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Seltene Vögel im Ried begeistern Vogelkundler aus ganz Deutschland

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Viele Vogelkundlerinnen und Vogelbeobachter bewundern den seltenen Gast. © pv

Seit einigen Tagen besuchen Vogelkundler aus ganz Deutschland das Bingenheimer Ried besuchen. Der Grund: Im Naturschutzgebiet konnten gleichzeitig vier sehr seltene Vogelarten beobachtet werden.

Vogelbeobachter, die am 29. Juli am Naturschutzgebiet Bingenheimer Ried ankamen, konnten nicht ahnen, wie besonders die kommenden Stunden werden würden: Zusätzlich zu den in Hessen seltenen Arten Teichwasserläufer und Löffler, die schon einige Tage anwesend waren, entdeckten sie einen Tundra-Goldregenpfeifer. Diese in der Tundra von der Jamal-Halbinsel in Sibirien ostwärts bis Alaska brütende und von Ostafrika über Indien bis Neuseeland überwinternde Watvogelart wurde damit zum ersten Mal in Hessen gesichtet.

Wichtige Merkmale des Tundra-Goldregenpfeifers sind seine grauen Unterflügel und die sehr langen Beine, die im Flug die Spitze der Schwanzfedern überragen. »Seine nächstgelegenen Brutgebiete sind etwa 4000 Kilometer entfernt, entsprechend selten ist dieser Regenpfeifer in Deutschland zu sehen«, sagt Udo Seum, Arbeitskreisleiter der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON). Wenn überhaupt, dann treten einzelne Tiere meist an den Küsten von Nord- und Ostsee auf. In der Südhälfte Deutschlands wurde die Art zuvor erst dreimal bestätigt.

Erfreuliches Brutergebnis

Die vielen Beobachterinnen und Beobachter, die daraufhin den Regenpfeifer bewunderten, fotografierten noch am selben Tag einen Zwergadler, von dem es bisher nur zwei bestätigte Sichtungen in Hessen gab. Mit den insgesamt vier Seltenheiten - Teichwasserläufer, Löffler, Tundra-Goldregenpfeifer und Zwergadler - sind in den vergangenen Tagen insgesamt 106 Vogelarten im Gebiet gemeldet worden, darunter allein 15 Enten- und Gänsearten sowie 19 Watvogelspezies.

Die nun weitgehend abgeschlossene Brutsaison ist nach den Ergebnissen der HGON sehr günstig verlaufen. Walter Schmidt vom Forstamt Nidda freut sich: »Dank dem Prädatoren-Schutzzaun und dem hohen Frühjahrswasserstand gab es mit Lachmöwe und Rothalstaucher zwei in Hessen sehr seltene Vogelarten, die erstmals erfolgreich Junge im Bingenheimer Ried aufziehen konnten.« Für die Lachmöwe (s. unten) stellt die Ansiedlung einer kleinen Brutkolonie sogar den ersten Nachweis erfolgreicher Bruten für den gesamten Wetteraukreis dar.

Insgesamt sieben Entenarten konnten ihre Jungen im Gebiet aufziehen. Darunter erstmals seit vielen Jahren die seltene Krickente, die kleinste europäische Entenart, und deutlich mehr der seltenen Tafel-, Reiher- und Schnatterenten als im vorigen Jahr. Löffelenten breiteten sich nach dem außerordentlichen Bruterfolg im Vorjahr nun mit Brutbeobachtungen in sieben Gebieten deutlich aus. »Sogar zwei Bruten im Landkreis Darmstadt-Dieburg gehen sehr wahrscheinlich auf die Jungvögel zurück, die im letzten Jahr im Bingenheimer Ried groß geworden sind«, berichtet der Vogelexperte Stefan Stübing von der HGON.

Sehr bemerkenswert waren auch balzende Kraniche, die in den kommenden Jahren möglicherweise im Gebiet brüten werden. Damit nicht genug: Etwa die Hälfte des hessischen Brutbestands der Bekassine waren in diesem Jahr im Ried zu Hause, und beim Kiebitz ist mit weit über 100 Familien ein Rekordergebnis zu verzeichnen, wie es in Hessen schon seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen ist.

»Insgesamt hat das Bingenheimer Ried aktuell für 25 Brutvogelarten regionale oder überregionale Bedeutung«, fasst Stübing die Beobachtungen in diesem Jahr zusammen. Dies und die vier Seltenheiten bestätigen einmal mehr, dass das von der HGON ehrenamtlich betreute Bingenheimer Ried eines der wichtigsten Brut- und Rastgebiete in der Südhälfte von Deutschland ist.

Beobachtungstipps

Wer das Gebiet besuchen möchte, startet vormittags am besten am ausgeschilderten Parkplatz »Bingenheimer Ried« in Bingenheim und geht von dort zum Beobachtungsturm. Das Licht kommt dann für die Beobachtung besonders günstig von hinten oder der Seite. Am Nachmittag sind die Beobachtungsbedingungen meist auf der Westseite besser, die zu Fuß vom Parkplatz am Friedhof in Gettenau oder vom Bauhof Heuchelheim erreicht werden kann. Dort hält sich auch der Tundra-Goldregenpfeifer häufig auf. Aufgrund der größeren Entfernung zu vielen im Gebiet rastenden Vögeln ist für die Beobachtung ein Fernglas sinnvoll. Ein Tipp der HGON: Falls Vogelkundler mit Spektiv anwesend sind, einfach nach »dem seltenen Regenpfeifer« fragen und so einen Blick mit bis zu 60-facher Vergrößerung auf den Vogel werfen.

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Der Tundra-Goldregenpfeifer aus Ostsibirien ist jetzt im Bingenheimer Ried beobachtet worden - und damit erstmals in Hessen. © pv

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