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Tilli Ziel: Wirtin von ganzem Herzen

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Von: Myriam Lenz

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Tilli Ziel ist seit über 30 Jahren Pächterin des Bürgerhauses in Bad Salzhausen. So lange sie gesund ist, will sie weitermachen. © Myriam Lenz

Die Seniorin steht hinter den Tresen, lässt ihre Augen durch den Saal über die Tische der Besucher fliegen. In geschwindem Schritt bedient sie die Gäste. Und das seit über 30 Jahren.

Das Bürgerhaus in Bad Salzhausen ist Baujahr 1968, einstöckig, die Fassade weiß-grau-meliert, das Interieur in dunkler Holzverkleidung. Wenn das Radio im Saal angeht, wird mit großer Wahrscheinlichkeit Roy Black gerade »Ganz in Weiß« singen.

Die schmale und große Frau hinter der Theke gehört zum Inventar. Tilli Ziel ist eine Institution, bestätigt Kerstin Alt von der Niddaer Wirtschaftsförderung und dem Stadtmarketing. Nicht nur, weil die 88-Jährige im Dezember seit bald 32 Jahren - mit ein paar Jahren Unterbrechung - dort residiert, sondern vor allem weil sie gern Wirtin ist, und man das vom ersten Moment an spürt.

Aus Überbrückung wurden 32 Jahre

Die Seniorin ist in Ulfa geboren, arbeitete als junges Mädchen bis 1962 in der Moufang Papierfabrik in Ober-Schmitten, war 13 Jahre im Kriegsblindenheim in Bad Salzhausen angestellt, hatte von 1984 bis 1988 bereits das erste Mal das Bürgerhaus im Kurbad gepachtet. Für einige Jahre arbeitete sie im Hessischen Hof bei ihrem Sohn, bevor sie im Dezember 1994 wieder als Pächterin der Kurallee 23 verpflichtet wurde. Es sollte nur vorübergehend, also bis Ostern, sein. Die Stadtvertreter waren äußerst zufrieden mit dieser Vereinbarung. Nicht nur, weil sie wohl wussten, dass dann der Laden läuft, sondern weil Tilli Ziel nicht gesagt hatte, in welchem Jahr an Ostern sie wieder aufhören würde. Aus den paar Monaten wurden über 30 Jahre. Tilli Ziel hat nur gute Erinnerungen an diese Jahre als Pächterin.

Für den Pressetermin breitet sie Fotos auf dem Tisch aus. Sie stammen aus Zeiten, in denen das Bürgerhaus rege besucht war. Einen großen Anteil daran hatten die Kurgäste. Erst gab es Kaffee und Kuchen, dann versuchten gewitzte Verkäufer Bettdecken und Mäntel und anderes an die Damen und Herren zu bekommen.

Seit 1984 wird freitags zum Tanz aufgespielt. Drei Musiker unterhalten abwechselnd, spielen von 19 bis 22 Uhr auf. »Das sind immer drei schöne Stunden«, schwärmt Ziel. Das Tanzen verbindet, an diesen Abenden entstanden Freundschaften, auch große Gruppen trafen sich hier regelmäßig, genossen die Gesellschaft. Die Seniorin deutet auf die Personen auf den Bildern: Diese Gruppe kam mindestens 18 Jahre immer ins Bürgerhaus, sie saßen links um die Ecke. Darunter begnadete Tänzer oder Alleinstehende, für die die Freitage die einzige Abwechslung waren. Einige der Personen gibt es nicht mehr, bedauert sie. Sie fischt ein Foto heraus: Dieses Pärchen kommt immer noch, der ältere Herr auf der anderen Aufnahme lässt noch heute keinen Tanz aus. Die Jüngsten sind 56, die ältesten 93 Jahre.

Die unterschiedlichsten Leute zu treffen, sei das Schöne an ihrem Beruf. »Es macht mir Spaß mit den Leuten und Gästen. Ich kann mich mit jedem unterhalten. Und man erfährt mal wieder was Neues«.

Sie habe im Bürgerhaus noch keinen ernsthaften Streit, keine Schlägerei erlebt. Auch mit der Jugend habe sie sehr gute Erfahrungen gemacht, betont sie. »Wir haben in Bad Salzhausen viele jungen Leute, die sich sehr für den Ort einsetzen.«

Die jüngere Generation kommt gerne zum Schnitzelessen. Ab zehn Personen aufwärts kann man sich im Bürgerhaus anmelden. »Tilli ist Wirtin mit Leib und Seele. Stammgäste aus nah und fern schätzen ihre Gastfreundschaft. Im Bürgerhaus Bad Salzhausen gibt es sicher auch die besten Schnitzel in der Region«, findet auch Bürgermeister Thorsten Eberhard. Wenn sich eine größere Gesellschaft anmeldet, hilft ihre Enkelin Jasmin. Das Putzen des Bürgerhauses erledigt sie bis heute selbst. Vorwiegend schließt sie für Feiern, die Vereine oder den Ortsbeirat auf. Die Skatspieler kommen mittwochs, die Tänzer nach wie vor freitags. Die beiden Kegelbahnen im Keller können für sechs Euro pro Stunde angemietet werden.

Vor zehn Jahren hätte die Stadt schon mal das Bürgerhaus in Bad Salzhausen verkaufen wollen, erzählt sie. Auch im aktuellen Haushaltsplanentwurf 2023 findet sich eine Empfehlung dafür. Verunsichert sie das? »Nein, weil ich weiß, solange ich hier drin bin, verkaufen sie es nicht.« Das hat der Magistrat neuerdings bestätigt.

Kreuzworträtsel, um sich fit zu halten

Generell findet sie, solle die Stadt die Bürgerhäuser, wie zum Beispiel das in Harb, für die Vereine behalten. »Unsere Männer haben das Bürgerhaus in Harb gebaut, die Enkel haben dann nicht einmal einen Raum, wo sie sich aufhalten können.«

So lange sie gesund sei, mache sie weiter, sagt sie. Täglich löst sie bei einer Tasse Kaffee morgens das Kreuzworträtsel und Sudoku im Kreis-Anzeiger, um sich fit zu halten.

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An der Wand des Bürgerhauses hängen einige Postkarten, die sie von den Gästen erhält. © Myriam Lenz

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