Ungehindert aufs stille Örtchen

Die Nutzung öffentlicher Toiletten sollte für Behinderte vereinfacht werden - das sieht Niddas SPD so und möchte den sogenannten Euro-Schlüssel einführen. Darüber berät nun der Sozialausschuss.
S ollen öffentliche Behinderten-WCs in Nidda einen europaweit geltenden Schließzylinder erhalten? Dieser wäre nur über den Euro-Schlüssel zu bedienen, den Menschen beantragen können, die ein Handicap oder bestimmte Krankheiten haben (Info). Die Stadtverordneten überwiesen einen entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion jetzt in den Sozialausschuss.
Wie Sozialdemokrat Jürgen Heldt vortrug, ist der Bau von Toiletten für Schwerbehinderte in öffentlichen Gebäuden und der Öffentlichkeit gesetzlich vorgeschrieben. Die Nutzung dieser WCs sei vorrangig, wenn nicht ausschließlich für behinderte Menschen vorgesehen. »Die Realität stellt sich aber so dar, dass der Schwerbehinderte die Behindertentoilette während einer Veranstaltung in den Bürgerhäusern der Stadt Nidda verschlossen vorfindet. Der Schwerbehinderte muss jemanden ausfindig machen, der ihm durch Öffnen den Zugang gewährt.«
Andere Lösungsansätze
Diese Vorgehensweise ist nach Heldts Ansicht aufwendig und könnte »leicht zum Verhängnis für den Behinderten werden«. Außerdem sei solch eine Prozedur nicht im Sinne des Gesetzes. »Eine andere Möglichkeit ist das dauerhafte Offenhalten der Behindertentoilette. Wie sieht es da mit der Nutzung durch Schwerbehinderte aus?« Es könne nämlich passieren, dass Vandalen das WC zerstört oder verschmutzt haben. »Um sicherzustellen, dass Behindertentoiletten von denen benutzt werden, die sie brauchen, gibt es den Europa-Schlüssel. Dieser passt europaweit zu mehr als 12 000 Toiletten, darunter alle Behindertentoiletten auf deutschen Autobahnen. Ihn erhalten ausschließlich Menschen, die auf behindertengerechte Toiletten angewiesen sind.« Ohne Weiteres werde der Schlüssel aber nicht ausgegeben. Der Behinderte müsse ihn unter Vorlage entsprechender Nachweise bestellen. »Sicherlich könnte man entgegnen, dass der Einbau eines solchen Zylinders den Behinderten wenig nutzt, wenn die entsprechenden Einrichtungen wie Bürgerhäuser geschlossen sind«, konstatierte Heldt. Die Behinderten-WCs in den Bürgerhäusern sind seinen Worten zufolge auch bei Veranstaltungen »grundsätzlich verschlossen« und würden erst nach Aufforderung geöffnet. Das habe etwas mit den Vandalismus- und Verschmutzungsproblemen zu tun. Heldt bat, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen, sofern Beratungsbedarf bestehe.
Wo gibt es - Behinderten-WCs?
Der bestand seitens der Christdemokraten, wie Fraktionsvorsitzender Alexander Walz deutlich machte. »Es ist wichtig, dass es Behindertentoiletten gibt und schwierig, wenn Betroffene ihren Alltag so planen und schauen müssen, wo es WCs gibt«, stellte er fest. Die Frage sei allerdings, wo in Nidda öffentliche Behindertentoiletten zu finden seien. »Es gibt keine wirkliche WC-Anlage, das ist das eigentliche Problem«, meinte Walz. Was die Behinderten-WCs in den Bürgerhäusern angeht, könnte man nach Ansicht des CDU-Manns dafür sorgen, dass der Hausmeister den Schüssel an die jeweiligen Veranstaltungsleiter übergibt. »Die Behindertentoiletten müssen auch für diejenigen zur Verfügung stehen, die keinen Schlüssel haben. Nicht jeder hat einen«, argumentierte er. Bis zur Stadtverordnetenversammlung habe er nicht gewusst, dass es solch einen Schlüssel überhaupt gibt. Walz wies darauf hin, dass manche Menschen auch vorübergehend gehandicapt sind, etwa wenn sie einen Unfall hatten. »Reinigungspersonal, das aufschließen müsste, darf aber keinen Euro-Schlüssel beantragen.« Darin sah er eine weitere mögliche Unwägbarkeit.
Marcus Stadler (Grüne) räumte ebenfalls ein: »Wir haben uns auch gefragt, wo es in Nidda überhaupt Behindertentoiletten gibt. Keiner von uns hat die Kenntnis, weil wir alle gesund sind.« Er schlug vor, jemand aus dem Kreis der Betroffenen zur Beratung in den Ausschuss einzuladen.