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Ein Schmied lustiger Verse

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WZ-Autor Jürgen Wagner unterhält als Liederveredler und Verseschmied in der vollbesetzten Heuchelheimer Kirche. Damit endet der Heuchelheimer Musikherbst. Im kommenden Frühsommer wird es hier wieder eine Konzertreihe geben. © Ines Dauernheim

Reichelsheim (kai). Melancholische Melodien. Reime mit besonderem Reiz. Eine Gesangsstimme, über die sich jeder Männerchor freuen würde. Musikalität gepaart mit unbändiger Lust, bekannten Liedern ganz neue Texte einzuhauchen. Freude daran, das Publikum zu unterhalten. Feinsinniger Humor von der ersten bis zur letzten Minute: Das versprüht ein Konzert mit dem selbst ernannten Verseschmied Jürgen Wagner (jw).

Ein fein gespieltes Gitarren-Intro (Albatross von Peter Green/Fleetwood Mac), drei bekannte Queen-Lieder, verfeinert mit hessischen Texten, und schwups hat der Friedberger WZ-Autor die Gäste in der bis auf den letzten Platz gefüllten Heuchelheimer Kirche in seinen Bann gezogen.

Was ein Redakteur so sammelt

Die Nähe zum Publikum, die Offenheit, in der sich in dieser kleinen, renovierten Wohnzimmerkirche die Menschen begegnen, lassen die 90 Minuten unter dem Motto »Hör ich Wagner, denk ich Blutwurst« zu einem herzlichen Miteinander werden. Wird ein Chor gebraucht, um beim Refrain mitzusummen oder mitzusingen, muss der Mann mit der Gitarre nicht lange bitten.

Wagners Sprachwitz begeistert. Mal singt er statt »We will rock you« von Hildes Schuhschrank, der nach Käs stinkt und folgert: »Du hast viel zu viele Lackschuh.« Dann wird aus »I was born under a wandrin’ star« flugs »Ei was bohrn und grabe die Leut denn da?« Die Wasserleitung, Telekom-Anschluss oder Strom?

Wenn Jürgen Wagner erzählt, hört man ihm gerne zu. Eine Erklärung steht noch aus: Was hat es mit der Blutwurst auf sich? Rasch stellt sich heraus, dass der Lokalredakteur ein Wagner-Überschriften-Sammler ist. Beste Zeit dafür: Die Bayreuther-Festspiele und manchmal auch der Sportteil. »Gibt es ein Leben ohne Wagner?«; »Wagner digital vermenschlicht«; »Ladenhüter Wagner« oder »Wagner wechselt zum FC Bayern« zählt er auf. Diese Zeilen seien Motivation für ihn, er schneidet sie aus und hängt sie schon mal in der Redaktion auf. Seine Lieblingsüberschrift sei nun mal »Hör ich Wagner, denk ich Blutwurst«. Ein Titel aus der links-alternativen TAZ. Klar, dass Wagner darüber sinniert, ob die vegetarisch oder vegan lebenden Kollegen aus Berlin überhaupt wüssten, wie ungerecht sie die Blutwurst mit dieser Zeile behandelt hätten.

Die Texte des Friedbergers sind aus dem Leben gegriffen und sie passen immer perfekt zu den Melodien, denen sie einen neuen Pfiff verleihen. »Im Frühjahr ging es los, im Sommer wurd’s auch nicht besser, der Winter naht«, singt er. Dann: »Ein Hauch, eine Brise, eine Böe, die tut mir weh.« Worauf statt »Sweet Caroline« der Refrain »Es zieht halt herein. Vom Fenster kommt ein kalter Zug« folgt. Jürgen Wagner präsentiert sich akribisch vorbereitet, zwischen den Notenblättern hat er den Verlauf seines Programms genau getaktet und lockert immer wieder mit seiner Wortakrobatik auf. Mal liest er eine seiner Lieblingsglossen vor, dann präsentiert er ein »Gereim« über Heuchelheim.

»Da lobe ich mir Heuchelheim. Ach so beschaulich, gar so klein. Mit Zicklein und mit Vögelein. Die Rehlein hüpfen querfeldein. Im Stall da quiekt ein Phrasenschwein. Im Glase perlt der Apfelwein. Selbstverfreilich sortenrein. Ja und ja, da will ich sein, in Heuchelheim, das wäre fein. Und fällt mir auch kein Reim mehr ein. So herrscht doch ewig Sonnenschein, im einzigart’gen Heuchelheim.«

Das Repertoire von Wagners Sprachwitz scheint unerschöpflich. Pointiert, lustig, unterhaltsam und von Herzen kommend. Zum Genießen auch sein Gitarrenspiel - passend zum Ort endet sein Programm und damit der Heuchelheimer Musikherbst mit dem Stück »Jesus meine Zuversicht« von Johann Sebastian Bach. Perfekt. Diese ehrliche Kunst wird mit reichlich Applaus und fröhlichen Gesichtern belohnt. Und als Dank von der veranstaltenden Kirchengemeinde gibt’s ein Körbchen voller Blutwurst, gespickt mit einer TAZ-Ausgabe.

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