Drei Räder und 16 000 Kilometer - Manfred Lehr reist mit Sonnenkraft durch acht Länder

Seit August ist Manfred Lehr mit dem Solar Trike unterwegs. Er berichtet von Gastfreundschaft und schöner Natur. Die hat aber auch eine gewaltige Seite: Das zeigt ihm das Erdbeben in der Türkei.
Hinter Manfred Lehr und seinem Solar Trike geht allmählich die Sonne unter. Vögel und Grillen bringen sich in Stellung. Aktuell befindet sich der 58-Jährige auf der griechischen Insel Rhodos, wie er im Video-Chat erzählt. Im August 2022 machte er sich von Friedrichsdorf-Köppern auf in den Süden. Der Triker durchquerte Österreich, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und die Türkei. Dafür ließ er seine zweijährige Yogalehrerausbildung im Gesundheitszentrum Anima Mundi in Rosbach sowie seinen Minijob nach der Pensionierung bei der Deutschen Post vorübergehend ruhen.
Manfred Lehr informiert seine Familie, insbesondere die siebenjährige Enkeltochter, Jahre im voraus. Auch wenn seine Fahrt längst noch nicht vorbei ist, hat sich der Aufwand für ihn bereits gelohnt. Manfred Lehr möchte die vielen schönen Erlebnisse für immer in Erinnerung behalten.Dabei ist eine Weltreise mit dem Rad nicht ungefährlich. Manfred Lehr: »Eine Motorrad-Route ist locker dagegen.« Im Straßenverkehr wird ein Liegerad leicht übersehen, und auch im Südosten Europas können die Nächte im Winter frostig werden. Der 58-Jährige versucht die meiste Zeit im Zelt zu übernachten. Wenn die Umstände aber zu widrig sind, sucht er sich ein Hotel oder kommt bei Reisebekanntschaften unter. Dass Manfred Lehr wohlbehalten auf Rhodos angekommen ist, hat er seinem Bauchgefühl zu verdanken.
»Ich bin in Richtung des Erdbebengebiets gefahren und habe dann auf einmal gestoppt.«
»Ich bin die türkische Küste runtergefahren und wollte ursprünglich nach Adana. Vielleicht sogar mitten in das Erdbebengebiet«, sagt Manfred Lehr. Trotz Kälteeinbruch mit Schnee fährt der Triker entschlossen weiter. Von einem Erdbeben ist noch nichts zu spüren. Plötzlich ändert Manfred Lehr seine Meinung. »Ich bin in Richtung des Erdbebengebiets gefahren und habe dann auf einmal gestoppt. Ich habe zu mir gesagt: Ich bin mittlerweile 8 000 Kilometer weg von zu Hause. Ich bleibe jetzt hier stehen und fahre zurück.«
Die Landschaft habe nichts Neues mehr hergegeben, zudem sei ihm doch kalt geworden. Drei Tage später kam das Erdbeben. Es überraschte Manfred Lehr gegen 3 Uhr nachts. Erst denkt er an Muskelzuckungen vom vielen Fahrrad fahren. Dann sieht er den Horizont wackeln. Aber er weiß, das kann nicht sein. Die ganze Unterkunft muss wackeln und mit ihr Manfred Lehr im vierten Stock. Noch halb im Traum sagt er sich: »Okay, das wackelt hier irgendwie. Alles klar, gehst du wieder ins Bett.« Dann sei er wieder eingeschlafen.
Erst am nächsten Morgen im Frühstücksraum wird ihm das Ausmaß der Katastrophe bewusst. In den Nachrichten gibt es kein anderes Thema. Mit diesen Eindrücken im Hinterkopf fährt Manfred Lehr weiter die Mittelmeerküste hoch. Als er bei einem Campingplatz vor verschlossenen Türen steht, sucht er sich wieder ein Zimmer. »Am nächsten Tag kamen busseweise Leute angefahren, und jeder hatte nur eine Tüte in der Hand. Da wurde mir bewusst: Das müssen die Erdbebenopfer sein.« Neben ihm auf dem Balkon sieht er einen älteren Mann weinen. Manfred Lehr fühlt sich als einziger Tourist fehl am Platz und möchte keinem ein Zimmer wegnehmen. Am nächsten Morgen bricht er wieder auf.
Nächste Mission lautet: Zurück sein bis zum Geburtstag der Enkelin
»Spätestens am 16. Juli muss ich wieder zu Hause sein. Da hat nämlich meine Enkeltochter Geburtstag.« Manfred Lehr freut sich schon auf die Familie, Yoga, Tanzen und sogar die Arbeit am Schalter bei der Deutschen Post. Passend zum Endspurt winkten ihm Leute auf der Straße zu, die den Solar-Triker noch von der Hinreise kennen. In Griechenland riefen sie dann »Bravo«, in der Türkei »Maschallah«. Ständig bekomme er Geschenke - viele Orangen und dazu ein nettes Gesicht. Manfred Lehr: »Die Leute sind so freundlich. Und das zu erleben, ist einfach nur das Leben. Einfach schön.«
Klimafreundlich reisen mit dem Solar Trike
Das »Solar Trike« von Manfred Lehr ist im Grunde ein batteriebetriebenes Liegedreirad. Die Energie kommt aber nicht aus dem Stromnetz, sondern wird über Photovoltaik am Fahrzeug selbst gewonnen. Die Idee zu seinem »Sonnenrad« hatte Jürgen Burkholz. Manfred Lehr: »Die geistige Leistung kommt von meinem besten Freund.« Das Duo ist als »Luckytrikers« gestartet, im November hätten sich ihre Wege im Guten getrennt. Auf dem Dach des Solar Trikes befindet sich eine Platte mit Solarzellen und auf dem Anhänger zwei weitere. Alles für den täglichen Bedarf trägt der 58-Jährige stets bei sich. Aufgrund des Gepäcks sei eine solche Fahrt ohne unterstützende Sonnenkraft kaum zu bewältigen. Mittlerweile ist Manfred Lehr total begeistert von seinem Fortbewegungsmittel: »Man liegt wie in einem Welnessstuhl und guckt die Sonne an.«