THM und Uniklinik entwickeln App für Parkinson-Patienten

Die Technische Hochschule Mittelhessen sowie das Uniklinikum Gießen und Marburg entwickeln aktuell eine App, die Parkinson-Patienten das Leben erleichtern soll.
Die Zeiten, in denen Künstliche Intelligenz (KI) in der Popkultur mit außer Kontrolle geratenen, mordlüsternen Maschinen in Verbindung gebracht wurde, sind längst vorbei. Wir nutzen KI täglich, sei es mit Suchmaschinen, beim Serienschauen auf Netlix, Amazon Prime und Co., in der Landwirtschaft oder als Textgenerator. Doch noch immer gibt es Skepsis, wenn von KI die Rede ist - nicht automatisch, aber doch überwiegend bei älteren Menschen. Dabei können auch sie von KI profitieren. Zum Beispiel von der App für Parkinson-Patienten, die gerade an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) in Marburg entwickelt wird.
Mit KI-Unterstützung sollen Parkinson-Erkrankte langfristig medizinisch überwacht werden. Das Projekt »ParkinsonHessen-Digital« wird vom Hessischen Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung mit 550 000 Euro aus dem Programm »Distr@l« gefördert. Digitalministerin Prof. Kristina Sinemus hat sich am Montag in Gießen über das Projekt bei Prof. Keywan Sohrabi vom THM-Fachbereich Gesundheit informiert.
Bei der Parkinson-Krankheit werden Nervenzellen im Gehirn geschädigt; warum, ist noch nicht hinreichend erforscht. Typische Symptome sind zum Beispiel Zittern, steife Muskeln und Probleme im Bewegungsablauf. Meist sind es Menschen über 65 Jahre, die betroffen sind - aber nicht nur. Auch Jüngere können an Parkinson erkranken. Mithilfe der App sollen Ärzte, Erkrankte und Angehörige zukünftig frühzeitig erkennen, ob sich die kognitiven, motorischen oder visuellen Fähigkeiten eines Betroffenen verschlechtern.
Vorwarnsystem für Betroffene
David Pedrosa, Neurologe am UKGM in Marburg, betont: »Wir haben oft kein stabiles Bild eines Verlaufs der Erkrankung.« Mit Fragen im Patientengespräch, das alle sechs Monate stattfinde, könne dieses Bild nicht ausreichend gezeichnet werden. Da helfe auch nicht das Patienten-Tagebuch der Betroffenen, das in der Regel lückenhaft sei. Die mit Tablet, Smartphone oder Smartwatch aufgezeichneten und übermittelten Daten hingegen bedeuteten eine Chance. Das unterstreicht auch Prof. Volker Groß vom THM-Fachbereich Gesundheit. »So kann schneller reagiert werden, zum Beispiel bei der Anpassung der Medikamentierung.« Denn um den Krankheitsverlauf aufzuhalten beziehungsweise zu verlangsamen, muss die Behandlung schnell angepasst werden. Mit der App würden Parkinson-Patienten zwar nicht geheilt, sagt Groß, »aber wir können helfen, dass das Leben der Betroffenen lebenswert bleibt«.
Pedrosa sagt, die Patienten könnten mit Hilfe der App zukünftig nicht nur punktuell, sondern über einen längeren Zeitraum mehrfach am Tag überwacht werden. Dies erlaube bessere Aussagen über Veränderungen der Erkrankung zu treffen. Ministerin Sinemus hat dazu einen passenden Slogan: »Ein Vorwarnsystem für ein selbstbestimmtes Leben.« Denn auch Betroffene selbst oder Angehörige haben so einen besseren Blick auf den Krankheitsverlauf.
Beim Pressetermin in den Räumen der THM an der Nordanlage präsentiert das interdisziplinäre Team von Sohrabi aktuelle Arbeiten an der App. Sohrabi nennt seine Mitarbeiter »Werkzeugbauer für die medizinische Versorgung«. Also wird ein Roboterarm präsentiert, an dem eine Smartwatch angebracht ist. Der mechanische Arm lässt sich drehen und soll eine Standartuntersuchung für Parkinson-Patienten simulieren, bei der sie schnell ihre Hände drehen sollen. So kann das für Parkinson typische Zittern gemessen werden. Die Wissenschaftler demonstrieren auch, dass mit der App Motorik und Mimik erkannt werden können.
Frank Deiß ist an Parkinson erkrankt und Vorsitzender des hessischen Landesverbands der Deutschen Parkinson Vereinigung. Er setzt große Hoffnungen in die App und nennt sie »ein ganz großes Pfund«. Diese Form von Telemedizin, sagt er, ermögliche Patienten und deren Angehörigen Sicherheit und erleichtere ihren Alltag. »Wir sind als Selbsthilfegruppen aber auch in der Pflicht, den Menschen die Berührungsängste und die Vorurteile zu nehmen.« Umso wichtiger sei es, sagt der Neurologe Pedrosa, dass das Feedback der Patienten bei der Entwicklung der App mit einfließe.
Info: Förderprogramm
Durch das Förderprogramm Distr@l (Digitalisierung stärken - Transfer leben) werden aktuell 19 E-Health Projekte mit einem Fördervolumen von mehr als sieben Millionen Euro unterstützt. Das sind knapp 20 Prozent aller durch Distr@l geförderten Projekte und knapp 25 Prozent des bisher bewilligten Fördervolumens.