Vermietung: Hilfen und Hürden

Sie wollten schnell helfen. Birgit und Helmut Jung aus Wallernhausenstellten in ihrem Haus eine kleine Wohnung für Geflüchtete zur Verfügung. Auf etwas hatten sie jedoch vergessen zu achten.
Familie Jung wollte Geflüchteten aus der Ukraine helfen. Sie wohnen in Wallernhausen, kennen die dort ansässige Organisation AVC. Die Abkürzung steht für Aktion für verfolgte Christen und Notleidende. Das Hilfswerk ist in der Ukraine-Hilfe für viele der Ansprechpartner, hat selbst viele Geflüchtete aufgenommen und zahlreiche Transporte mit Hilfsgütern durchgeführt. Birgit und Helmut Jung hatte im Kreis-Anzeiger gelesen, dass immer weniger Privatleute eine Wohnung zur Verfügung stellen. Sie wollten etwas tun.
Man ist sich gleich sympathisch
Das Hilfswerk suchte eine Unterkunft für ein ruhiges Ehepaar aus Posnan an der weiß-russischen Grenze. Im Erdgeschoss ihres Hauses befindet sich eine kleine Wohnung. Sie lernten sich kennen, man war sich sympathisch. Familie Jung sagte zu. Am 11. November des vergangenen Jahres zog das Ehepaar ein.
Vermieter und Mieter schlossen einen Mustermietvertrag ab. Die monatliche Grundmiete beträgt 260 Euro, als Nebenkosten hatten die Vermieter pauschal 110 Euro eingetragen. Ein gesonderter Zähler ist nicht vorhanden. Das Zusammenleben funktionierte bestens, es entwickelte sich eine Freundschaft.
Das ukrainische Ehepaar stellte einen Antrag auf Bürgergeld. Das war mit etlichen Herausforderungen verbunden. Die 42-Jährige ist Lehrerin, hat in den wenigen Wochen eifrig Deutsch gelernt. Doch für Formulare auszufüllen, war es noch zu wenig. »Unsere Mieter sind mit der Bürokratie völlig überfordert«, erzählen die Jungs. In der Ukraine sei vieles online oder telefonisch möglich, erzählt die Lehrerin und stellt fest: »In Deutschland gibt es viele Papiere.« Und es gibt Gesetze, die selbst die Jungs nicht auf dem Schirm hatten.
Bereits nach kurzer Zeit hatte Familie Jung gemerkt, dass die 110 Euro Nebenkosten aufgrund der gestiegenen Energiepreise bei Weitem nicht ausreichten. Tatsächlich liegen sie bei rund 380 Euro pro Monat. Für die Zeit von November bis Ende Februar häuften sich Neben- und Betriebskosten von über 1000 Euro an, die sie ihren Mietern pro forma in Rechnung stellten, sie aber gleichzeitig bei der Kommunikation mit dem Job-Center unterstützten. Birgit Jung: »Unsere Mieter sind ganz liebe Leute, sehr dankbar und ihnen ist das unheimlich peinlich.«
Im Februar erhielt das ukrainische Paar die erste Zahlung des Job-Centers. Das Amt orientiert sich an dem Mietvertrag, das heißt, Grundmiete plus 110 Euro Nebenkosten. Diese Aufwendungen sind gedeckt, die Differenz bleibt an den Vermietern hängen.
Die Frage nach der Differenz
In einem Brief an das Job-Center verweist Helmut Jung auf die Möglichkeit, die Pauschale im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzung anzupassen. Um unnötige Härten für Mieter und Vermieter zu vermeiden, sei eine Betriebskostenabrechnung schon vor Jahresende möglich, argumentiert Jung. Er nimmt den Paragrafen 22 des Sozialgesetzbuches II zu Hilfe. Dieser definiert eine einjährige Karenzzeit. »Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt«, steht im dazugehörigen Kapitel. Die Differenz müsse das Job-Center doch ausgleichen, meint Jung.
Tut es aber nicht. »Ist in einem Mietvertrag eine Nebenkostenpauschale vereinbart worden, ist die Nebenkostenpauschale ein vereinbarter fester Betrag, der gemeinsam mit der Miete an den Vermieter entrichtet wird«, informiert das Job-Center auf Anfrage dieser Zeitung. Die Pflicht des Mieters sei damit vollständig abgegolten. Verbraucht der Mieter mehr als kalkuliert oder erhöhen sich die Betriebskosten, ist es das Risiko des Vermieters. In beiden Fällen, also bei Mehrverbrauch oder Kostensteigerungen, darf dieser keine Nachzahlung verlangen. Im Gegenzug kann der Mieter auch keine Rückzahlung fordern, sollte sein tatsächlicher Verbrauch unter der gezahlten Pauschale liegen. Auch ist eine Abrechnung einzelner Monate nicht möglich. Daher werde das Job-Center nur die Pauschale übernehmen, ist in der Stellungnahme zu lesen. Vom Paragrafen 22 ist keine Rede.
Auch ein neu aufgesetzter Mietvertrag hilft nicht, würde nach Informationen der Familie Jung erst später greifen. Jungs fühlen sich falsch beraten. »Die Differenz bezahlen wir von unserem Gesparten.« Ihre Hilfsbereitschaft endet in einer Enttäuschung. Was, wie Birgit Jung betont, nichts mit ihren Mietern zu tun habe. Diese hoffen, betont die Ukrainerin, sobald es möglich ist, wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können.