Spurensuche in unbekannten Terrains

Rosbach (sky). Die letzte Veranstaltung bei der diesjährigen »Open-Air-Kultur an der Wasserburg« war die Lesung mit Tim Frühling und seinem kürzlich erst erschienenen Sommerkrimi »Der Kommissar in Wanderschuhen«.
Seit zehn Jahren ist der vielseitige, aus Rundfunk und Fernsehen bekannte Moderator auch als Krimi-Autor unterwegs. Er begeisterte seine Leserschaft durch seine punktgenaue Wortwahl und tiefgehende Beobachtungsgabe, die alle Zuhörer präzise an die Orte des Geschehens führte und sie somit unmittelbar teilhaben ließ an dem spannungsreichen Geschehen, das sich da vor ihren Augen abspielte.
Frühling schlüpft in alle Rollen
Mühelos bewegte sich Frühling wie auf einer Schauspielbühne zwischen dem Hamburger Sven und seiner Freundin Tordis aus dem hohen Norden, sowie dem bayerischen Reiseführer Mo aus Rosenheim hin und her, dessen nerventötendes Gute-Laune-Gehabe wohl zur beruflichen Pflicht gehörte. Mit Hochgenuss und zur Freude seiner Zuhörer, widmete er sich gekonnt den Dialekten seiner Romanfiguren. Man spürte, wie er es förmlich auskostete, die Vielfalt der deutschen Sprache hervorzuheben und das Entdeckte mit seinen Zuhörern zu teilen. Nicht weniger talentiert erwies er sich als Charakterdarsteller.
Mit atemberaubender Geschwindigkeit schlüpfte Frühling in die Rolle der einfältig daher plappernden und wehleidigen Marlies aus dem Kohlenpott, mimte den Weltverbesserer Sven, oder Ute, die fesche Boutique-Besitzerin aus München.
Drei Paare und zwei Singles hatten sich also für die geführte Wanderung bei dem Veranstalter »Happytrecking« auf dem Hochrhöner Wanderweg von Bad Salzungen nach Bad Kissingen entschieden. Nicht alle hatten sich freiwillig mit auf den Weg gemacht. Detailreich und trotzdem kurzweilig beschrieb Frühling diese Route mit all ihrer Schönheit, so- dass man seiner Erzählung, die er geschickt hineingeflochten hatte, nur zu gern Glauben geschenkt hätte - wenn der Autor zu Beginn nicht ausdrücklich das Gegenteil betont hätte.
Die Spannung wuchs, als Frank während einer Zelt-Übernachtung auf einer einsamen Lichtung verschwindet. War es Mord, und wenn ja, wer war die Mörderin oder der Mörder? Diese künstlerische Gratwanderung zwischen Wahrheit und der erfundenen Geschichte ging seinen Zuhörern so richtig unter die Haut, oder besser gesagt: unter die Gänsehaut. Fast war man geneigt, beruflich umzusatteln und ins Metier der beiden Protagonisten zu wechseln: der Ermittlerin Brigitte Schilling und ihres Kollegen Daniel Rohde. Spannender und abwechslungsreicher als bei den beiden dürfte es wohl in kaum einem Berufsleben zugehen.
Und wer sich fragte, woher der Autor die vielen flotten (oder bewusst dummen) Sprüche hatte, die er seinen Wandergesellen in den Mund legte, der bekam (wie so oft) die Erklärung gleich mitgeliefert: »Ich habe einen Freund, der trägt ein Notizbuch mit gefühlt 300 albernen Sprüchen mit sich herum, da habe ich einfach abgeschrieben«, bekannte Frühling. Ob das allerdings auch wieder haarscharf an der Wirklichkeit vorbei war oder nicht, das mochte jeder für sich selbst entscheiden. In jedem Fall war jeder einzelne Spruch so pointiert und frech genau an die richtige Stelle gesetzt, dass die beabsichtigten Lachsalven nicht ausblieben. Hier stand ein Meister der Überraschungseffekte vor seinem Publikum und zog an allen Registern seines Instrumentariums.
Aus scheinbar banalen Zutaten formte er mit Augenmaß (und Fingerspitzengefühl für die richtige Dosis) ein einzigartiges Neues. Er nahm seine Zuhörer mit auf Spurensuche in unbekannte Terrains und eröffnete ihnen immer wieder erstaunliche Welten mit unzähligen Kurven und überraschenden Abgründen.
»Der Kommissar in Wanderschuhen« ist ein spannender, mit viel schwarzem Humor gespickter Blick in die menschliche Seele. Er ist gerade richtig für einen warmen Sommerabend an irgendeinem schönen Ort auf dieser Erde, oder für erholsame Stunden im Strandkorb, fernab von allen Alltagssorgen.