Fenster in die Vergangenheit

Reichelsheim (pm). Die Klasse 4b der Grundschule im Ried nimmt am Projekt »Zeitung in der Grundschule« der Wetterauer Zeitung und der Ovag teil. Die pädagogische und organisatorische Betreuung leistet das Institut zur Objektivierung von Lern- und Prüfungsverfahren (IZOP) in Aachen. Hier kommt der Artikel der Klasse über ihren Besuch im Steinbruch Michelnau.
Heiß ging es her, als der Vogelsberg noch aktiv war. In den vielen Schloten staute sich das Magma auf, glühend heiße Lava strömte aus, Gesteinsbrocken flogen durch die Luft und Aschewolken legten sich über die Erde. Der Vogelsberg entstand vor 15 bis 19 Millionen Jahren aus einer Gruppe von Vulkanen. Aus einem dieser Vulkane entstand das Gestein im Steinbruch in Michelnau.
Herr Dr. Schönert holte uns am Eingang des Steinbruchs ab und auf dem Weg zur Aussichtsplattform zeigte er uns die Stelle, wo früher einmal der Schlot war. Leider steht heute genau darauf ein Dixi-Klo. Als wir oben an der Aussichtsplattform ankamen, hatten wir einen fantastischen Blick in den Steinbruch, mit den Spuren vom Abbau im roten Gestein, auf den großen Holzkran, die Steinschrämmaschine und die Gebäude. Anschließend gingen wir wieder hinunter auf die mittlere Ebene, in die Steinmetzhütte. Wir fingen mit den Interviews an und stellten Herr Dr. Schönert und Herr Noll vom Verein Freunde des Steinbruchs Michelnau viele Fragen.
Im Steinbruch findet man nicht den grauen Basalt, sondern dieses rote Gestein. Man nennt es Basaltlavatuffstein oder Michelnauer Stein. Es ist der Auswurf aus einem Schlackevulkan, der erkaltete und dadurch fest geworden ist. Die rote Farbe kam durch die Oxidation von Eisen in der Lava. Dr. Schönert erklärte, dass das Schlackenagglomerat einfach nur eine Anhäufung grober Gesteinsstücke aus einem Vulkan ist. In einem Binokular konnten wir weiße farblose Kristalle im Vulkangestein ansehen. Sie entstanden nachträglich in den Hohlräumen (Glasblasen) im Gestein.
In Europa ist das rote Schlackenagglomerat durch seine Farbe und seinen Aufbau (Verkittung) einmalig. Herr Schönert erzählte, dass früher eine Tonne von der roten Basaltlava 1800 DM auf dem Markt eingebracht hatte. In Steinbrüchen gibt es verschiedene Basaltarten. Schönert zeigte uns verschiedene Gesteinsarten, die wir hochheben konnten. Granit war schwerer als Basalt, weil Basalt mehr Löcher und Granit keine Löcher hat.
Das Interview über die Arbeit im Steinbruch führten wir mit Herrn Noll. Als der Steinbruch noch jung war, schlugen die Arbeiter noch mit Axt, Hacke und Eisenkeilen den Stein aus der Wand. Später benutzten sie einen sogenannten Luftmeisel (Kompressor). 1947 kam die große Schrämsäge in den Steinbruch. Ab da konnten größere Steinblöcke aus der Wand gewonnen werden. Im Schnitt waren 15 bis 20 Arbeiter im Steinbruch beschäftigt. Rund 150 Jahre war der Steinbruch im Betrieb. Das Gestein sägten sie in kleinen und auch großen Blöcken von ein bis zwei Meter Kantenlänge aus der Wand.
Mopsfledermaus fühlt sich wohl
Das Schrämschwert der Schrämmaschine ist ungefähr zwei Meter lang. Die Steinsäge wird von einem Elektromotor angetrieben. Um einen großen Steinblock durchzusägen, brauchten die Arbeiter ungefähr eine halbe Stunde. Das größte Werkzeug im Steinbruch ist der Derrick-Holzkran. Er ist ein Holzgestell mit einem Flaschenzug. Das Seil des Krans ist 360 Meter lang. Bis zu fünf Tonnen kann er heben. Die Steinblöcke wurden mit Loren und Plattentransportwagen auf einem Feldgleis transportiert. Die Arbeit im Steinbruch war sehr hart und heute sieht man immer noch die Spuren der Werkzeuge an den Wänden. Den roten Vulkanstein nutzte man zu Anfang für die Auskleidung von Backöfen in den Backhäuser, weiterhin für den Hausbau und auch für Denkmäler (Altäre und Steinkreuze) ebenso für die Bildhauerei und viele andere Sachen. Ein Beispiel für die Bildhauerkunst ist der große Steinkreis im Innenhof am Omega-Haus in Offenbach am Kaiserleikreisel.
Nach den Interviews gingen wir in den Steinbruch hinein. Herr Noll startete die große Schrämsäge und zeigte uns das Windenhäuschen des Holzkrans. Dort roch es nach Öl und Fett. Eine Gruppe sortierte Pflanzenbilder echten Pflanzen zu. Wir gingen hinab zur untersten Abbau-Ebene und blickten auf die 25 Meter hohe Südwand mit den Spuren der Säge.
Im Steinbruch leben viele seltene Tiere und Pflanzen. Am Eingang des Steinbruchs gibt es eine große Abraumhalte, in denen sich heute Eidechsen, Schlingnatter und anderes Kleingetier sehr wohl fühlt. Die Spalten in Steinwänden und Steinblöcken dienen nun als Unterschlupf, sogar für die fast ausgestorbenen Mopsfledermaus.
Viele Pflanzen wachsen im Biotop Steinbruch, wie im Moment die Golddistel, die Königskerze, der Seidelbast, der Natternkopf und die Karthäusernelke. Auf diese Pflanzen ist der Verein besonders stolz, weil sie in der Monokultur vor dem Steinbruch selten vorkommen.
Der Steinbruch in Michelnau wurde Ende der Achtzigerjahre stillgelegt. Den Verein Freunde des Steinbruchs Michelnau gibt es seit 2010. Er sanierte und reparierte Gebäude und Maschinen, so zum Beispiel den Holz-Derrick-Kran. Damit sich die Pflanzen im entstandenen Biotop gut entwickeln konnten, nahm der Verein Brombeerhecken und andere Sträucher und Pioniergehölze heraus. Das war auch für den wertvollen Magerrasen von Vorteil.
Am Ende durften wir uns etwas von dem roten Vulkangestein aussuchen und mit nach Hause nehmen. Es war ein schöner Tag im Steinbruch Michelnau.
geschrieben von der Klasse 4b: Julie Ahlers, Tobias Amrosik, Cristian Anghel, Luis Arpaz, Justus Bosold, Bedirhan Cengiz, Ayla Güzoglu, Simon Knies, Sebastian Knoll, Paul Kossek, Victoria Ott, Henry Safer, Kaenat Safi, Felix Schiel, Hawas Semuqi, Doha Tadil, Delissia Wieser, Julian Wrubel und Yeshim Yusein.