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Richter: Schuld korrekt beurteilt

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Die massiven Schäden an den Fahrzeugen lassen die Geschwindigkeit erahnen, mit der der Audi der Angeklagten mit dem Fiat kollidierte. © Oliver Potengowski

Eine 22-jährige Gedernerin, die im Mai 2021 bei Merkenfritz einen Unfall mit zwei Toten verursachte, hat mit ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil keinen Erfolg. Richter Holtzmann lässt in der Verhandlung am Landgericht Gießen keinen Zweifel daran, dass das Amtsgericht Büdingen die Schuld der Angeklagten korrekt beurteilt hat.

Mit einer Geldstrafe von 900 Euro und drei Monaten Fahrverbot war das Urteil des Amtsgerichts Büdingen gegen die 22-Jährige mild ausgefallen. Dass die Geldstrafe so niedrig ausfiel, war auch durch die Einkommensverhältnisse der Angeklagten begründet. Sie lebt mit ihrem Kind im Haushalt ihrer Eltern und bezieht Kinder- und Elterngeld, Kindesunterhalt und Sozialleistungen. Daraus errechnete das Gericht einen Tagessatz von zehn Euro für die Bemessung der Geldstrafe.

»Die Kammer verhehlt nicht, dass für sie nicht nachvollziehbar ist, warum die Fahrerlaubnis nicht entzogen worden ist«, übte Holtzmann Kritik an der Entscheidung des Amtsgerichts. Das wäre zur Gefahrenabwehr angezeigt gewesen. »Die Staatsanwaltschaft würde sogar eine höhere Strafe für Tat und Schuld angemessen halten«, betonte deren Vertreter in seinem Plädoyer. Das sei jedoch nicht möglich, weil die Angeklagte das Rechtsmittel der Berufung gewählt habe.

Mit Ausnahme der Angeklagten und ihres Verteidigers ließen die Prozessbeteiligten keinen Zweifel daran, dass sie diese für uneingeschränkt verantwortlich am Tod zweier Menschen halten. »Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird«, zitierte Holtzmann aus der Straßenverkehrsordnung.

Denkbar knappes Schlusswort

Wie bereits in der ersten Instanz hatte der Sachverständige, der an den Unfallort gerufen worden war, eine zu hohe Geschwindigkeit bei mindestens feuchter Fahrbahn und abgefahrenen Reifen benannt. Die Grenzgeschwindigkeit, mit der die Kurve unter optimalen Bedingungen sicher durchfahren werden könne, betrage 120 Stundenkilometer. Holtzmann betonte, dass der Audi der Angeklagten sich »nicht in einem Idealzustand« befand. Trotzdem sei sie in der Kurve zu schnell gefahren.

Der Sachverständige hatte festgestellt, dass die Angeklagte beim Aufprall gegen den Fiat 500 noch »100 km/h +/- 10 km/h« schnell war. Der Fiat war durch die Kollision in eine Wiese geschleudert worden. Es sei anzunehmen, so der Sachverständige, dass der Audi durch das Ausbrechen und Schleudern vor dem Zusammenprall noch Geschwindigkeit abgebaut habe.

Dass die Angeklagte diesen Schleudervorgang nicht mehr habe kontrollieren können, nahm ihr Verteidiger zum Anlass, einen Freispruch für seine Mandantin zu fordern. Weder objektiv noch subjektiv sei der Unfall für die Mandantin vermeidbar gewesen, sagte er.

Auch der schlechte technische Zustand des Audis sei für die Angeklagte ohne technisches Vorwissen kein Grund gewesen, bei Nässe vorsichtiger zu fahren, »wenn schon der Kfz-Mechaniker davon ausging, dass mit diesem Fahrzeug bedenkenlos gefahren werden kann«. Dieser Darstellung der Aussage der Werkstattmitarbeiter, die Mängel an dem Audi reparieren sollten, widersprachen Holtzmann und die Staatsanwaltschaft entschieden. »Der Werkstattmitarbeiter hat nicht gesagt, dass das Fahrzeug unbedenklich geführt werden darf«, betonte Holtzmann.

Der Nebenkläger sah die Verantwortung der Angeklagten noch erheblich größer als Staatsanwaltschaft und Gerichte. Denn unmittelbar vor dem Unfall hatte sie trotz Verbots mit hoher Geschwindigkeit ein Auto überholt. Ohne diesen Überholvorgang hätte sie nicht auf die Geschwindigkeit beschleunigen können, die später zum Unfall führte.

Obwohl sich in zwei Gerichtsverfahren zahlreiche Prozessbeteiligte intensiv mit dem Unfall und seinen schweren Folgen befasst haben, scheint das bei der Angeklagten wenig Eindruck hinterlassen zu haben. Im Gegensatz zu ihren wortreichen Ausführungen zu den eigenen Verletzungen war ihr Schlusswort an die Familie des Nebenklägers denkbar knapp: »Ich möchte sagen, dass es mir weiterhin leid tut - ja.« VON OLIVER POTENGOWSKI

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