Schnellere Verkehrswende im Fokus

Nach zweijähriger Pause wegen der Corona-Pandemie hatte der Wetteraukreis wieder zu einem Neujahrsempfang eingeladen - in gewohnter Umgebung, ohne Mundschutz und Abstand. Gastredner und RMV-Geschäftsführer Professor Knut Ringat sprach über die Herausforderungen für den öffentlichen Personennahverkehr.
Die Freude unter den 160 Gästen im Plenarsaal des Kreishauses in Friedberg war deutlich zu spüren: Endlich fand wieder ein Neujahrsempfang des Wetteraukreises mit Gesprächen zu zweit, zu dritt oder in Gruppen statt. »Hinter uns liegt eine herausfordernde Zeit, die vor allem von den Einschränkungen geprägt war, die uns die Corona-Pandemie auferlegt hat«, stellte Landrat Jan Weckler (CDU) fest.
Die Pandemie habe an Bedeutung verloren, andere Krisen seien in den Vordergrund gerückt, etwa das weltweite Fluchtgeschehen oder die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Weckler ging insbesondere auf die durch den Krieg hervorgerufene Energiekrise und deren Auswirkungen auf die Mobilität ein.
Der Wetteraukreis sei ein Flächenlandkreis, in dem der ländliche Raum eine große Rolle spiele. Deshalb stelle sich angesichts der hohen Energiepreise die Frage, wie die Verkehrsströme und -mittel der Zukunft aussehen könnten und welche Weichen gestellt werden müssten, damit auch im ländlichen Raum alternative Mobilitätsformen angenommen würden.
Mit Blick auf den Klimaschutz warf Weckler zudem die Frage auf, wie man erreichen könne, dass weniger Strecken mit dem Privatauto gefahren würden.
Der Wetteraukreis habe dafür viel Geld in die Hand genommen und beispielsweise mit dem Regionalverband FrankfurtRheinMain, dem RMV und der Hochschule RheinMain das Projekt »Mobilitätsstationen« ins Leben gerufen. Weckler: »Doch das sind nur erste Schritte in die hoffentlich richtige Richtung.«
Der Gastredner des Neujahrsempfangs, RMV-Geschäftsführer Professor Knut Ringat, bezeichnete die aktuelle Situation als große Herausforderung für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Das gemeinsame Ziel müsse sein, die vereinbarten Klimaziele zu erreichen - und das geht seiner Meinung nach nur, wenn mehr Menschen mit Bus und Bahn fahren. Erreiche Deutschland die Klimaziele nicht, drohe der Bundesregierung eine Strafzahlung in Milliardenhöhe an die Europäische Union (EU).
Kommt Jahrzehnt des Planens?
Das kann laut Ringat abgewendet werden, wenn der Bund nur einen Bruchteil der Summe, die als Strafzahlung fällig würde, heute für die Verkehrswende ausgäbe. Konzepte, an denen auch der RMV mitgearbeitet habe, gebe es bereits. Doch die Bundesregierung zögere und investiere zu wenig, kritisierte Ringat.
Ein Beispiel dafür sei das neue, 49 Euro teure Deutschland-Ticket, das im Frühjahr eingeführt werden solle. Zur endgültigen Umsetzung fehlten jedoch noch die Genehmigung der EU, das Gesetz zur Finanzierung und ein bundesweit einheitlicher Tarif. Zudem bedürfe es einer gut ausgebauten Infrastruktur, um für mehr Verkehr auf Schiene und Straße durch das Deutschland-Ticket gerüstet zu sein.
Doch auch daran hapere es. So sei beispielsweise das Schienennetz seit dem Start des RMV-Verbundes vor etwa 30 Jahren lediglich um ein Prozent oder umgerechnet um knapp 15 Kilometer gewachsen - und das trotz einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen und einer um 60 Prozent gestiegenen Verkehrsleistung.
»Nachdem wir ein Jahrzehnt des Planens hinter uns haben, folgt nun ein Jahrzehnt des Bauens«, stellte Ringat wenig zuversichtlich fest. Obwohl bis 2030 über 20 Milliarden Euro allein für den Raum Frankfurt vorgesehen seien, reiche das nicht aus. Planungszeiten von 20 oder 30 Jahren könne man sich nicht mehr erlauben. »Wenn wir es mit der Verkehrswende ernst meinen, müssen wir schneller werden«, konstatierte der RMV-Chef. Angesichts überfüllter Straßen und von Staus geplagten Städten fordert er einen Mobilitätsmix aus ÖPNV, Auto und Sharing-Angeboten. Dafür werde die digitale Vernetzung neue Möglichkeiten eröffnen, wie beispielsweise das On-demand-Projekt für Frankfurt, das größte On-demand-Vorhaben Europas, bei dem die Fahrzeuge mittels künstlicher Intelligenz und ohne Fahrer rund um die Uhr auf Bestellung fahren sollen. Es soll noch dieses Jahr gestartet werden.
Kreistagsvorsitzender Armin Häuser (CDU) empfahl, auf Zuversicht zu setzen, und zitierte den französischen Schriftsteller Victor Hugo: »Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte und für die Tapferen ist sie die Chance.« Er rief dazu auf, die Zukunft tapfer zu gestalten.
