollen

Für Murrar und seine Kolleginnen und Kollegen ist es eine Balance, die man selbst finden muss: »Reicht der Besuch einmal im Monat oder muss ich öfter kommen? Soll ich etwas besorgen, weil der Mensch niemanden hat, der sich sonst kümmert?« Beim Erstkontakt müssen sie sich ein Bild von dem Betreuten, seiner Umgebung, seiner Lebensweise, der Familiensituation machen. Besonders der Umgang mit dementen Menschen erfordert Beobachtung über eine längere Zeit: »Aussagen und Wünsche sind abhängig von der Tagesform, etwa wenn es um eine Patientenverfügung geht oder den Bestattungswunsch. Ich muss den Menschen gut kennen, um mit ihm eine Entscheidung zu treffen«, erläutert Marco Thompson.

Anders als vielfach geglaubt, unterliegen rechtliche Betreuer strengen Kontrollen wie einer jährlichen Rechnungslegung und ausführlichen Berichten an das Amtsgericht. »Für Bevollmächtigte gilt das nicht. Das ist vielen nicht bewusst, gerade wenn es ums Geld geht. Rechtliche Betreuer benötigen für wichtige Entscheidungen auch eine Genehmigung vom Betreuungsgericht,« macht Janzen deutlich. Das neue Betreuungsrecht beinhaltet zudem für die Berufsbetreuer, meist Rechtsanwälte, jetzt mehr Pflichten und Kontrollen durch die Gerichte.

»Die meisten Menschen sind sehr dankbar, wenn sie merken, dass wir ihnen helfen, ihre Dinge zu ordnen«, weiß Thompson. Schutt, die aus der Verwaltung im Gesundheitswesen kommt, ist erst seit Kurzem Vereinsbetreuerin: »Man muss sich bewusst sein, was auf einen zukommt. In jedem Fall soll man Behördenbriefe lesen und verstehen können, selbst ein geordnetes Leben ohne Überschuldung führen, empathiefähig und zuverlässig sein.« Murrar pflichtet ihr bei: Ein großes Herz allein reiche nicht.

Drei Fragen an Klaus Edzards

Wer entscheidet über eine Betreuung?

Im Prinzip kann jeder eine Betreuung beim Amtsgericht beantragen, meistens sind es Angehörige. Die Betreuungsbehörde beim Wetteraukreis klärt den Betreuungsbedarf und Umfang, schlägt bestimmte Aufgabenbereiche wie Vermögensangelegenheiten oder Gesundheitssorge vor und gibt einen Sozialbericht an das Amtsgericht zurück. Das Amtsgericht beruft dann im Einzelfall Gutachter, die die Feststellungen der Betreuungsbehörde weiter untersuchen oder belegen. Die Betreuungsbehörde schlägt nach Rücksprache mit dem Betreuungsverein einen ehrenamtlichen Betreuer vor oder bestimmt einen Berufsbetreuer. Der Betreuungsrichter beim Amtsgericht entscheidet dann endgültig über die Ausgestaltung der Betreuung. Wenn jemand mit seinem Betreuer nicht zufrieden ist, kann man einen Betreuerwechsel beantragen.

Wie wird man ehrenamtliche/r Betreuer/-in?

Interessierte ab 18 Jahre können sich bei uns bewerben. Wir führen ein Erstgespräch, prüfen die Voraussetzungen und stellen die Eignung fest. Dabei helfen Schwerpunkte wie Betreuung bei älteren oder jungen Menschen und berufliche Erfahrungen. Nur Vereins- oder Berufsbetreuer müssen der Betreuungsbehörde erweiterte Kenntnisse nachweisen.

Was wünscht sich der Verein?

Es gibt im Wetteraukreis auch Betreuungsvereine in Büdingen und Nidda. Friedberg hat mit dem größten Einzugsgebiet etwa 150 Betreuungen. Wir haben immer Bedarf an ehrenamtlichen Betreuern, aber auch an Menschen, die in der Vereinsarbeit mithelfen. Für die Öffentlichkeitsarbeit ist Unterstützung wünschenswert. Dringendster Wunsch ist aber ein barrierefreies Büro mit mehreren Räumen, um die Diskretion wahren zu können.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www. betreuungsverein-friedberg.de.

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