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Sicher in die Wetterauer Schulen kommen

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Am Mittwoch nach der sechsten Stunde an der Bushaltestelle »Solgraben« in Bad Nauheim. Vor wenigen Tagen ist hier ein Junge gegen den einfahrenden Bus gedrängelt worden. © Dagmar Bertram

Eineinhalb Jahre fuhren Verstärkerbusse auf besonders belasteten Buslinien im Wetteraukreis. Damit ist nun Schluss. Das Gedränge sei gefährlich, kritisieren Eltern.

Seit Herbst 2020 hatte die Verkehrsgesellschaft Oberhessen (VGO) im Wetteraukreis besonders belastete Linien in Stoßzeiten mit Verstärkerbussen ausgestattet. Mit dem Auslaufen vieler Corona-Maßnahmen wurden sie zu Beginn der Osterferien vom Kreis als Schulträger wieder abgesetzt - so auch in Rosbach.

Die Familie, die sich an diese Zeitung gewandt hat, wohnt in Rodheim. Die Söhne, zehn und zwölf Jahre alt, gehen auf die Ernst-Ludwig-Schule in Bad Nauheim. Bzw. sie fahren. Für die beiden heißt es: früh aufstehen, denn die beiden Busse der Linie 36 fahren gegen 7.15 Uhr in Ober-Rosbach ab; einer um 7.13 Uhr am Bahnhof, einer um 7.17 Uhr am Marktplatz.

An Haltestelle gestürzt

Zwar verkehren auch Züge ab Rodheim, mit Umstieg in Friedberg, doch der erste ist mit 6.51 Uhr Abfahrt recht früh dran, der zweite mit Ankunft 7.45 Uhr am Bad Nauheimer Bahnhof recht spät. Also fährt die Mutter ihre Söhne nach Ober-Rosbach - bis zu den Osterferien zur »Sang«, wo der Verstärkerbus startete. Was aber nicht bedeutete, dass es einen Sitzplatz gab. Auch andere Eltern berichten, dass der Verstärkerbus schon an dieser ersten Haltestelle »komplett überfüllt« gewesen sei.

Diese Situation hat sich mit dem Wegfall des Zusatzbusses verschärft. Die Mutter der Jungen schreibt der VGO: »Spätestens am Marktplatz ist der Bus so überfüllt, dass er eigentlich seine zulässige Anzahl zur Beförderung von Fahrgästen überschreitet. Das gleiche Vorgehen spielt sich mittags auf dem Rückweg ab.« Auch andere Eltern berichten: Der Bus »ist hoffnungslos überfüllt und stellt ein erhebliches Risiko für den unbeschadeten Transport der Schüler dar«. Oder: »Die Situation der Buslinie FB-36 ist für Schüler katastrophal und unzumutbar! Durch Wegfall des Verstärkungsverkehrs sind die Busse unerträglich überfüllt, so dass ich mir große Sorgen um die Unversehrtheit meines Kindes mache.«

Vor einigen Tagen nun kam es zu einer konkreten Situation, welche die Eltern befürchtet hatten. Der Vorfall betraf den zwölfjährigen Sohn der Rodheimer Mutter. Nach Schulschluss wartete er an der Haltestelle »Solgraben« in Bad Nauheim auf den Bus. Dabei wurde der Sechstklässler von einer Welle der hinter ihm stehenden Schüler erfasst, die beim Anblick des Busses auf diesen zueilten - um ja einen Sitzplatz zu bekommen, so die Mutter, weil die Busse bekanntermaßen überfüllt seien.

Ihr Junge wurde gegen den einfahrenden Bus gedrückt und ebenso wie eine Klassenkameradin zu Boden gerissen. Hinter ihnen stehende Schüler stolperten über und auf sie. Weitere Schüler stiegen über sie, um in den Bus zu gelangen, und traten dabei gegen den Kopf des Zwölfjährigen. Schlimm genug, aber: »Wäre das zehn Sekunden früher passiert, wäre er vor den Bus gefallen«, sagt seine Mutter. Sie mache weder den anderen Kindern noch dem Busfahrer einen Vorwurf. »Der VGO aber schon, weil sie die Situation nicht ändert. Dabei vertrauen wir ihr unsere Kinder an.«

Die Busse der Linie 36 seien zu Schulzeiten so überfüllt, dass es fragwürdig sei, ob dies nicht an grobe Fahrlässigkeit grenze. Die Kinder könnten sich nicht festhalten, so voll sei es, bzw. kämen nicht oben an die Haltestangen heran.

Kein Platz für Ranzen

Ihre Ranzen behielten sie auf, weil auf dem Boden kein Platz sei. Durch das hohe Gewicht auf dem Rücken würden sie aber leicht umfallen, wenn scharf gebremst werde. Der Platz für die Ranzen werde bei der Maximalkapazität nicht berücksichtigt. Für einen Gelenkbus seien 47 Sitz- und 108 Stehplätze angegeben. »Da passen höchstens 108 Schüler rein, wenn man sie stapelt.«

Auch im Hinblick auf die befürchtete noch höhere Nachfrage durch das 9-Euro-Ticket ist es aus Sicht der Eltern angebracht, wieder einen Zusatzbus einzusetzen. Notfalls nur im Winter, wenn weniger Schüler aus z. B. Ockstadt mit dem Rad zur Schule fahren. Gerne direkt ab Rodheim - dieser Wunsch finde indes seit über 20 Jahren kein Gehör.

Während die Mutter des Zehn- und des Zwölfjährigen sich an Bürgermeister Steffen Maar gewandt hat, der Kontakt zur VGO aufnehmen wolle, sagt ein anderes Elternteil: »Viele Eltern haben resigniert und fahren ihre Kinder mit dem Pkw zur Schule. Ich auch. Ich kann das ›bewusste‹ Risiko der Gesundheitsgefährdung meines Sohnes nicht akzeptieren. Ökologisch und ökonomisch eine Katastrophe.«

Das sagt die VGO

Die Verkehrsgesellschaft Oberhessen (VGO) sieht derzeit keine Notwendigkeit, einen Zusatzbus - unabhängig von der Corona-Entwicklung - auf der Linie FB-36 fahren zu lassen.

In den vergangenen Tagen seien zahlreiche Kontrollen auf der Linie durchgeführt worden: sowohl am Morgen an allen Haltestellen in Ober-Rosbach als auch am Mittag an den Haltestellen in Bad Nauheim (Gradierwerk/Am Solgraben). »Dabei waren keine Überlastungen der Fahrzeuge festzustellen. Es konnten alle Fahrgäste mitgenommen werden.« Die VGO erklärt: Aus Sicht des Gesetzgebers liege dann ein Kapazitätsproblem vor, wenn dauerhaft Fahrgäste an einer Haltestelle stehen blieben, d.h. nicht mitgenommen werden könnten.

Gespräche mit dem beauftragten Verkehrsunternehmen hätten die Erhebungsergebnisse bestätigt: Die von den Eltern beanstandeten Verbindungen seien zwar stets stark nachgefragt, »von einer Überlast kann aber nicht gesprochen werden«, so die VGO.

Auch die von den Schulen gemeldeten Schülerdaten bestätigten, dass die Kapazitäten ausreichen müssten.

Die Busfahrer hätten aber berichtet, dass das Verhalten der Schüler beim Einsteigen nicht von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt sei, wodurch es zu gefährlichen Situationen kommen könne. Eine solche musste vor einigen Tagen ein Rodheimer Sechstklässler in Bad Nauheim erleben, als er gegen einen einfahrenden Bus gedrückt wurde. »Selbstverständlich möchte weder das Verkehrsunternehmen noch die VGO, dass Personen zu Schaden kommen, und wir bedauern diesen Vorfall.« Doch sei es schwierig bzw. unmöglich, als Fahrer oder Unternehmen auf das Verhalten der Schüler einzuwirken. Man appelliere an die Schüler, sich mit rücksichts- und respektsoll zu verhalten, »damit so etwas in Zukunft vermieden werden kann«. Die Eltern sollten ihre Kinder auffordern, »sich ordentlich und besonnen an den Haltestellen und beim Einstieg zu verhalten«.

Befürchtungen der Eltern, dass die Busse noch voller werden, wenn das 9-Euro-Ticket kommt, teilt die VGO nicht. »Dass gerade diese Busse vor Schulbeginn und nach Schulende noch voller werden, halten wir für wenig wahrscheinlich.« Laut Umfragen würden die 9-Euro-Tickets überwiegend touristisch genutzt werden. Auch habe sich bei bisherigen Flatrate-Ticket-Angeboten die Nachfrage im lokalen Busverkehr kaum bemerkbar gemacht. Weil aber keine Erfahrungswerte vorlägen, könne niemand eine seriöse Aussage treffen, ob auch diese Busse betroffen sein werden.

Ein Bus fährt ab Montag, 16. Mai 2022, schon ab »Sang«

Zur Frage, warum der Bus nicht schon in Rodheim starten bzw. mittags bis dorthin fahren kann, heißt es, dies sei wegen der bestehenden Zugverbindung nicht vorgesehen. Alternativ wünschen die Eltern sich einen Zug ab Rodheim, der nicht schon um 6.51 Uhr, sondern erst gegen 7.10 Uhr nach Bad Nauheim fährt. Die VGO sagt: Die eingleisige Bahnstrecke sei hoch frequentiert; eine Verschiebung der Zeitlage derzeit nicht möglich.

Zur Verbesserung der morgendlichen Situation gebe es ab Montag, 16. Mai, aber diese Änderungen auf der Linie 36:

Die bisherige Fahrt 7.17 Uhr ab Ober-Rosbach Marktplatz beginnt bereits zwei Haltestellen vorher, nämlich um 7.14 Uhr am Halt »Die Sang«.

Der größere Gelenkbus wird zeitlich näher an die vorherige Fahrt geschoben, um zu verhindern, dass alle den ersten Bus nehmen wollen. Abfahrt ist um 7.10 Uhr ab Ober-Rosbach Bahnhof (bisher 7.13 Uhr); den Marktplatz erreicht er um 7.19 Uhr.

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