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Schmuckstück von 1927: Historischer Metzgerladen in Büdinger Altstadt hat »neue« Attraktion

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Von: Björn Leo

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leo_museum4_030323_4c © Björn Leo

Der Verein Büdinger Metzgermuseum zählt zu den rührigsten in der Kernstadt. Pünktlich zum Saisonbeginn präsentieren die Mitglieder eine Berkel- Aufschnittmaschine aus dem Jahre 1927.

Für Außenstehende mag es nur eine Maschine sein, die noch dazu aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Wer aber ein gutes Stück Wurst, das Metzgerhandwerk und die regionale Expertise zu schätzen weiß, wird allein schon beim Anblick der Aufschnittmaschine aus dem Hause Berkel ahnen, welches Schmuckstück der Verein Büdinger Metzgermuseum da erstanden hat. Das Modell 7 aus dem Jahre 1927 gehört zu einer Serie, die Willhelmus Adrianus van Berkel in Holland zu Beginn des 20 Jahrhunderts entwickelt hat, um die Arbeit der Metzger zu erleichtern. In der Altstadt wird die restaurierte Maschine künftig nicht nur als filigranes Ausstellungsstück zu bewundern sein. Sie wird zudem regelmäßig zum Einsatz kommen. Schon an diesem Samstag wird Metzgermeister Reiner Reutzel aus Bindsachsen auf ihr Schinken schneiden.

Finanzieller Kraftakt

Der Verein schlägt damit ein weiteres bemerkenswertes Kapitel seiner eng mit der Geschichte der Stadt verbundenen Chronik auf. Im Verkaufsraum des Historischen Metzgerladens an der Zufahrt zum Altstadtparkplatz ist die Berkel-Aufschnittmaschine neben der Majolika-Fleischtheke aus dem Hause Villeroy & Boch ein richtiger Hingucker. Metzgermeister Fritz Albert und sein rühriger Verein hatten sie bei Oliver Kübe, einem Fachmann, der auf den Verkauf und die Restaurierung von Berkel-Maschinen spezialisiert ist, bekommen. »Das war für den Verein durchaus ein finanzieller Kraftakt«, betont Albert, ohne einen genauen Preis zu nennen. Nur so viel: »Nachbauten kosten 7000 bis 8000 Euro, aber warum sollten wir unseren Gästen nicht ein Original vorführen?«, so der Vorsitzende. So kam am Ende wohl fast das Doppelte zusammen.

Ideengeber und Vermittler war Reiner Reutzel, der eine Maschine aus der selben Bauserie sein Eigen nennt und gelegentlich noch damit arbeitet. Reutzel, der in der Region nicht zuletzt aufgrund seiner Metzgerei und der Gaststätte Dorfschänke in Bindsachsen bekannt ist, wusste auch um Oliver Kübe, der in Bammental bei Heidelberg in der ehemaligen Güterhalle des Bahnhofs eine Werkstatt mit Ausstellungsräumen betreibt. Fritz Albert gerät ins Schwärmen: »Der Mann ist Spezialist und bringt alle Maschinen aus dem Hause Berkel wieder in Schuss. Manche sind mehr als 100 Jahre alt. Ein richtiges Eldorado.«

Eine Berkel also - in Fachkreisen und vor allem in der Gastronomie ein Name, der für Qualität und ja, auch für einen gewissen Lebensstil steht. In Italien sind die Produkte weit verbreitet, Restaurants auf gehobenem Niveau, die zumal auf italienische Küche setzen, besitzen fast alle eine. Ästhetik, Schönheit, Wertigkeit und natürlich die geschmeidige Bedienung sind es, die Berkel-Maschinen auszeichnen.

Wie auf Kommando dreht Fritz Albert am Schwungrad, auf dem die Herkunft mit goldbrauner Schrift hervorgehoben ist: v. Berkels Patent, Rotterdam, Holland. Wenn Reiner Reutzel am Samstag daran dreht, schneidet die Maschine 38 Zentimeter breite Schinkenscheiben der Landmetzgerei Nagel aus Büches. In den Folgewochen kommt freilich auch die Wurst der Metzgereien Frühling und Reibert (früher Jöckel) in den Genuss der Edelschnitte. Feinste Mechanik sorgt für die entsprechende Schnittstärke. Keine Frage: Das Gerät, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg zum Statussymbol entwickelt hat, versprüht auch in Büdingen jede Menge Raffinesse.

Der Jugendstilfuß mit Monogram des Erfinders und Frühlingsblühern stammt aus dem Jahre 1914. Die Maschine fügt sich wunderbar ins Ensemble des Ladens ein, der an die Zeit um 1900 erinnert. Die 25 Quadratmeter laden ein zu einer Zeitreise, auf der man dennoch nie das Gefühl bekommt, in einem Museum zu sein. »Wir sind sehr froh, dass die Saison startet«, sagt Fritz Albert, der vor allem den Einsatz der 22 Aktiven aus dem 36 Mitglieder zählenden Verein hervorhebt. Ob beim Frühjahrsputz unter der Woche, beim Thekendienst oder im Zuge von Führungen - alles geschieht ehrenamtlich und im Sinne der jüngeren Geschichte der ehemaligen Kreisstadt. Der Verein rückt das Metzgerhandwerk, dem in Büdingen in den 50er Jahren allein in der Kernstadt noch zwölf Betriebe nachgingen, in den Fokus und bietet dem verbliebenen Trio in der Großgemeinde die Gelegenheit, auch außerhalb der Geschäftszeiten auf seine Arbeit und Angebote aufmerksam zu machen. Im Gegenzug, betont Fritz Albert, unterstützen die Metzgereien Frühling, Nagel und Reibert die Museumsarbeit auch finanziell.

Treffpunkt in der Altstadt

Dem Verein ist es in jedem Fall gelungen, den Historischen Metzgerladen zu einem Büdinger Treffpunkt zu entwickeln. Vor allem dann, wenn es am Wochenende Wurst der heimischen Metzgereien zu kaufen gibt. Dort treffen die Pflege der Tradition aufs gepflegte Stadtgespräch, an der Theke und unweit der Mühltorbrücke kommen Anwohner, Büdinger und Touristen zusammen, die zumindest einen kleinen Teil dazu beitragen, dass die Altstadt lebendig bleibt und sich eben nicht zur Staffage einer Stadt entwickelt, von der man aktuell nicht so genau weiß, wohin der Weg sie führt.

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leo_museum6_030323_4c_1 © Björn Leo
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leo_museum2_030323_4c © Björn Leo
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leo_museum5_030323_4c © Björn Leo

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