Szenen einer Scheidung

Eine genervte Ehefrau, die einen neuen Mann sucht, und ihr Gatte der das mit skurrilen Mitteln verhindern will - das sind die Zutaten des neuen Erfolgstücks des TC Ägdschen Altenstadt.
Waldsiedlung (mü). Der Ehesegen hängt schief im Hause Burger: Ehemann Martin (Kurt Günther) geht seiner Frau Magdalena (Simone Schilling) 25 Jahre nach der Hochzeit mit seiner ewigen Fußballleidenschaft gehörig auf den Geist, so dass sie schließlich plant, sich scheiden zu lassen. »Scheidung auf hessisch« lautet dann auch der Titel der quirligen Komödie, mit der die Altenstädter Theatergruppe Ägdschen ihr Publikum im Gemeinschaftshaus Waldsiedlung begeistert und Lachtränen provoziert.
Während Hannelore (Ulrike Bachmann) als kaffeedurstige Freundin der Familie noch unschlüssig ist, wessen Partei sie im Ehestreit ergreifen soll, schlagen sich Tochter Anneliese (Rebecca Lehmann) und ihr Freund Franz (Philipp Nagel) auf die Seite des Ehemanns und schmieden Pläne, wie der geliebte Papa und künftige Schwiegervater die Zuneigung seiner Frau zurückerobern könne. Ab dem zweiten Akt verwandelt sich Regisseur Kurt Günther zur Freude der Zuschauer nacheinander in einen robusten Viehhändler, einen bekifften Hippie mit Rauschebart und Flatterhose, einen reichen und sexhungrigen arabischen Scheich und schließlich in einen geldgierigen Cowboy aus den USA, die allesamt um die Hand der scheidungswilligen Magdalena anhalten. Allein dieser rasante Kostüm- und Maskenwechsel stellt eine Meisterleistung dar - nicht nur des Darstellers, sondern auch seines Schminkteams mit Colette Vetter und Tanja Wenzel am Pinsel und in der Garderobe.
Großer Aufwand in Sachen Liebe
Dass so viel Aufwand in Sachen Liebe belohnt werden muss, erscheint als logische Folge: Noch-Ehefrau Magdalena sieht ein, wie gut sie mit ihrem fußballwütigen Ehemann bedient ist, vergleicht man ihn mit den exotischen bis aufdringlichen Bewerbern. Kaum lässt sie sich zu einem »Da war mir mein Martin doch lieber« hinreißen, erscheinen Ehemann, Tochter und Schwiegersohn auf der Bühne und lüften das Geheimnis um die vier zweifelhaften Heiratsaspiranten.
Wie das Publikum zeigt sich auch Magdalena gerührt vom Einsatz ihres notorischen Fußballfans, lässt die von ihr aufgesetzten »Zehn Gebote zur Fortsetzung einer Ehe« unter den Tisch fallen und nimmt den Reumütigen wieder mit offenen Armen auf. Einer glücklichen Silberhochzeit sowie der Eheschließung von Tochter Anneliese mit ihrem Franz und der Geburt des erwarteten Enkelchens steht somit nichts mehr im Wege.
Bis zu diesem Happy-End verging ein vergnüglicher Theaterabend mit viel Mutterwitz und Leichtigkeit, der die Alltagskrisen einen Moment lang vergessen ließ. Neben Kurt Günther in seiner abwechslungsreichen Paraderolle brillierte Simone Schilling als genervte Ehefrau, die nicht nur die Fußballmarotte ihres Mannes, sondern auch sein nächtliches Schnarchen und die fehlende Romantik beklagt. Mit Leidenschaft wirft sie sich in das Abenteuer einer neuen Liebe, um brutal auf dem Boden der Tatsachen zu landen und sich am Ende fast noch in den eigenen, ihr bisher unbekannten Schwiegersohn zu vergucken.
Stets an ihrer Seite: Hausfreundin Hannelore. Deren fulminante Rolle als alternde Schönheit hatte sich Ulrike Bachmann wegen krankheitsbedingtem Ausfall der Erstbesetzung innerhalb von nur zwei Wochen angeeignet, wie Regisseur und Hauptdarsteller Kurt Günther in der abschließenden Vorstellung des Ensembles berichtet. »Ohne Ulrikes Einsatz hätten wir heute nicht spielen können«, sagt er, und das Publikum honoriert diese Tatsache mit einem Extraapplaus.
Seit Jahren gesetztes Liebespaar
Auch das seit Jahren gesetzte Liebespaar der Theatergruppe Ägdschen, Rebecca Lehmann und Philipp Nagel, überzeugt in seinem liebevollen und schlagfertigen Einsatz für die Ehe der Eltern beziehungsweise Schwiegereltern. »Die beiden haben sich über die Jahre hin hochgearbeitet«, stellt Günther lächelnd fest. »Nach etlichen Aufführungen mit Zufallsbegegnungen und erster Liebe dürfen sie diesmal endlich heiraten und auch noch für ein Baby sorgen.«
Ebenfalls mit Beifall bedenkt man die Souffleusen Helga Rust und Beate Günther, das Technikteam um Luis Lehmann, die Helfer des Gemeinschaftshauses sowie Ausstatter Möbel Straube. Nach dem letzten Vorhang folgen Gespräche mit befreundeten Theatergruppen im Saal, die nach der Pandemie die Rückkehr des Ägdschen-Teams an seine angestammte Spielstätte feiern.