Über ein Tier mit Biss und nagende Probleme

Etwa 60 Biberreviere gibt es in der Wetterau, in Nidda ist das Nagetier an jedem Bach und in mehreren Gräben aktiv. Seine Bauprojekte sind zwar legal, aber nicht unproblematisch, wie Beispiele zeigen. Plötzlich steht Naturschutz gegen Naturschutz.
Der Kerl hat Biss. Wenn er mit seinen orange-roten Schneidezähnen einem Baum eine einer Sanduhr gleichende Form verleiht, sind die Reaktionen unterschiedlich: Die einen freuen sich, die anderen sind verärgert. Nicht jeder kann den strengen Schutzstatus, den der Biber und seine Bauwerke genießen, nachvollziehen. An jedem Fluss, Bach und auch in verschiedenen Gräben in Nidda ist der Biber mittlerweile anzutreffen, sagt Kerstin Bär, Umweltberaterin der Stadt Nidda.
Sofern der Biber Gebiete wählt, die auch eine strukturverbessernde Maßnahme nötig haben, wird er als wandelnder und wenig kostspieliger Gehilfe für Renaturierungen gelobt. »Durch seine Bauaktivitäten schafft er insbesondere an kleinen Gewässern einzigartige Ökosysteme. Er trägt somit zur Erhöhung der Artenvielfalt, Gewässerreinigung und zum Hochwasserschutz bei«, porträtiert das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) das Nagetier. Zudem wird der Wasserrückhalt durch die Dämme besonders in Trockenjahren hervorgehoben. Der Biber steht auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere. Wer ihm an den Kragen will oder seinen Bau beseitigt, begeht eine Straftat.
Status und Position sind dem Biber egal
Dieser behütete Status hat auch eine weniger erfreuliche Seite: Der Castor fibers interessiert sich nicht für Position und Status. Seine Bauvorhaben sind unbürokratisch, zielgerichtet und zeitnah in der Umsetzung. Und er beißt sich gerne an einem Standort fest.
Sein Wirken beschäftigt die Mitarbeiter des Bauhofes in Nidda mehr, als sie Zeit haben. Nachdem ein Biber nahe des Paddelteichs in der Niddaer Kernstadt eine große Weide kaputt genagt hat, werden sowohl dort als auch am Flutgraben Bäume mit Gittern abgeschirmt. »Was wir behalten wollen, müssen wir schützen«, sagt Kerstin Bär. Mitarbeiter des Bauhofes kontrollieren bestimmte Bäume nun nicht mehr einmal jährlich, sondern wöchentlich, um für Sicherheit zu sorgen. In Unter-Schmitten hat der Biber die Ufermauern von Gärten untergraben. In einigen Auen gibt es Erdbauten, die aufgrund ihrer Tiefe zuweilen gefährlich werden können.
Für die Landwirtschaft ist es ein ungelöster Konflikt, weil so manche Ackerflächen nicht mehr bewirtschaftet und Wiesen nicht mehr gemäht werden können. Ein grundsätzlicher Anspruch auf einen Ausgleich besteht nicht, informiert Sarah Stark, Funktionsbeamtin Naturschutz bei Hessen Forst, und seit Kurzem offizielle Ansprechpartnerin in Sachen Biber vor Ort.
Es gibt Fälle, in denen die Naturschutzbemühungen direkt miteinander kollidieren. Wie zum Beispiel in Altenstadt-Höchst oder im Niddaer Stadtteil Unter-Widdersheim.
In den Buschwiesen in Höchst musste zwischen dem Schutz des Bibers und Bewahrung von Wiesen mit wertvollem Pfeifengras abgewogen werden (diese Zeitung berichtete). Der Schutz des Pfeifengrases und damit bestimmter Vogelarten und Libellen bekam Vorrang. Auch in Unter-Widdersheim kollidieren die Territorialansprüche des Nagers mit lang gehegten und betreuten Projekten. Am Masselbach und am Lehngraben wird ein seit über 200 Jahren bestehendes Wässerwiesensystem gepflegt. »Es ist ein Kulturlandschaftselement. Wenn wir den Biber bauen lassen, stellt er das Gewässernetz auf den Kopf«, berichtet Kerstin Bär, die im Austausch mit dem Biberbeauftragten im Regierungspräsidium Darmstadt um Kompromisse ringt.
Würde der Biber zum Beispiel Salzwiesen oder andere Flächen dauerhaft stauen, könnten bisherige Äcker nur noch als Wiese genutzt werden und müsste man die Zielsetzung für diese Flächen neu ausrichten, gibt die Biologin zu bedenken.
In Unter-Widdersheim durfte der Damm abgebaut und ein Drainagerohr gelegt werden. Das Rohr liegt, der Biber hat jedoch an anderer Stelle gebaut. Kerstin Bär weist noch auf eine andere Problematik hin: Was passiert, wenn Retentionsflächen schon vor einem Hochwasser durch den Biber gestaut sind?
Die Auseinandersetzungen werden die Städte und Gemeinden, die für diese Probleme personell nicht ausgestattet sind, vermutlich künftig öfters beschäftigen. Davon geht auch Sarah Stark aus.
Kerstin Bär plädiert: »Man muss beide Seiten betrachten und sich die Frage stellen, ob man nicht Ausschlussgebiete für den Biber festlegt. Im Moment darf er überall bauen und wir müssen über jeden einzelnen Damm diskutieren. Manche Leute sehen nur die Vorteile. Doch es gibt auch Nachteile, die sich häufen. Diese muss man auch sehen.«