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Selbst gebaute Mauern einreißen: Fikri Anil Altintas stellt Erstlingswerk vor

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Von Männlichkeit und Rollenbildern: der Autor Fikri Anil Altintas und Nicole Kapeller, die Leiterin der Schottener Stadtbibliothek. © Stefan Weil

Der Autor Fikri Anil Altintas stellt Erstlingswerk »Im Morgen wächst ein Birnbaum« bei einer Lesung in der Schottener Stadtbibliothek im Rahmen der Reihe »Leseland Hessen« vor.

Schotten (sw). Schon seit mehreren Jahren beteiligt sich die Stadtbibliothek an der Veranstaltungsreihe »Leseland Hessen«, die vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft und Kunst, HR 2 Kultur und der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen unterstützt wird. Im Café-Bistro »CaRé« war nun Fikri Anil Altintas zu Gast, der sein Erstlingswerk »Im Morgen wächst ein Birnbaum« vorstellte. Partner der Lesung war Elkes Buchladen.

Es ist kein Roman im eigentlichen Sinn. Einen solchen hat sich Altintas als Folgeprojekt vorgenommen, so sein Hinweis. »Im Morgen wächst ein Birnbaum« ist als Dokumentation angelegt, ein Rückblick und die Aufarbeitung seiner Kindheit und Jugendzeit im elterlichen Umfeld, insbesondere die Beziehung zu seinem Vater.

Der Autor berichtet über Dinge, »die passiert sind«. Einen roten Faden wird der Leser dabei vermissen, wie Altintas hervorhebt.

Hoffnung auf ein besseres Leben

Fikri Anil Altintas, geboren 1992, wächst in einer Kleinstadt nahe Wetzlar als Sohn türkischer Eltern auf. Sein Vater ist als Türkischlehrer an einer Gesamtschule in Wetzlar angestellt, die auch Fikri besucht. Seine Mutter arbeitet als Reinigungskraft.

Der Autor hat Politikwissenschaften, Ethnologie und Osteuropastudien in Tübingen, Istanbul und Berlin studiert, wo er mittlerweile auch lebt. Als freier Autor schreibt er für mehrere Medien, hält Vorträge und veranstaltet Workshops.

Seine bevorzugten Themen drehen sich um Rollenbilder, Privilegien und Geschlechtergerechtigkeit, in denen er insbesondere der Frage nachgeht, was unter Männlichkeit zu verstehen ist und wie er seinen eigenen persönliche Weg einordnet. »Es geht darum, Kraft zu finden, selbst gebaute Mauern einzureißen«, betont Altintas.

Zum Inhalt: Die Familie kommt nach Deutschland, um hier ein besseres Leben als in der Türkei zu finden. Einiges geht in Erfüllung, wie die berufliche Absicherung des Vaters.

»Aber die Träume von einem erfüllten Leben in Deutschland sind zerbrochen«, beschreibt Altintas die Perspektiven der Eltern aus heutiger Sicht.

»Mein Vater ist ein muslimisch-türkischer Mann. Ein Mann zeigt keine Schwächen, er darf keine Emotionen haben«, erläutert der Autor.

Schwieriges Privatleben

Die Familie richtet sich nach dem Vater, die Mutter und die Kinder - Fikri Anil hat eine Schwester - müssen sich dem genormten Tagesablauf unterordnen.

Dazu gehört auch, dass der Sohn seine Haare »wie eine Mann« tragen soll, und sich nicht einer modischen Extravaganz hingeben darf. Zum Urlaub fährt die Familie in die Türkei - Ostsee, Mallorca oder gar ein Skiurlaub sind nicht vorgesehen.

Der Vater fühlt sich einsam. Seine Probleme über das schwierige Privatleben teilt er dem Sohn nicht mit. Es gibt keinen Gesprächsdraht. Stattdessen lässt der Vater seine Gedanken in Gedichte einfließen, die er auf einem Kanal der sozialen Medien öffentlich macht.

Altintas antwortet seinem Vater mit dem Buch »Im Morgen wächst ein Birnbaum«, in dem er auch sehr private und intime Gedanken einarbeitet.

Bei der Lesung im CaRé ist der 75-jährige Vater anwesend und hört sich im Beisein der übrigen Besucher der Veranstaltung die Textpassagen an, die der Sohn vorliest.

Der Vater - sichtlich ergriffen - äußert sich kurz. »Das Buch hat bei mir auch zu schmerzvollen Momenten geführt. Ich habe mich beim Lesen besser kennengelernt.«

Die Absicht von Fikri Anil, über diesem Weg in der Familie mehr sprechen zu können, zeigt Erfolg, wie er betont: »Wir sind uns näher gekommen. Wir können jetzt öfters miteinander sprechen.«

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