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Im Interview
Stadträtin Dorothea Preißer: In Büdingen wird alles ausgetragen
- VonPetra Ihm-Fahleschließen
Dorothea Preißer kennt die Büdinger Politik aus zwei Blickwinkeln. Sie war Stadtverordnete für die FDP und gehört nun seit zweieinhalb Jahren dem Magistrat an. Ein Interview zur aktuellen Lage.
Die Magistratsmitglieder sitzen meist schweigend auf ihren Plätzen, wenn die Parlamentarier tagen. In der Büdinger Politik sah sich Stadträtin Dorothea Preißer jüngst allerdings herausgefordert, ans Rednerpult zu gehen. Es ging um den Dissens zur interkommunalen Landesgartenschau Oberhessen im Jahre 2027, einer der Konfliktpunkte der vergangenen turbulenten Monate in der Stadtverordnetenversammlung. Über die politische Lage in der ehemaligen Kreisstadt hat diese Zeitung mit Dorothea Preißer im Interview gesprochen.
2016 gaben Sie Ihr Stadtverordneten-Mandat an Ihre FDP-Kollegin Andrea Rahn-Farr ab. Wie kam es, dass Sie - diesmal als Stadträtin - wieder zurück in die städtische Politik gingen?
Nach dem guten Ergebnis und der Konstellation bei der Kommunalwahl 2021 war klar, dass jede Fraktion einen oder zwei Magistratssitze bekommt. Da habe ich mich noch mal bereiterklärt.
Was ist an den Aufgaben einer Stadträtin anders als an denen einer Stadtverordneten?
Als Stadtverordnete versucht man, Positionen zu erarbeiten, während man im Magistrat probiert, dies gemeinsam zu tun. Der Magistrat ist ein Kollegial-Gremium. Das heißt nicht, dass man nicht unterschiedlicher Meinung sein kann - und das wird auch ausgesprochen. Wir versuchen aber immer, eine Lösung und einen Konsens zu finden. Das war in der Stadtverordnetenversammlung so nicht. Auch wenn gute Lösungen auf dem Tisch lagen, hat sich eine Mehrheit nicht immer dafür gefunden.
Sollten sich nicht auch die Stadtverordneten auf gute Lösungen einigen?
Schon, aber in der Stadtverordnetenversammlung geht es auch um eigene Positionen der Fraktionen. Gemeinsame Lösungen müssen natürlich das Ziel sein. Und das hat mich am Schluss immer etwas genervt, dass man eben nicht zu Lösungen kam. Die Lösungen müssen nicht alle tragen, aber eine Mehrheit - und diese muss bei ihrer Mehrheitsentscheidung bleiben. Das war der Knackpunkt, als ich den Stadtverordneten im Juni gesagt habe: »Wenn jemand meint, dass die Landesgartenschau Büdingen nicht guttut, soll er den Antrag stellen und dies bekennen.« Aber es gab verschiedene Mehrheitsentscheidungen, die Gartenschau zu machen: Das Interessenbekundungsverfahren, die Machbarkeitsstudie, die Prioritätenliste und die Finanzmittel dazu in den Haushalten 2021 und 2022. Der Magistrat muss diese Entscheidungen umsetzen.
Die Kritik hat vor allem etwas mit der Bruchwiese und dem geplanten Sportzentrum zu tun.
Wenn ich Fußballplätze zum Landesgartenschau-Gelände mache, ist es eine logische Folge, woanders einen Sportplatz zu brauchen.
Könnte die Stimmung kippen und ein neuer Beschluss zur Landesgartenschau wäre notwendig?
Diejenigen, die damals nicht dafür waren, sind bekannt und haben sich dazu bekannt. Es waren zumindest Rolf Kleta (SPD) und die FDP, die gesagt haben: Es ist finanziell nicht darstellbar. Es war eine große Mehrheit, die sich dafür ausgesprochen hatte.
Als Sie bei der Stadtparlamentssitzung im Juni nach vorne gegangen sind: War es ein Wink getreu dem Motto: »Dann stellt doch den Antrag« oder ein Appell Ihrerseits, das nun durchzuziehen?
Ich denke schon, dass Büdingen und ein Teil der Region Vorteile davon haben werden. Dass die interkommunale Zusammenarbeit verbessert und gefestigt wird. Ich weiß nicht, wie ich 2020 entschieden hätte, wenn ich damals Stadtverordnete gewesen wäre. Als Magistratsmitglieder sind wir beauftragt, die Mehrheitsbeschlüsse der Stadtverordneten umzusetzen. Um den Beschluss rückgängig zu machen oder aufzuheben - da denke ich, es ist so weit gediehen, dass es sehr schwierig würde.
Sie haben einen liebevoll gepflegten Garten. Schlägt Ihr Herz für dieses Thema?
Eine sogenannte Blümchenschau gibt es auch auf Gartenschauen, aber das ist ja nur ein Teil. in erster Linie ist es Stadtentwicklung für Büdingen. Für die Bürger ist es ein Mehrwert. Zum einen das Interkommunale im ländlichen Raum, zum anderen gehe ich davon aus, dass die Gartenschau auf die umliegenden Straßen, Wohn- und Einkaufsstraßen eine positive Auswirkung hat. In Büdingen hat nicht jeder einen grünen Platz vor der Tür. Der geplante Stadtpark wird auch den Hochwasserschutz beinhalten, was an der Stelle extrem wichtig ist.
Ein anderes Thema: Woran könnte es liegen, dass in der Stadtverordnetenversammlung in den vergangenen Monaten solch eine Unruhe herrschte?
Dafür habe ich keine Erklärung. Man kann nur appellieren, sachlich an den Aufgaben zu arbeiten, die den Stadtverordneten gestellt werden - sonst weiß ich kein Rezept. Vielleicht sollte man manchmal etwas respektvoller mit dem jeweils anderen umgehen.
Es gibt Parlamente im Wetteraukreis, beispielsweise in Nidda, die wesentlich kürzere Sitzungen abhalten und viel kürzere Tagesordnungen haben. Es ist dort auch harmonischer. Wieso ist Büdingen so deutlich anders?
Diese Diskussionsfreudigkeit kenne ich von Büdingen schon, seit ich Stadtverordnete geworden war. Die Menge der Tagesordnungspunkte ist mir auch schon aufgefallen.
Sind die Büdinger besonders fleißig?
Es ist der Wille der Stadtverordneten gewesen, immer Bescheid zu wissen. Es werden enorm viele Anträge und viele große Anfragen der Fraktionen gestellt. Sachstandsberichte werden gefordert - das muss alles abgearbeitet werden. Die Verwaltung hat schon viel zu tun. Das ist vielleicht mehr als woanders. Trotzdem bleibt genug übrig, was offensichtlich diskussionswürdig ist. In Büdingen wird alles ausgetragen. Das Parlament ist die Plattform, und das halte ich auch für richtig.
Also beurteilen Sie es eher positiv - als lebendigen Streit?
Eigentlich schon. Manchmal habe ich den Eindruck, dass jemand zu weit geht oder manche Stadtverordnete nicht richtig vorbereitet sind. Aber insgesamt gesehen gehört die Diskussion genau dahin. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass es nach langer Zeit einen Wechsel im Büdinger Rathaus gab und zwei neue Personen an der Spitze stehen. Der Start, den Erich Spamer damals hatte, als er Bürgermeister wurde, war auch nicht einfach. Wenn jemand einen anderen Stil als der Vorgänger pflegt, müssen sich die Leute vielleicht erst daran gewöhnen.
Was wünschen Sie sich für das kommende politische Jahr in Büdingen?
Dass der städtische Haushalt schnell beraten werden kann und schnell in die Stadtverordnetenversammlung geht, um nicht zu lange in der vorläufigen Haushaltsführung zu verharren. Sonst bekommt man einen Investitionsstau.
Eine letzte Frage: Wie sollte das Parlament mit rechtsextremen Positionen umgehen?
Mindestens einer sollte für alle etwas gegen die Positionen sagen, damit nicht der Eindruck entsteht, die Mehrheit schweigt. Das heißt nicht, dass man heftig auf diese Äußerung reagiert, sondern man sachlich und klar die Gegenposition vertritt, damit nicht irgendeine Position der Rechten im Raum stehen bleibt.