Erster Schritt aus der Gewalt
Reichelsheim (pm). 22 Erzieherinnen und Erzieher der fünf Reichelsheimer Kindertagesstätten haben kürzlich an einem Workshop des Frauen-Notrufs Wetterau teilgenommen. In der vierstündigen Fortbildung im Bürgerhaus Weckesheim setzten sich die Fachkräfte damit auseinander, was es bedeutet, wenn Kinder häusliche Gewalt miterleben oder sogar selbst misshandelt werden.
Laut wissenschaftlichen Untersuchungen hat das Miterleben von Gewalt im Elternhaus gravierende Folgen für die psychische und körperliche Gesundheit von Kindern. Die Mitarbeiterinnen des Frauen-Notrufs sagten: »Wenn Kinder Gewalt zwischen den Eltern beobachten, ist das als Kindswohlgefährdung zu werten. Hierbei sind die Grenzen zur Gewalt gegen das Kind selbst fließend: Kinder werden häufiger Opfer von Gewalt durch die Eltern und erfahren tendenziell öfter Misshandlungen und sexualisierte Gewalt.«
Schutzraum abseits des Elternhauses
Den Mitarbeitenden der Reichelsheimer Kindertagesstätten sei ihre besondere Rolle bei diesem Thema bewusst, betont Kerstin Freund, die Leiterin der Kita Flohkiste. »Sie bieten den von ihnen betreuten Kindern einen regelmäßigen fürsorglichen Schutzraum abseits des Elternhauses, in dem sie sich sicher fühlen und andere Arten von Kommunikation, Beziehung und Konfliktlösungsstrategien einüben und Erlebtes einordnen können.« Gleichzeitig halte die Kita Verbindung zu den Eltern und könne somit als eine Art Frühwarnsystem für häusliche Gewalt fungieren.
Während die Erzieherinnen und Erzieher eine Schutzfunktion den Kindern gegenüber übernähmen, könnten sie gleichsam die Betroffenen an z. B. Frauenberatungsstellen, das Jugendamt oder die Polizei weiterleiten und sie motivieren, sich so viel Unterstützung wie möglich zu holen. »Wird das Schweigen gebrochen, ist dies ein erster wichtiger Schritt aus der Gewalt«, betonte Julia-Katharina Wintermeyer vom Frauen-Notruf. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Monika Pfaff erarbeitete sie mit den Teilnehmenden Hintergrundwissen und Handlungsabläufe, um betroffenen Kindern und Eltern die Offenheit entgegenzubringen, die sie in ihrer Situation brauchen. Auch das Thema Selbstfürsorge für die Fachkräfte durfte nicht fehlen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betonten, ihnen sei bewusst, dass sie das Frühwarnsystem seien. Man sei als Einrichtung präsent und sehe sich als Wegbegleiter an der Seite der Betroffenen, zumiest Frauen. »Wir ermutigen und unterstützen sie, den ersten Schritt zu gehen: ein Anruf, um Kontakt zum Frauen-Notruf herzustellen.«
Das Fazit laute: Die Fortbildung habe die Mitarbeitenden für ihre zukünftige Arbeit, auch im Hinblick auf das Schutzkonzept der Kinder, in ihrer Wirksamkeit bestärkt.