Schauspielerin Andrea Schneider: Von Eschenrod nach Mauritius

Von der Theater-AG an der Schule bis zum »Club Las Piranjas« auf Mauritius: Andrea Schneider aus Eschenrod hätte nicht gedacht, dass ihr Berufsweg sie einmal zum Feierabend-Absacker am Strand mit Hape Kerkeling, Cordula Stratmann und Benno Fürmann führt.
Die Lust, in andere Rollen zu schlüpfen, zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der 38-jährigen Andrea Schneider. Doch von der Küche in Eschenrod, wo sie als kleines Mädchen für die Großmutter Szenen aus »Peter Steiners Theaterstadl« nachspielte, bis in die Filmstudios von München war es ein weiter Weg.
Die Schauspielausbildung, die Andrea Schneider als Quereinsteigerin begann, war sehr praxisorientiert und schloss auch Randfelder wie das Synchronsprechen ein. In einem Punkt war sie unerbittlich: Das Eschenröder Platt musste aus ihrer Sprachmelodie verschwinden. Schon vor der Ausbildung moderierte Andrea Schneider bei einem Independent-Radiosender, es folgten Castings, Auftritte in Kurzfilmen sowie als Synchronsprecherin für Zeichentrickfilme. »Eine unerwartet reizvolle Aufgabe, vor allem bei Zeichentrickrollen: Da darf gebrummt, gequietscht, gefaucht werden«, schildert die Eschenröderin.
Immer wieder jedoch erlebte sich auch das Auf und Ab der beruflich Selbstständigen. Andrea Schneider bewarb sich bei vielen Castings, aus denen sich keine Rollenaufträge entwickelten. »Man braucht einen langen Atem, um sich in der Branche durchzusetzen«, sagt sie. Und Schneider machte zudem eine wichtige Erfahrung: »Mehrgewichtige Schauspielerinnen wie ich werden zu Castings erst gar nicht eingeladen oder, wenn sie doch eingesetzt werden, in zu engen Klamotten im wahrsten Sinn des Wortes in das Witzfigur-Klischee gepresst.« Ein äußerst enges »Schönheits«-Raster.
Einsatz für mehr Diversität
Doch solche Erfahrungen wurden für die 38-Jährige zu einem Impuls für mehr Selbstbewusstsein und für mehr Einsatz für mehr körperliche Diversität. »Wenn wir eine faire Gesellschaft wollen, dürfen wir Bodyshaming nicht tolerieren. Weg mit den Klischees. Mehrgewicht bedeutet nicht automatisch übermäßiges Essen und ungesundes Leben. Wir brauchen mehr Aufklärungsarbeit - nicht erst an den Filmsets, sondern schon in den Schulen. Es kommt auf Können an, nicht auf Kilos«, betont Schneider.
Das Vertreten dieser Position in der Filmbranche machte sie mutiger. Als der große Regisseur Michael Haneke (»Die Klavierspielerin«, »Das weiße Band«) europaweit mehrgewichtige Frauen für ein Filmprojekt suchte, meldete sie sich zum Casting und wurde zur Vorstellung in Hanekes eigene Produktionsfirma nach Wien eingeladen. Andrea Schneider: »Leider kam das Projekt nicht zustande. Schade - die Aufgabe hätte mich wirklich gereizt.«
Dafür blieben andere Aufträge nicht aus. Andrea Schneider bekam Rollen in der Joyn-Web-Serie »Single’s Diaries«, bei »Gute Zeiten, schlechte Zeiten«, in Krimis wie dem ARD-Tatort »Kehraus« und drehte kürzlich für die ZDF-Serie »Der Alte«. Sie gehörte zudem zum Hauptcast der WDR-Comedy-Show »Nicht dein Ernst?«.
Im vergangenen Jahr kam dann die große Überraschung. Sie hatte sich für die vierteilige RTL-Serie »Club Las Piranjas« beworben. Lange hörte sie nichts, doch dann kam plötzlich eine Einladung zum Casting - und zwar als Viola Rühmann an der Rezeption. Wer sich die vierteilige Serie im Stream auf RTL+ schon angeschaut hat, muss sagen: Das hat gepasst. Die Rolle der patenten Frau, die nichts so schnell aus der Ruhe bringen kann, scheint Andrea Schneider auf den Leib geschrieben. Später im Jahr soll die Serie auf RTL ausgestrahlt werden.
Traumrolle: Eine zähe Juristin
Zehn Wochen Dreh auf Mauritius folgten. »Die Insel ist traumhaft, und beim Dreh gab es die Turbulenzen, die einfach bei Filmen dazugehören, ein Dauerregen etwa, der kurz vor einer geplanten Nachtaufnahme einsetzte. Die musste verschoben werden«, schildert die Schauspielerin. Und die Teamarbeit mit Größen aus Film und Unterhaltung - klappte das oder mussten Starallüren ertragen werden? Andrea Schneider: »Überhaupt nicht. Hape Kerkeling ist ein unfassbar offener und zugänglicher Mensch, kein launischer Star. So was strahlt aus, ich habe die Stimmung im Team als kollegial empfunden.«
Wie sehen die weiteren Pläne der Eschenröderin aus? »Ich habe Angebote, ich nehme mit Carolin Karnuth im Podcast ›Popculturellas‹ die Unterhaltungsbranche aufs Korn. Und ich wünsche mir eine Traumrolle: Ich möchte eine Juristin spielen, die sich gegen Vorurteile und Vorverurteilungen einsetzt, die pfiffig und zäh Menschen zu ihrem Recht verhilft. Und ab und zu möchte ich auch wieder nach Eschenrod - da ist meine Familie, da komme ich her.«
Dem Schauspiel-Traum ist Andrea Schneider stets treu geblieben: in der Theater-AG der Schule, bei der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin auf Rat der Familie (»Kind, lern lieber einen soliden Beruf!«), nach dem Umzug nach München, wo die junge Frau bei Werbeagenturen und dann als Sekretärin an einem Max-Planck-Institut arbeitete - direkt mit Blick auf das beliebte Münchner Residenztheater. Das zog unwiderstehlich an: Schneider bewarb sich bei mehreren Schauspielschulen, konnte gerade noch unter der Altersgrenze von 24 Jahren durchschlüpfen und wurde nach dem Vorsprechen bei der Schauspiel München aufgenommen. »Von Schotten aus hätte ich das wahrscheinlich nicht geschafft«, sagt sie. VON ELFRIEDE MARESCH