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»Städtisches Grün in gutem Zustand«

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Der große »Baum-Gipfel« - Baumgutachter Thomas Sinn (Zweiter von rechts), Bereichsleiter Grünflächenpflege, Alexander Kasimir (rechts) und Sebastian Wysocki (links) stellen sich kritischen Fragen von Redakteur Patrick Eickhoff zum Thema Baumfällungen im Stadtgebiet. © NICI MERZ

Bad Vilbel und seine Bäume. In der Quellenstadt gibt es kaum ein Thema, dass die Bürger so bewegt. Hitzige Diskussionen gibt es sowohl im Stadtparlament, als auch in den sozialen Netzwerken. Im Interview beziehen Baumgutachter Thomas Sinn, Grünflächenamtsleiter Alexander Kasimir und Erster Stadtrat Sebastian Wysocki Stellung zu Vorwürfen, persönlichen Angriffen und dem Zustand des städtischen Grüns.

Wie steht es um das städtische Grün?

Alexander Kasimir: Ich bin jetzt seit über einem Jahr hier. Das städtische Grün ist sehr ausgeprägt. Wenn wir zum Beispiel einen Baum pflanzen, dann schauen wir, dass das Komplettpaket stimmt. Stammschutz und Wasserzufuhr sind wichtig.

Thomas Sinn: Es gibt die Pflicht, die Bäume einmal im Jahr zu kontrollieren. Vereinfacht wird die Kontrolle und Verwaltung eines Baumbestandes durch die Anlage eines Baumkatasters, das es in Bad Vilbel seit dem Jahr 2004 gibt. Die Baumkontrollen werden nur durch speziell ausgebildete Fachkräfte durchgeführt, die beispielsweise in der Lage sind, auch unscheinbare, für den Baum gefährliche Pilze zu erkennen.

Wie viele Bäume sind dort aufgeführt?

Sinn: Dort wurden damals etwa 16 000 Bäume aufgenommen. Jetzt sind noch 7181 Bäume in der Kontrolle. Das muss man aber differenziert gesehen werden. Viele der erstmalig aufgenommenen Bäume stehen im Außenbereich. Diese werden aus Kostengründen heute nicht mehr kontrolliert. Vor allem dadurch hat die Anzahl so stark abgenommen, obwohl diese Bäume ja noch stehen. Jungbäume wie im Arboretum im Burgpark werden anfangs nicht kontrolliert und erst später ins Kataster aufgenommen. In den Kontrollen zeigt sich immer wieder, dass Bäume auf Privatgrundstücken stehen. Dann werden sie aus dem Kataster herausrausgenommen. Es gab außerdem Baumaßnahmen wie beispielsweise die der Deutschen Bahn. Da mussten auch Bäume gefällt werden. Große Bäume lassen sich nicht mehr verpflanzen.

An wie vielen Bäumen stehen denn im Jahr arbeiten an?

Sinn: Das sind jedes Jahr etwa 20 Prozent, an denen Maßnahmen erforderlich sind. Diese Bäume werden aber nicht gefällt.

Kasimir: Bäume, die gefällt werden müssen, werden durch Neupflanzung oder natürlichen Aufwuchs ausgeglichen.

Sinn: Trockenheit ist ein großes Problem. Wir hatten die Trockensommer 2018 und 2019. Überall im Stadtgebiet sterben die Birken und Fichten ab. Einen toten Baum darf man nicht stehen lassen.

Wieso eigentlich nicht?

Sinn: Da ist der Gesetzgeber gnadenlos. Wenn der jemanden trifft, sind sie verantwortlich. Ich bin für Gerichte tätig und öffentlich bestellt und vereidigt. Ich kann mich an einen Fall erinnern da ist am 24. 12. eine pilzbefallene Pappel auf ein an der Ampel stehendes Auto gefallen. Der Fahrer ist leider verstorben. Solche Fälle will und muss man vermeiden. Das Leben von Menschen geht immer vor.

In welchem Zustand sind denn die Bäume?

Sinn: Wir haben für die kontrollierten Bäume Schulnoten vergeben. Überwiegend sind sie in einem guten bis zufriedenstellenden Allgemeinzustand. Schließlich haben es Bäume in der Stadt nicht leicht.

Wie meinen Sie das?

Sinn: Sie müssen sich ihren Platz teilen mit Bauwerken. Leitungen beispielsweise gehen manchmal kaputt. Dann wird dort aufgegraben. Dort wachsen aber auch die Wurzeln des Baumes. Es gibt Bauwerke an Straßen, die Bäume betreffen. Dort wächst deren Krone. Das Zusammenleben zwischen Mensch und Baum ist in der Stadt nicht einfach.

Wenn Sie das mit anderen Kommunen vergleichen. Wie steht Bad Vilbel da?

Sinn: Das ist guter Durchschnitt. Aber Bad Vilbel hat einen entscheidenden Vorteil und das sind die Baumpfleger. Andere Kommunen haben oftmals nur einen Bauhof, der mit der Baumpflege betraut wird.

Sebastian Wysocki: Wir haben extra zwei Pflegekolonnen. Ihre Hauptätigkeit ist die Pflege von Bäumen, auch wenn manche was anderes behaupten. Der Baum, der einfach von Herrn Sinn kontrolliert wird und an dem nichts ist, ist der beste Baum. Jede Maßnahme ist mit Aufwand und mit Kosten verbunden.

Wenn ein Baum weggemacht wird, wird dann auch immer einer nachgepflanzt?

Kasimir: Ja. In der Regel wird geprüft, ob und wie der Baum ersetzt werden kann. Selbst wenn er äußerlich gesund aussieht, kann innerlich ein Pilz weit ausgebreitet sein.

Wysocki: Das passiert allerdings nicht direkt, sondern im Laufe eines Jahres. Im Sommer würde keiner Bäume pflanzen, da ist alleine der Gießaufwand zu hoch. Im Oktober und November sind unsere Hauptpflanzzeiten.

Ihre Arbeit steht - gerade in den sozialen Netzwerken immer in der Kritik. Nehmen sie das wahr?

Sinn: Ich bin vom Regierungspräsidium Kassel öffentlich bestellt und vereidigt als Baumsachverständiger. Ich beurteile Bäume rein baumfachlich. Ich würde auch dann keine Bäume schlechtschreiben, wenn mich jemand darum bitten würde. So läuft das nicht.

Wysocki: Es wird oft behauptet, dass die Stadt Druck ausüben würde. Wir haben keine Motivation für so was. Ich habe gelesen, dass jemand unser Grünflächenamt dann Grünflächenvernichtungsamt nennt und die Kontaktdaten der Mitarbeiter veröffentlicht. Das hat eine Dimension erreicht, die nicht in Ordnung ist. Man muss die Mitarbeiter in Schutz nehmen. Sie machen eine gute Arbeit. Das sind keine Baummörder.

Kasimir: Bei mir machen sich Selbstzweifel breit. Ich ziehe mir meine fachliche Kenntnis ja nicht aus den Fingern. Ich erhalte Anrufe und werde agressiv angegangen und komme gar nicht zu Wort. Ich bin noch jung und komme nach der Arbeit nach Hause und spüre diesen Druck. Das ist eine Belastung. Das trifft auch meine Kollegen.

Glauben Sie, es wird bewusst das Negative gesehen?

Kasimir: Es wird immer eine bestimmte Personengruppe geben, die ohne entsprechende Fach- und Sachkenntnis eine sachlich unfundierte Meinung lautstark vertreten. Wir haben beispielsweise Habitatsstümpfe stehen lassen, wo kein öffentlicher Weg ist. Dort haben wir jetzt auch Schilder bestellt und angebracht. Dort können sich Insekten, Pilze, Käfer und Raupen ansammeln. Das machen wir öfters. Das wird aber nicht gesehen oder geschätzt.

Was kann man machen, um diese Situation zu entschärfen?

Wysocki: Es gab den Wunsch, dass wir Baumfällungen ankündigen. Jetzt machen wir eine Meldung und dann wird vom Gefälligkeitsgutachten gesprochen. Wir kündigen jetzt auch die Nachpflanzungen mit an.

Was steht denn die nächsten Monate an?

Sinn: Sie schaffen am Tag 100 bis 120 Bäume. Das zieht sich lange hin. Die Kernstadt ist durch. Derzeit sind wir mit den Baumkontrollen in den anderen Ortsteilen zu Gange.

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