»Stillen ist ein Lernprozess«

Brustschmerzen beim Stillen. Zu wenig Milch oder zu viel. Diese und viele andere Fragen treiben junge Mütter um. Antworten gibt es jetzt in der Stillambulanz an der Asklepios-Klinik in Lich.
Säuglinge warten warm eingepackt in ihren Sitzschalen. Mütter schlüpfen in Schuhe und Mäntel. Im Flur des Elternzentrums an der Asklepios-Klinik in Lich herrscht Aufbruchstimmung. Es ist kurz nach zwölf am Donnerstag, das Stillcafé ist vor einer halben Stunde zu Ende gegangen. Hier tauschen sich Frauen mit anderen Frauen aus. Hier erhalten stillende Mütter Tipps von einer Expertin - Sabine Schubert, erfahrene Kinderkrankenschwester, qualifizierte Stillberaterin. Und weil der Beratungsbedarf zunimmt, gibt es hier seit einigen Wochen ein weiteres Angebot für frisch gebackene Mütter: die Stillambulanz.
Mehr als 1000 Kinder kommen im Licher Krankenhaus jährlich zur Welt. Daraus folgt ein hoher Beratungs- und Betreuungsbedarf. »Junge Mütter brauchen Unterstützung und Stärkung bei dem Wunsch ihr Kind zu stillen«, sagt Sabine Schubert, die sich genau das auf die Fahnen geschrieben hat. Denn obwohl Stillen als die natürlichste Sache der Welt gilt, empfinden frisch gebackene Mütter das vielfach anders. Die Gründe: Aus dem Umfeld der Frauen kämen häufig falsche Ratschläge oder Kritik, es fehle an einem Netzwerk der Unterstützung, sagt Schubert. Zudem meinten viele Frauen, die neue Situation mit ihren Herausforderungen alleine stemmen zu müssen und nebenbei auch noch den bisherigen Alltag - Haushalt und Job.
»Der Anspruch, den Mütter heute an sich haben, ist unheimlich hoch«, sagt Schubert. Immer mehr stiegen zeitnah wieder in ihren Beruf ein. Die Folge: Stress. Grundlage für ein erfolgreiches Stillen seien aber Ruhe und Entspannung, weiß die stellvertretende Leiterin der Wochenbettstation der Asklepios-Klinik. Seit 1994 arbeitet die 58-Jährige im Licher Krankenhaus, seit 17 Jahren ist sie auch Still- und Laktationsberaterin IBCLC (International Board of Lactation Consultant Examiners). Als solche hat sie praktische Erfahrung in der Betreuung von Mutter und Kind gesammelt, darf beraten und wissenschaftlich fundierte Informationen über das Stillen weitergeben.
Es ist kurz nach eins im Elternzentrum. Das Stillcafé hat sich aufgelöst, die Sprechstunde der Ambulanz läuft. Eine junge Frau hat sich angemeldet .Veronika Häbel kommt wegen eines Knotens an der linken Brust. Sie ist verunsichert und bittet Sabine Schubert um Rat. Die erkundigt sich nach der Situation zu Hause, fragt nach Terminen, stressigen Situationen, will wissen, ob das Baby längere Schlafphasen hatte und vieles mehr. Und sie schaut sich die betroffene Brust an.
Nach der ausführlichen Anamnese steht fest, dass es sich wohl um einen Milchstau handelt, der aber bereits abgeklungen ist. Der jungen Mutter gibt sie ein paar Tipps für den Fall, dass erneut ein solcher auftreten sollte: Vor dem Anlegen Wärme auf die betroffene Stelle geben, massierende Kreisbewegungen während des Stillens, eine Quarkauflage danach.
Milchstau ist ein häufiges Thema in der Betreuung stillender Mütter Doch auch andere werden an Sabine Schubert herangetragen: Schmerzen beim Stillen, zu wenig oder zu viel Milch, Möglichkeiten der Muttermilchgewinnung sowie Fragen zu Stillpositionen, der Einführung von Beikost, dem Stillen unterwegs oder bei Medikamenteneinnahme. Nicht immer kämen die Frauen dafür in die Sprechstunde, sagt Schubert. Manches lasse sich auch telefonisch klären. Gerne hilft die 58-Jährige weiter. Auch über ihre Arbeitszeit hinaus. »Mein Wunsch ist es, dass Frauen nicht vorzeitig abstillen, nur weil sie falsche Informationen oder keine Hilfestellung haben«, beschreibt Schubert, die selbst vierfache Mutter ist, ihre Motivation.
Die Realität allerdings sieht anders aus. Laut dem Netzwerk »Gesund ins Leben« des Bundeszentrums für Ernährung wollen zwar knapp 90 Prozent der Mütter ihr Baby nach der Geburt stillen und die meisten fangen auch damit an. Nach dem vierten Monat allerdings stillen nur noch 40 Prozent voll, nach sechs Monaten nur noch 13 Prozent. Aber mindestens sechs Monate sollten es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sein, sagt Schubert. Und dafür arbeitet sie.
»Stillen ist ein Lernprozess«, erklärt die Expertin. »Für Mutter und Kind.« Doch damit dieser gelingen kann, braucht es Unterstützung. Wer die genossen hat, weiß um ihre Bedeutung. Veronika Häbel zum Beispiel. Sie sagt: »Es ist total wichtig, dass es solche Anlaufstellen gibt.«