»Unsere ist doch die schönste«

Eichelsachsen (det). Vor 300 Jahren ist die evangelische Kirche Eichelsachsen erbaut worden, mit den schönen Schmuckformen ihres Fachwerks ein Blickpunkt mitten im Ort. Fachwerkkirchen sind pflegeintensiv. Vor knapp 40 Jahren war die Kirche so schadhaft, dass eine grundständige Renovierung durchgeführt werden musste (1990 bis 1994).
Viele Eichelsächser erinnern sich daran, dass zum Teil nur noch das »Balkenskelett« der Kirche stand und selbst daran Hölzer ausgetauscht werden mussten. 2011 waren noch Nacharbeiten erforderlich. Damit war das Gebäude langfristig saniert. Wieder konnte sich eine Generation Kirchenbesucher an dem hellen Innenraum mit seinen Emporenbildern freuen.
Als Auftakt des Jubiläums hatten Pfarrerin Eleonore Merkel und Pfarrer Dr. Dieter Metz einen Vortrag über Fachwerkkirchen organisiert und Dr. Sebastian Senger als Referenten gewonnen. Er ist eigentlich Geowissenschaftler, aber das Entdecken von Fachwerkkirchen, ihrer Geschichte und der Kunst der historischen Baumeister und Zimmerleute quer durch Hessen ist eine Liebhaberei, die er mit Leidenschaft pflegt.
So konnte er die Zuschauergruppe im evangelischen Gemeindehaus Eichelsachsen auf eine Bilderreise quer durch Hessen mitnehmen. Dabei ist die Formulierung »quer durch Hessen« nicht ganz zutreffend. Zwar gebe es in Mittel- und Nordhessen und selbst in Thüringen und Bayern Fachwerkkirchen, bei Darmstadt aber verlaufe gewissermaßen eine unsichtbare Fachwerkgrenze. Südlich davon gebe es nur Steinkirchen, betonte der Referent. Dies hänge wohl auch mit Wohlstand oder der Armut der Kirchengemeinden als Auftraggeber zusammen. Die Fachwerkbauweise war eindeutig kostengünstiger, örtlich leicht zu beschaffende Materialien wurden verwandt.
Senger erläuterte zwischen den Beschreibungen einzelner Fachwerkkirchen bautechnische Details. So zeigte er die unterschiedliche Konstruktionskonzepte Ständer- und Rähmbauweise auf. Bei ersterer werden auf einem für die Statik wichtigen Steinsockel die Balken senkrecht gebäudehoch aufgerichtet, vom Sockel bis zum Dach durchgehend. Sie werden durch Quer- oder Schrägbalken stabilisiert, wobei Schmuckformen entstehen können. Dies wies er am »Wilden Mann« an der Ecke der Eichelsächser Kirche nach.
Die Rähmbauweise wurde im Spätmittelalter entwickelt. Die Ständer bilden die Innen- und Seitenwände, sind aber jeweils nur ein Stockwerk hoch und können geschossweise in die Höhe gebaut werden. Das einzelne Bauelement bestand unten aus einer Schwelle und schloss oben mit einem Rähm oder Pfette genannten Rahmen ab. Zu Stabilisierung wurden waagrechte Riegel oder Balken als schräge Andreaskreuze eingefügt, später entstanden daraus noch kunstvollere Schmuckkreuze.
Astgeflecht und Strohlehm
Die Gefache, die Räume zwischen den Balken wurden in der Regel mit Astgeflecht verkleidet und mit Strohlehm ausgefüllt. Nur ganz selten verwandte man dafür Back-, Lehm- oder Bruchsteine. Darüber sei ein wetterfester Verputz aus Kalktünche, vermischt mit Tierhaaren und Flachs auf die Gefache gebracht worden. Das gab den hellen Kontrast der Gefache zu den Balken. Das gerbsäurehaltige Holz der Balken, meist Eiche, zum Schutz mit basischer Kalktünche gestrichen, reagierte in unterschiedlichen Farbnuancen.
Eine Fülle von Fachwerkkirchen hatte Senger fotografiert: imposante hohe Bauten, zum Teil mit ein- oder zweistöckigen Emporen im Innenraum oder kleine Kirchlein, manche mit Gestalten der hessischen Kirchengeschichte verbunden, etwa mit Bonifatius oder Sophie von Brabant, andere mit einer wechselvollen Geschichte etwa einer Nutzung als Scheune oder als Spritzenhaus, einige mit schlichtem funktionalem Fachwerk, wieder andere etwa aus dem Historismus mit raffinierten Schmuckformen.
»So viele Kirchen - aber unsere Eichelsächser Kirche ist doch die schönste!«, meinte ein Zuhörer und fand keinen Widerspruch bei seinen schmunzelnden Mitbürgern. Abschließend dankte Pfarrerin Merkel dem Referenten.
