1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis
  4. Reichelsheim

Reichelsheim: Schwerer Raub in Blofeld 2003 - Spuren nicht ausreichend verfolgt?

Erstellt:

Von: Emanuel Zylla

Kommentare

SchwererRaubinReichelshe_4c
Rechtsanwalt Alexander Hauer (r.) verteidigt den Angeklagten, der seit März 2022 in der Gießener JVA in Untersuchungshaft sitzt. © Emanuel Zylla

2003 sich in Blofeld ein besonders schwerer Raub ereignet. Im bislang ungeklärten Fall steht derzeit ein 58-Jähriger Mann vor Gericht. Kripo-Beamte sagen aus, damals sei die Polizei diversen Hinweisen nicht nachgegangen.

Wurde bei einem Cold Case aus dem Jahr 2003 nachlässig von der Polizei ermittelt? Das zumindest ging aus den Aussagen von zwei Ermittlern der Kriminalpolizei Friedberg hervor, die den Fall seit 2021 erneut untersucht haben. Sie sagten vor dem Landgericht Gießen am Dienstag unter Vorsitz von Richter Peter Neidel aus. Ihre Ermittlungen haben dazu geführt, dass ein 58-Jähriger in Untersuchungshaft genommen wurde.

Ihm wirft Staatsanwältin Dr. Julia Vorländer eine Beteiligung bei einem besonders schweren Raub in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub in Reichelsheim-Blofeld vor knapp 20 Jahren vor. Bei dem Einbruch von drei bewaffneten Männern in ein Einfamilienhaus sei ein Mann schwer verletzt und eine fünfstellige Geldsumme erbeutet worden.

Schwerer Raub in Blofeld: Modus Operandi soll sich ähneln

Ein Kriminalhauptkommissar der Kripo in Friedberg sagte aus, er sei bei seinen Ermittlungen auf zwei Fälle von 2003 gestoßen: Zum einen auf den verhandelten Fall in Reichelsheim-Blofeld sowie einem in Büdingen-Vonhausen. In der Akte zu Blofeld sei ihm aufgefallen, dass »einigen Ermittlungsansätzen nicht ausreichend nachgegangen wurde«. Er habe zudem eine Verbindung zwischen den beiden Fällen verfolgt und konnte sich nicht erklären, warum das nicht schon bei den damaligen Ermittlungen vor knapp 20 Jahren geschehen ist. Der Name eines aktenkundige Planers von Einbrüchen fiel in der Gerichtsverhandlung immer wieder. Er habe dem staatenlosen und in Serbien geborenen Angeklagten 2005 nicht nur eine Wohnung in Rodgau (Landkreis Offenbach) gestellt, er sei zudem für Materialbeschaffung und Organisierung diverser Verbrechen zuständig gewesen. Seine zur Verfügung gestellte Wohnung soll auch als Unterschlupf für eine Diebesbande gedient haben.

Die Fälle aus 2003 sollen laut dem Kripo-Beamten einen vergleichbaren Modus Operandi haben. Die Gruppe soll sich »Soldaten« genannt haben. In Blofeld trugen die Täter, nach Angaben der Staatsanwaltschaft, neben Sturmhauben auch Militärjacken. Auch hätten die Täter - ähnlich wie in Blofeld - einen telefonischen Hinweis an Dritte auf ihr gefesseltes Opfer gegeben. »Das ist schon ein sehr seltenes Vorgehen«, sagte einer der Ermittler aus. »Ein Merkmal beider Taten sind zudem die gefundenen Schusswaffen mit Schalldämpfern gewesen.«

Schwerer Raub in Blofeld: Was hat es mit Theo-Waigel-Maske auf sich?

2004 sei dann eine Wohnung in Bad Nauheim von der Polizei durchsucht worden. Dort sei Diebesgut von einem Einbruch in ein örtliches Seniorenheim gefunden worden, sagte der Kripo-Ermittler. Damals habe man auch einen Handschuh mit DNA-Spuren an diesem Tatort entdeckt. Laut den Akten habe es eine Übereinstimmung mit DNA-Spuren vom Tatort in Blofeld gegeben. In der durchsuchten Wohnung in Bad Nauheim sei auch eine Schusswaffe gefunden worden. Später habe sich bei den Ermittlungen herausgestellt, dass die Wohnung vom Angeklagten bewohnt wurde. Er habe damals ausgesagt, dass er die Gegenstände dort für jemanden lagerte. Warum das keinen Einzug in die Blofeld-Akte erhielt, auch das konnten sich die beiden Kripo-Beamten nicht erklären.

In der Rodgauer Wohnung von 2005, dem Unterschlupf der Diebesbande, sei der Angeklagte damals bereits verhaftet worden. Auch in dieser Wohnung sei eine funktionierende Schusswaffe und ein Schalldämpfer sichergestellt worden sowie gefälschte Pässe und Maskierungen. Darunter sei auch eine Theo-Waigel-Maske gefunden worden. So eine sei laut Staatsanwaltschaft auch 2003 nach dem Blofeld-Raub von den Einbrechern verwendet worden. Auch das sei laut den Cold-Case-Ermittlern nicht mit Blofeld in Verbindung gebracht worden.

Schwerer Raub in Blofeld: DNA an Getränkeflasche

Die Zeugen ergänzten, dass 2010 ein Hinweis bei damaligen Ermittlern eingegangen sei, der den Angeklagten, den erwähnten Organisator der Einbrüche und eine weitere Person mit geplanten, aber nicht durchgeführten Verbrechen in Verbindung brachte. Zudem sei eine in Blofeld gefundene Getränkeflasche, mit DNA-Spuren des Angeklagten, mit bereits vorliegenden DNA-Proben abgeglichen worden.

Das habe ergeben, dass der Angeklagte die Spuren an der Flasche mitverursacht haben könnte. »Trotzdem wurde danach das Verfahren mangels Tatverdacht gegen alle eingestellt«, sagte einer der Kripo-Beamten aus.

Schwerer Raub in Blofeld: Angeklagter bestreitet die Tat

Zur Vernehmung des Angeklagten in der JVA Gießen sagten beide Kripo-Beamten im Prozess aus, dass er die Tat in Blofeld bestreitet. Er behauptete, zu dem Zeitpunkt in Afrika gewesen zu sein. Das sei jedoch nach so langer Zeit nicht mehr überprüfbar, erklärten die Kripo-Beamten. Dass seine DNA-Spuren an der Getränkeflasche in Blofeld gefunden worden sind, habe der Angeklagte damit begründet, dass sie damals von jemandem aus seiner einstigen Unterkunft in Rodgau mitgenommen worden sein könnte.

Die Ermittlungen seit 2021 in dem Cold Case haben zum Haftbefehl gegen den Angeklagten geführt. Der Mann wurde laut Staatsanwaltschaft bei einem Autounfall in Altenstadt verhaftet und sitzt seit März 2022 in Untersuchungshaft. Heute wird die Verhandlung am Gießener Landgericht mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt.

Hintergrund: Was passierte 2003 in Blofeld?

Laut Staatsanwaltschaft ereignete sich das Verbrechen in der Nacht zum 20. Mai 2003. Der Angeklagte sei mit zwei derzeit unbekannten Komplizen in ein Einfamilienhaus in Blofeld eingebrochen. Die Männer seien maskiert und bewaffnet gewesen. Dem einzigen Hausbewohner, der später in der Nacht heimkam, sei eine Waffe mit Schalldämpfer an den Kopf gehalten worden. Er sei von den Räubern mit Fäusten und Schlagstöcken verletzt und gefesselt worden.

Die Täter haben bei diesem Raub Geld und Gegenstände im Gesamtwert von etwas mehr als 22 000 Euro erbeutet . Mit dabei waren auch 3000 Euro, die einer von ihnen maskiert in einer Bankfiliale mit der gestohlenen EC-Karte des Opfers abgehoben hat. Die PIN dafür sei unter Androhung von weiterer Gewalt von ihnen in Erfahrung gebracht worden.

Die Räuber hätten noch in der selben Nacht eine Frau telefonisch kontaktiert und ihr einen Hinweis gegeben, dass das Opfer gefesselt in seinem Haus liegt. Am frühen Morgen sei er von ihr befreit worden, die Täter konnten unerkannt fliehen. Der Fall bleibt bis heute ungeklärt.

Auch interessant

Kommentare